Montag, 14. Oktober 2024

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in einer besonderen Situation

Gibt es in Deutschland eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, einen Sozialpsychiatrischen Dienst zu benachrichtigen, wenn ein Arbeitnehmer von Suizid spricht?

Diese Frage tauchte plötzlich auf und verschwand wieder von der „Bildfläche“. Glücklicherweise war nichts passiert, aber zu denken gab es in dieser Sache genug. Also: Was hat ein Arbeitgeber zu tun? Und worauf gründet sich ein Sozialpsychiatrische Dienst überhaupt?

 

Fürsorgepflicht bedeutet, sich zu kümmern

Es gibt die altbekannte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern. Bei der Fürsorgepflicht handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag, die den Arbeitgeber dazu verpflichtet, für den Schutz von Leben, Gesundheit, Sittlichkeit und materielle Interessen der Arbeitnehmer zu sorgen (§§ 617 bis 619 BGB; im Umkehrschluss obliegt dem Arbeitnehmer die Treuepflicht). 

Wenn ein Arbeitnehmer von Suizid spricht, sollte der Arbeitgeber helfen, professionelle Hilfe zu suchen. Der Arbeitgeber kann auch eine betriebliche Sozialberatung anbieten, um dem Arbeitnehmer zu helfen, seine Probleme zu lösen. Letztendlich handelt es sich aber nur um Angebote, die vom Mitarbeitenden nicht angenommen werden müssen. In einem solchen Fall sollte jedoch die Person, die mit der suizidalen Absichtserklärung konfrontiert ist, zuerst einmal ruhig bleiben und dem Gegenüber zuhören. Das Gehörte sollte niemals (!) mit dem Versprechen versehen werden, dass das nun als ein “Geheimnis” zu halten ist, aber es sollte auch nicht leichtfertig "Ausgeplaudert" werden (nicht mehr als drei Andere mit ins Vertrauen ziehen: Betriebsarzt, Betriebsrat). Die Sorgen des Betroffenen sind ernst zu nehmen.

In verschiedenen Ratgebern heißt es, dass man sich nicht die Verantwortung geben lassen darf, sondern vielmehr die Suizid-Androhung als Druckmittel verstehen sollte. Eine andere Entgegnung wäre es, wenn man die Angst, die damit geschürt wird, offen anspricht und eine Fairness einfordert. Sofern die Bereitschaft da ist, könnte die suizidgefährdete Person zu einem nächstgelegenen Krankenhaus oder einem psychiatrischen Notdienst begleitet werden.

Dass ein Arbeitgeber haften soll bei Selbstmord, musste das BAG vor einigen Jahren schon mal klären (z.B. Urteil vom 24.4.2008, Az.: 8 AZR 347/07). Die Rechtsentwicklung geht aber weiter; gerade vor dem Hintergrund des “Mobbings” sind derartige Gefahren durchaus typisch. Zu bedenken ist jedenfalls, dass ein Arbeitgeber das Interesse des Arbeitnehmers schützen muss. In einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung hat ein Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, welche Schritte von seiner Seite her unternommen wurden.  Mobbingprävention gehört nun mal zu den Pflichten eines jeden Arbeitgebers. Natürlich ist die Gesamtschau aller Verhaltensweisen entscheidend, da einzelne Pflichtverletzungen nicht regelmäßig “zum Selbstmord” führen. Wichtig und richtig ist es, die Führungskultur weg vom “delegieren” und hin zum “kümmern” zu gestalten.

 

Gesetzliche Grundlagen im Stadtstaat Hamburg

Sozialpsychiatrische Dienste sollen verlässliche Hilfe vor Ort bieten und damit in der Sozialraumarbeit eine elementare Stütze darstellen. Als Anlaufstelle für Menschen mit oder auch nur dem Verdacht auf eine psychiatrische Erkrankung, für Angehörige dieser Menschen und Personen aus dem Freundeskreis oder der Arbeit können diese Dienste aufgesucht oder auch nur so kontaktiert werden, um Beratung und Hilfen einzuholen. Bevor es zu einer schwierigen Situation kommt, sollte dort einmal der Versuch eines Gesprächs einfach mal ausprobiert werden.

Die Grundlagen für diese Arbeit finden sich in den Landesgesetzen; in Hamburg wäre es hierzu das Hamburgische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG). Mit diesem Gesetz sollen zuerst einmal die Beanspruchung von Hilfen und die Möglichkeit zur Untersuchung bei gefährdendem Verhalten bestimmt werden. Ein dritter Aspekt regelt die Unterbringung bei selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten. Die Hilfen sind von der dafür zuständigen Behörde nicht nur jederzeit und wohnortnah bereit zu stellen, sobald der Behörde bekannt wird, dass es eine Hilfebedürftigkeit gibt, sollen Mitarbeitende der Behörde die Personen „aufsuchen“ (§ 2).

Neben diesem aktiven Zugehen auf die Menschen, selbst wenn es nur einen Verdacht einer Erkrankung gibt, ist ein anderes besonderes Merkmal des Gesetzes:

Die vorsorgende Hilfe soll insbesondere dazu beitragen, dass Personen, die an einer psychischen Krankheit oder deren Folgen leiden oder davon bedroht sind oder bei denen Anzeichen für eine psychische Krankheit bestehen, (1.) rechtzeitig, umfassend und ihren Problemen angemessen betreut und behandelt werden, (2.) so lange wie möglich in ihrem jeweiligen Lebenskreis bleiben oder zumindest ein weitgehend selbständiges Leben außerhalb von psychiatrischen Einrichtungen führen können.“ (§ 6).

Gerade im sozialen Umfeld sollten Führungskräfte und Kollegen mit diesem Gesetz schon mal in Berührung gekommen sein. In manchen Situationen können Stress und Anspannung zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen; dann wäre die Einschaltung eines sozialpsychiatrischen Dienstes eine absolute Notwendigkeit. Doch nicht nur die Mitarbeitenden könnten betroffen sein, auch Klienten gehen durch Krisen und benötigen sofortige Hilfe.

Man darf bei dem Ganzen allerdings eins nicht vergessen: Die grundgesetzlichen Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes) sowie auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) werden mit der Anwendung eingeschränkt (§ 36, Schlussbestimmungen). Unterlassene Hilfeleistung beim anderen wäre wiederum ein echtes Unterlassungsdelikt (vgl. § 323c StGB).

CGS

 

 

 

Quellen:

Netzwerk Sozialpsychiatrische Dienste bei der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V.

 

Beitrag auf Betanet zum Suchbegriff: Sozialpsychiatrischer Dienst

(letzter Aufruf vom 4.10.2024)

 

Bild zum Beitrag eigenes Foto.

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