Es gibt
verschiedene Formen von Kalkulationsmodellen, mit denen in einer Arbeitsgruppe
„AG Kalkulation“ der Vertragskommission (VK SGB XII) die pauschalen
Fortschreibungssätze erarbeitet werden. Im ersten Teil dieser Mini-Serie wurde beschrieben,
wie auf einfache Weise ein Kompromiss erzielt werden kann. Im jetzigen zweiten
Teil habe ich die Parameter verändert, um aufzuzeigen, wo die Grenzen des
Kalkulationsmodells liegen. Im dritten Teil folgen dann die Kritik und Fazit.
Im ersten Teil dieser Mini-Serie hatte eine „AG
Kalkulation“ (Arbeitsgruppe, Arbeitskreis) einen Auftrag aus der „VK SGB XII“
(Vertragskommission), einen Interessenausgleich zu finden. Vorrangig ging es um
die Einführung einer neuen Leistungsstufe (oder Hilfebedarfsgruppe), bei der
die Seite der Leistungsträger eine Reduzierung des Gesamtbudgets erwartete (5
%). Dagegen verlangte die Seite der Leistungserbringer, dass zuerst einmal der
Kostenanstieg refinanziert wird (6 %). Beide Seiten sahen dennoch die Notwendigkeit,
eine differenzierte Ausgestaltung von Leistungsformen zu vereinbaren.
Um nun beiden Seiten gerecht zu werden, erarbeitete die
AG Kalkulation ein simples Kompromiss-Modell, dessen Ergebnis als
Beschlussvorlage zurück zur VK gelangen sollte.
Soweit so gut.
Doch was für ein Ergebnis erhält man, wenn statt eines
Anteils von 5 % für niedrigschwellige Leistungen ein Anteil von 20 % anzusetzen
ist; also wie ändern sich dann die Zahlen?
Neues Beispiel:
Ausgangspunkt ist zuerst einmal ein Verständnis für die
Belange der anderen Seite und Konsens. Differenzierte Leistungsformen werden
allgemein als eine notwendige Erweiterung des Angebotes betrachtet, um
personenzentrierte, bedarfsdeckende Leistungen zu erbringen. Die Steigerung der
Kosten um 6 % wird als unausweichlich und angemessen angesehen, so dass an
dieser Stelle ebenfalls kein weiterer Bedarf an Erläuterungen besteht. Von daher
beschließen beide Seiten, dass zwei Budgets im Umfange von 80 % für die
fachpädagogischen Leistungen und 20 % für die niedrigschwelligen Leistungen
gebildet werden.
Rechnerisch ergibt sich bei einem Anteil der
niedrigschwelligen Leistungen am Gesamtbudget von 20 % eine Reduzierung des
Budgets um 15 %, sofern weiterhin ¼ des bisherigen Stundensatzes für diese
niedrigschwelligen Leistungen anzusetzen ist. Dabei spielt es zuerst einmal
keine Rolle, ob man die verlangte Anhebung um 6 % vorher oder nachher berechnet
– 85 Prozentpunkte mal Faktor 1,06 sind nun mal identisch mit 106
Prozentpunkten mal Faktor 0,85.
Doch eine Aufteilung, die sich rein anhand der
Bewilligungen orientiert, d.h. im Verhältnis 80:20 erfolgt, berücksichtigt
nicht den tatsächlichen Ressourcen-Einsatz. Von daher muss ein Angebot der
Leistungsträger, das Teil-Budget von 80 Prozentpunkten um den Faktor 1,06
anzuheben auf 84,80 Prozentpunkte zurückgewiesen werden. Erst wenn man Klarheit
darüber hat, wie sich die Kosten bei dem geänderten Ressourcen-Einsatz ergeben,
dürfen die Verhandlungen weitergeführt werden.
Bei den niedrigschwelligen Leistungen wäre es dagegen
entsprechend der Absenkung des dafür vorgesehenen Stundensatzes auf ¼ des neuen
Stundensatzes für die fachpädagogischen Leistungen erwartungsgemäß zu einer
Reduzierung gekommen. Vorausgesetzt, dass allgemeiner Konsens besteht, hätte
das Teil-Budget sich von 20 Punkten (d.h. 20 %) auf 5,30 Punkte vermindert (20
x ¼ x Faktor 1,06 = 5,30).
Ausgehend von einem solchen Stand der Verhandlungen, würde das
neue Gesamtbudget 84,80 + 5,30 = 90,10 Prozentpunkte betragen bzw. wäre es zu
einer Absenkung gegenüber dem Vorjahresbudget um 9,90 % gekommen. Zwar sind in
diesen Rechnungen die Kostensteigerungen von 6 % enthalten, doch die
tatsächlichen Kosten des Ressourcen-Einsatzes in jeder Leistungsform bleiben
unbekannt.
Um nun doch zu einem Abschluss zu kommen, könnte man die
Vorjahres-Budgets pro Leistungserbringer einmalig festschreiben und in den
kommenden Jahren schrittweise absenken. Eine solche Streckung über mehrere
Jahre ist auch als Konvergenzphase bekannt. Bei einer solchen Vorgehensweise
verhindert man sofortige, einschneidende Maßnahmen im Leistungsangebot (im Jahr
der Umstellung). In den Folgejahren könnten (theoretisch) die einzelnen
Leistungserbringer ihre Kostenstrukturen anpassen. Dagegen wären von der
Absenkung ausgenommen die dann anstehenden, aber noch nicht bekannten
Tarifabschlüsse.
Es ist jetzt schon erkennbar, dass das Kompromiss-Modell
schnell an seine Grenzen stößt. Ein einfacher Interessenausgleich gelingt nur
dann, wenn das, was sich ändern soll, einen relativ geringen Umfang einnimmt.
Bei einem Anteil von 5 % für niedrigschwellige Leistungen können beide Parteien
schnell einen Kompromiss finden, weil der nachfolgende Anpassungsprozess
tragbar und schnell umsetzbar ist. Die Festschreibung eines Vorjahres-Budgets
mit der Aussicht auf spätere, leichte Anpassungen findet eher Akzeptanz, wenn
eine gewisse Steuerbarkeit und Planbarkeit damit einhergeht. Dagegen benötigt
ein Einschnitt von beispielsweise 20 % viel mehr Zeit, damit dauerhafte
Absenkungen von den Leistungsträgern verkraftet werden. Ohne eine langfristige
Konvergenzphase würde die Angebotslandschaft von Leistungserbringern nur so
ausgedünnt werden – ob das im Sinne der Sozialpolitik ist?
CGS
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