Donnerstag, 27. September 2018

Steuerrecht – Gewinne machen dürfen in der Wohlfahrtspflege?

Fegefeuer für die (Steuer-) Sünder
Tafel an einer Hauswand in Lübeck
Selbstlosigkeit ist ein großes Wort. 

Der Duden versteht darunter ein selbstloses Verhalten oder eine selbstlose Art, mit der auch Güte und Wohltätigkeit gemeint sind. Selbstlos heißt, dass man „nicht auf den eigenen Vorteil bedacht“ und „uneigennützig und zu Opfern bereit“ ist. 

Was nicht dazu passt, sind Gewinne. 

Unternehmerisches Handeln setzt aber nun mal voraus, dass Gewinne erzielt werden. Immerhin soll das Unternehmen auf Jahre hinaus überleben können und Arbeitsplätze sichern. Das klingt aber nach einer gehörigen Portion Eigeninteresse, was völlig konträr zu der Selbstlosigkeit steht. Wie selbstlos müssen Betriebe der Wohlfahrtspflege sein – oder anders gefragt: Gibt es da wirklich so ein Schwarz-Weiß-Denken in der (steuerrechtlichen) Gemeinnützigkeit?


Gewinne erzielen können

Unternehmen können steuerbegünstigt werden, wenn sie für das Gemeinwesen eine besondere Arbeit leisten. Diese Arbeit ist dann ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig (§ 52 AO), mildtätig (§ 53 AO) oder sie dient kirchlichen Zwecken (§ 54 AO). In jedem Fall ist der Zweck der Unternehmung selbstlos (§ 55 AO).

Mit dieser Selbstlosigkeit ist unterschwellig eine „Gewinnerzielungsabsicht von Null Euro“ gemeint. Es soll also nicht mehr Geld verdient werden, als für die Leistungserbringung gebraucht wird; in früheren Zeiten praktizierte man das Selbstkostenprinzip die Behindertenhilfe (vgl. hierzu auch noch mal § 77 Abs. 1 S. 1 SGB XII zu „nachträgliche Ausgleiche“). Die Abgabenordnung enthält aber kein grundsätzliches „Gewinnerzielungsverbot“. Stattdessen kann von einem „Gewinnverwendungsgebot“ gesprochen werden, weil gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO die angesammelten (Finanz-) Mittel lediglich „zeitnah“ zu verwenden sind.

Zeitnah bedeutet, dass die Mittel „spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren“ zu verwenden sind (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO). Was mit Verwendung gemeint ist, richtet sich wiederum auf die steuerbegünstigte Satzung der Körperschaft (§ 51 ff. AO); nur für die steuerlich anerkannten Zwecke, siehe oben, dürfen die Mittel eingesetzt werden. Und steuerliche Anerkennung verlangt, dass das zuständige Finanzamt die Satzung geprüft hat. Es gibt allerdings die Ausnahme, dass in ganz bestimmten Fällen die angesammelten Mittel einer Rücklage zugeführt werden können, die eben nicht zeitnah eingesetzt werden muss: die sogenannte „freie Rücklage“ (§ 62 Abs. 3 und Abs. 4 AO).

In der Abgabenordnung wird auch davon gesprochen, dass die Förderung der steuerlich anerkannten Zwecke „nicht in erster Linie“ eigenwirtschaftlichen Zwecken dient. Eigenwirtschaftliche Zwecke werden angesehen als „gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke“. Worum es da geht, hat etwas mit der Vermögensmehrung zu tun bzw. mit der Begünstigung der jeweiligen Gesellschafter (§ 55 Abs. 1 S. 1 AO). Die verwendete Formulierung lässt vermuten, dass es unschädlich wäre, eigenwirtschaftliche Interessen sozusagen in „zweiter Linie“ zu verfolgen. Selbstlosigkeit wäre somit nicht als Selbstaufgabe zu verstehen, sondern als ein langfristiges, dem Gemeinwesen unterstelltes Handeln. Dafür spricht auch, dass die Bildung von Rücklagen unschädlich ist (§ 62 AO). Rücklagen dienen nun mal dazu, dass das Unternehmen sich stärkt. Und damit wird ein Eigeninteresse der Körperschaft anerkannt, welches faktisch noch vor dem Aspekt der Selbstlosigkeit steht.

Mit Selbstlosigkeit ist von daher eine Tätigkeit gemeint, die zwar sämtliche, gewonnenen Mittel für die steuerbegünstigte Arbeit einsetzt, aber eben nicht zwingend sofort und vollständig. Vielmehr darf das soziale Unternehmen Rücklagen bilden, um seine steuerlich anerkannten Zwecke „nachhaltig zu erfüllen“ (Abs. 1 Ziffer 1); manche Rücklagen können sogar für eine sehr lange Zeit gebildet werden.


Gewinne erzielen kann auch ein Betrieb der Wohlfahrtspflege

Für Unternehmen der Wohlfahrtspflege findet sich in § 66 AO eine scheinbar spezielle Norm. Danach soll die Tätigkeit „nicht des Erwerbs wegen“ ausgeübt werden, sondern sie soll „planmäßig“ stattfinden und für „notleidende oder gefährdete Mitmenschen“ da sein (Abs. 2). Es handelt sich gem. § 53 AO insbesondere um Personen, die „infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind“ (Nr. 1).

Bei einer solchen Tätigkeit können nun mal Mittel in einem Jahr übrig bleiben (sozusagen ein Überschuss bei der jährlichen Ergebnisermittlung wie z.B. einer Gewinn- und Verlustrechnung), die aber zu einem späteren Zeitpunkt gebraucht werden. Von daher ist die Erzielung von Gewinnen sogar notwendig und überhaupt nicht „schädlich“ – im Sinne des Steuerrechts.

In einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.11.2013, Az. I R 17/12, hatte man mehrere Punkte dazu herausgearbeitet.

(1)    Als erstes schrieb der BFH, dass die „bloße objektive Eignung eines Wohlfahrtsbetriebs zur Gewinnerzielung“ noch nicht anzeigt, dass die Eigenschaft dieses Betriebs „des Erwerbs wegen“ stattfindet (siehe hierzu noch einmal § 66 AO). Der bloße Anschein, der sich schon mal aus einer Bilanz und GuV (oder EÜR) ergibt, reicht noch nicht aus, einen Verstoß gegen die Vorgaben aus der Abgabenordnung anzunehmen.

(2)    Und weiter hieß es, dass die Erzielung von Gewinnen „in gewissem Umfang … z.B. zum Inflationsausgleich…“ möglich ist. Das eingesetzte Kapital darf sich also verzinsen, damit ein realer Wertverlust nicht entsteht; würde man ein Eigenkapital von insgesamt 2 Mio. Euro unterstellen, dürfte der Inflationsausgleich bei 2 % lediglich 40.000 Euro ausmachen *).

(3)    Als dritten Punkt hatte man festgestellt, dass in § 66 AO eine „Wettbewerbsklausel“ fehlt, wie sie in § 65 Nr. 3 AO für allgemeine Zweckbetriebe vorgesehen ist. Man muss also daraus folgern, dass der Gesetzgeber sozusagen „ein Nebeneinander von steuerbegünstigten und primär gewinnorientierten Betrieben grundsätzlich akzeptiert“ (BFH-Urteil vom 17.11.2013, Az. I R 17/12; Rz. 44).

(4)    Wenn dagegen Gewinne angestrebt werden, „die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen“ und „die Wohlfahrtspflege mithin nur als Vorwand dient, um das eigene Vermögen zu mehren“, ist eine „ausschließende Erwerbsorientierung“ gegeben (Rz. 45).

Diese Sichtweise hatte die Finanzverwaltung im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) am 31.1.2014 übernommen und herausgestellt, dass der Grundsatz der Selbstlosigkeit, wie er in § 55 AO ausgeführt ist, nicht weiter eingeschränkt sein soll in den Bestimmungen über die Wohlfahrtspflege in § 66 AO. Damit ergänzen sich diese beiden Bestimmungen. 


Gewinnrücklagen sind aber zu erläutern

Während bei einer GmbH das Gezeichnete, Grund- oder Stammkapital unverändert bleibt in seiner Höhe, werden nicht ausgeschüttete jährliche Überschüsse in einer Gewinnrücklage gesammelt (vgl. dazu § 266 Abs. 3 HGB, Gliederung der Passivseite einer Bilanz; sowie § 272 Abs. 3 HGB). Diese Gewinnrücklage kann wiederum aus einer gesetzlichen Rücklage, der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen, einer satzungsmäßigen Rücklagen und anderen Gewinnrücklagen bestehen.

Da ja nun die Satzung steuerlich als begünstigt angesehen wird, sind von daher satzungsmäßige Rücklagen solche, die sich aus der Abgabenordnung ergeben. Und andere Gewinnrücklagen wären welche, die nicht dem steuerbegünstigten Zweck entsprechen. Man könnte auch sagen, dass es sich bei den anderen Gewinnrücklagen um Mittelansammlungen handelt, die den Finanzierungsbedarf des jeweiligen, steuerbegünstigten Unternehmens übersteigen.

Eine Differenzierung in die unterschiedlichen Rücklagen ist nicht zwingend notwendig. Doch um eine Differenzierung zu verdeutlichen, braucht es eine Nebenrechnung zu den anderen Berichten (z.B. EÜR § 259 BGB, oder Gewinn- und Verlustrechnung § 275 f. HGB; sowie Vermögensübersicht § 260 BGB, oder Bilanz § 266 f. HGB). Eine Mittelverwendungsrechnung kann Auskunft darüber geben, ob ein Mittelüberhang oder eine Mittelverwendung vorliegt. Dass eine Mittelverwendungsrechnung erstellt werden muss, findet sich in § 55 AO (dazu aber lieber an anderer Stelle etwas mehr).


Gewinne bei fahrlässiger Erwerbsorientierung

Es kann über mehrere Jahre passieren, dass Überschüsse erwirtschaftet werden. Die Planung der Geschäftsführung sollte dann natürlich so sein, dass man diese vielen zusätzlichen, aber nicht benötigten Finanzmittel dem Gemeinwesen wieder zuführt. Wenn das nicht mit eigenen Projekten geht, dann eben über andere. Oder man überrascht die Leistungsträger, indem man zeitlich befristet einen Rabatt gewährt.

Der BFH hatte in seiner Entscheidung das Anstreben von Gewinnen kritisiert und die Mehrung des eigenen Vermögens als Erwerbsorientierung klassifiziert. Doch das würde einen Vorsatz implizieren, der zuerst einmal nachgewiesen sein müsste. Wirtschaftliches Handeln kann dabei nicht als Vorsatz gewertet werden. Wenn aber deutliche Gewinne erzielt werden, könnte dies eher der Hinweis darauf sein, dass die Leistungsträger ihrer Prüfungspflicht nicht nachkommen. Und das schließt auch das Vertragswesen mit ein (Stichworte: Entgeltverhandlungen, Vergütungsvereinbarungen).

Denkbar wäre diese Grauzone, in der es eine Mittelansammlung gegeben hat, die den konkreten Finanzierungsbedarf übersteigt und noch keine Projekte für eine Mittelverwendung bestimmt worden sind. Würde eine solche Fahrlässigkeit (im Gegensatz zur vorsätzlichen und bewussten Erwerbsorientierung) zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen?

CGS




*) =

BHH Sozialkontor GmbH, Abschluss 2017

Eigenkapital, gesamt = 2.203 Tsd. Euro
Jahresüberschuss = 432 Tsd. Euro
Return on Equity / EK-Rendite = 19,6 %
Inflation in 2017 = 1,8 %




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