Fegefeuer für die (Steuer-) Sünder Tafel an einer Hauswand in Lübeck |
Der Duden versteht darunter ein selbstloses Verhalten oder eine selbstlose Art, mit der auch Güte und Wohltätigkeit gemeint sind. Selbstlos heißt, dass man „nicht auf den eigenen Vorteil bedacht“ und „uneigennützig und zu Opfern bereit“ ist.
Was nicht dazu passt, sind Gewinne.
Unternehmerisches Handeln setzt aber nun mal voraus, dass Gewinne erzielt werden. Immerhin soll das Unternehmen auf Jahre hinaus überleben können und Arbeitsplätze sichern. Das klingt aber nach einer gehörigen Portion Eigeninteresse, was völlig konträr zu der Selbstlosigkeit steht. Wie selbstlos müssen Betriebe der Wohlfahrtspflege sein – oder anders gefragt: Gibt es da wirklich so ein Schwarz-Weiß-Denken in der (steuerrechtlichen) Gemeinnützigkeit?
Gewinne erzielen können
Unternehmen können steuerbegünstigt werden, wenn sie für das
Gemeinwesen eine besondere Arbeit leisten. Diese Arbeit ist dann ausschließlich
und unmittelbar gemeinnützig (§ 52 AO), mildtätig (§ 53 AO) oder sie dient
kirchlichen Zwecken (§ 54 AO). In jedem Fall ist der Zweck der Unternehmung
selbstlos (§ 55 AO).
Mit dieser Selbstlosigkeit ist unterschwellig eine
„Gewinnerzielungsabsicht von Null Euro“ gemeint. Es soll also nicht mehr Geld
verdient werden, als für die Leistungserbringung gebraucht wird; in früheren
Zeiten praktizierte man das Selbstkostenprinzip die Behindertenhilfe (vgl.
hierzu auch noch mal § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XII zu „nachträgliche Ausgleiche“). Die
Abgabenordnung enthält aber kein grundsätzliches „Gewinnerzielungsverbot“.
Stattdessen kann von einem „Gewinnverwendungsgebot“ gesprochen werden, weil
gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO die angesammelten (Finanz-) Mittel lediglich
„zeitnah“ zu verwenden sind.
Zeitnah bedeutet, dass die Mittel „spätestens in den auf den
Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren“ zu verwenden sind (§
55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO). Was mit Verwendung gemeint ist, richtet sich wiederum
auf die steuerbegünstigte Satzung der Körperschaft (§ 51 ff. AO); nur für die
steuerlich anerkannten Zwecke, siehe oben, dürfen die Mittel eingesetzt werden.
Und steuerliche Anerkennung verlangt, dass das zuständige Finanzamt die Satzung
geprüft hat. Es gibt allerdings die Ausnahme, dass in ganz bestimmten Fällen
die angesammelten Mittel einer Rücklage zugeführt werden können, die eben nicht
zeitnah eingesetzt werden muss: die sogenannte „freie Rücklage“ (§ 62 Abs. 3
und Abs. 4 AO).
In der Abgabenordnung wird auch davon gesprochen, dass die
Förderung der steuerlich anerkannten Zwecke „nicht in erster Linie“
eigenwirtschaftlichen Zwecken dient. Eigenwirtschaftliche Zwecke werden angesehen
als „gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke“. Worum es da geht, hat
etwas mit der Vermögensmehrung zu tun bzw. mit der Begünstigung der jeweiligen Gesellschafter
(§ 55 Abs. 1 S. 1 AO). Die verwendete Formulierung lässt vermuten, dass es
unschädlich wäre, eigenwirtschaftliche Interessen sozusagen in „zweiter Linie“
zu verfolgen. Selbstlosigkeit wäre somit nicht als Selbstaufgabe zu verstehen,
sondern als ein langfristiges, dem Gemeinwesen unterstelltes Handeln. Dafür
spricht auch, dass die Bildung von Rücklagen unschädlich ist (§ 62 AO). Rücklagen
dienen nun mal dazu, dass das Unternehmen sich stärkt. Und damit wird ein
Eigeninteresse der Körperschaft anerkannt, welches faktisch noch vor dem Aspekt
der Selbstlosigkeit steht.
Mit Selbstlosigkeit ist von daher eine Tätigkeit gemeint,
die zwar sämtliche, gewonnenen Mittel für die steuerbegünstigte Arbeit einsetzt,
aber eben nicht zwingend sofort und vollständig. Vielmehr darf das soziale
Unternehmen Rücklagen bilden, um seine steuerlich anerkannten Zwecke
„nachhaltig zu erfüllen“ (Abs. 1 Ziffer 1); manche Rücklagen können sogar für
eine sehr lange Zeit gebildet werden.
Gewinne erzielen kann auch ein
Betrieb der Wohlfahrtspflege
Für Unternehmen der Wohlfahrtspflege findet sich in § 66 AO eine
scheinbar spezielle Norm. Danach soll die Tätigkeit „nicht des Erwerbs wegen“
ausgeübt werden, sondern sie soll „planmäßig“ stattfinden und für „notleidende
oder gefährdete Mitmenschen“ da sein (Abs. 2). Es handelt sich gem. § 53 AO insbesondere
um Personen, die „infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen
Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind“ (Nr. 1).
Bei einer solchen Tätigkeit können nun mal Mittel in einem
Jahr übrig bleiben (sozusagen ein Überschuss bei der jährlichen
Ergebnisermittlung wie z.B. einer Gewinn- und Verlustrechnung), die aber zu
einem späteren Zeitpunkt gebraucht werden. Von daher ist die Erzielung von
Gewinnen sogar notwendig und überhaupt nicht „schädlich“ – im Sinne des
Steuerrechts.
In einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.11.2013, Az. I R
17/12, hatte man mehrere Punkte dazu herausgearbeitet.
(1)
Als erstes schrieb der BFH, dass die „bloße
objektive Eignung eines Wohlfahrtsbetriebs zur Gewinnerzielung“ noch nicht anzeigt,
dass die Eigenschaft dieses Betriebs „des Erwerbs wegen“ stattfindet (siehe
hierzu noch einmal § 66 AO). Der bloße Anschein, der sich schon mal aus einer
Bilanz und GuV (oder EÜR) ergibt, reicht noch nicht aus, einen Verstoß gegen
die Vorgaben aus der Abgabenordnung anzunehmen.
(2)
Und weiter hieß es, dass die Erzielung von
Gewinnen „in gewissem Umfang … z.B. zum Inflationsausgleich…“ möglich ist. Das
eingesetzte Kapital darf sich also verzinsen, damit ein realer Wertverlust
nicht entsteht; würde man ein Eigenkapital von insgesamt 2 Mio. Euro
unterstellen, dürfte der Inflationsausgleich bei 2 % lediglich 40.000 Euro
ausmachen *).
(3)
Als dritten Punkt hatte man festgestellt, dass
in § 66 AO eine „Wettbewerbsklausel“ fehlt, wie sie in § 65 Nr. 3 AO für
allgemeine Zweckbetriebe vorgesehen ist. Man muss also daraus folgern, dass der
Gesetzgeber sozusagen „ein Nebeneinander von steuerbegünstigten und primär
gewinnorientierten Betrieben grundsätzlich akzeptiert“ (BFH-Urteil vom
17.11.2013, Az. I R 17/12; Rz. 44).
(4)
Wenn dagegen Gewinne angestrebt werden, „die den
konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs
übersteigen“ und „die Wohlfahrtspflege mithin nur als Vorwand dient, um das
eigene Vermögen zu mehren“, ist eine „ausschließende Erwerbsorientierung“
gegeben (Rz. 45).
Diese Sichtweise hatte die Finanzverwaltung im
Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) am 31.1.2014 übernommen und herausgestellt,
dass der Grundsatz der Selbstlosigkeit, wie er in § 55 AO ausgeführt ist, nicht
weiter eingeschränkt sein soll in den Bestimmungen über die Wohlfahrtspflege in
§ 66 AO. Damit ergänzen sich diese beiden Bestimmungen.
Gewinnrücklagen sind aber zu
erläutern
Während bei einer GmbH das Gezeichnete, Grund- oder
Stammkapital unverändert bleibt in seiner Höhe, werden nicht ausgeschüttete
jährliche Überschüsse in einer Gewinnrücklage gesammelt (vgl. dazu § 266 Abs. 3
HGB, Gliederung der Passivseite einer Bilanz; sowie § 272 Abs. 3 HGB). Diese
Gewinnrücklage kann wiederum aus einer gesetzlichen Rücklage, der Rücklage für
Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen, einer
satzungsmäßigen Rücklagen und anderen Gewinnrücklagen bestehen.
Da ja nun die Satzung steuerlich als begünstigt angesehen
wird, sind von daher satzungsmäßige Rücklagen solche, die sich aus der
Abgabenordnung ergeben. Und andere Gewinnrücklagen wären welche, die nicht dem
steuerbegünstigten Zweck entsprechen. Man könnte auch sagen, dass es sich bei
den anderen Gewinnrücklagen um Mittelansammlungen handelt, die den
Finanzierungsbedarf des jeweiligen, steuerbegünstigten Unternehmens
übersteigen.
Eine Differenzierung in die unterschiedlichen Rücklagen ist
nicht zwingend notwendig. Doch um eine Differenzierung zu verdeutlichen,
braucht es eine Nebenrechnung zu den anderen Berichten (z.B. EÜR § 259 BGB, oder
Gewinn- und Verlustrechnung § 275 f. HGB; sowie Vermögensübersicht § 260 BGB,
oder Bilanz § 266 f. HGB). Eine Mittelverwendungsrechnung kann Auskunft darüber
geben, ob ein Mittelüberhang oder eine Mittelverwendung vorliegt. Dass eine
Mittelverwendungsrechnung erstellt werden muss, findet sich in § 55 AO (dazu
aber lieber an anderer Stelle etwas mehr).
Gewinne bei fahrlässiger
Erwerbsorientierung
Es kann über mehrere Jahre passieren, dass Überschüsse
erwirtschaftet werden. Die Planung der Geschäftsführung sollte dann natürlich
so sein, dass man diese vielen zusätzlichen, aber nicht benötigten Finanzmittel
dem Gemeinwesen wieder zuführt. Wenn das nicht mit eigenen Projekten geht, dann
eben über andere. Oder man überrascht die Leistungsträger, indem man zeitlich
befristet einen Rabatt gewährt.
Der BFH hatte in seiner Entscheidung das Anstreben von
Gewinnen kritisiert und die Mehrung des eigenen Vermögens als
Erwerbsorientierung klassifiziert. Doch das würde einen Vorsatz implizieren,
der zuerst einmal nachgewiesen sein müsste. Wirtschaftliches Handeln kann dabei
nicht als Vorsatz gewertet werden. Wenn aber deutliche Gewinne erzielt werden,
könnte dies eher der Hinweis darauf sein, dass die Leistungsträger ihrer
Prüfungspflicht nicht nachkommen. Und das schließt auch das Vertragswesen mit
ein (Stichworte: Entgeltverhandlungen, Vergütungsvereinbarungen).
Denkbar wäre diese Grauzone, in der es eine Mittelansammlung
gegeben hat, die den konkreten Finanzierungsbedarf übersteigt und noch keine
Projekte für eine Mittelverwendung bestimmt worden sind. Würde eine solche
Fahrlässigkeit (im Gegensatz zur vorsätzlichen und bewussten
Erwerbsorientierung) zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen?
CGS
*) =
BHH Sozialkontor GmbH, Abschluss 2017
Eigenkapital, gesamt = 2.203 Tsd. Euro
Jahresüberschuss = 432 Tsd. Euro
Return on
Equity / EK-Rendite = 19,6 %
Inflation in 2017 = 1,8 %
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