Gibt es in Deutschland eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, einen Sozialpsychiatrischen Dienst zu benachrichtigen, wenn ein Arbeitnehmer von Suizid spricht?
Diese Frage tauchte plötzlich auf und verschwand wieder von der „Bildfläche“. Glücklicherweise war nichts passiert, aber zu denken gab es in dieser Sache genug. Also: Was hat ein Arbeitgeber zu tun? Und worauf gründet sich ein Sozialpsychiatrische Dienst überhaupt?
Fürsorgepflicht bedeutet, sich zu kümmern
Es gibt die altbekannte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
gegenüber seinen Arbeitnehmern. Bei der Fürsorgepflicht handelt es sich um eine
Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag, die den Arbeitgeber dazu verpflichtet, für
den Schutz von Leben, Gesundheit, Sittlichkeit und materielle Interessen der
Arbeitnehmer zu sorgen (§§ 617 bis 619 BGB; im Umkehrschluss obliegt dem
Arbeitnehmer die Treuepflicht).
Wenn ein Arbeitnehmer von Suizid spricht, sollte der
Arbeitgeber helfen, professionelle Hilfe zu suchen. Der Arbeitgeber kann auch
eine betriebliche Sozialberatung anbieten, um dem Arbeitnehmer zu helfen, seine
Probleme zu lösen. Letztendlich handelt es sich aber nur um Angebote, die vom
Mitarbeitenden nicht angenommen werden müssen. In einem solchen Fall sollte
jedoch die Person, die mit der suizidalen Absichtserklärung konfrontiert ist,
zuerst einmal ruhig bleiben und dem Gegenüber zuhören. Das Gehörte sollte
niemals (!) mit dem Versprechen versehen werden, dass das nun als ein “Geheimnis”
zu halten ist, aber es sollte auch nicht leichtfertig "Ausgeplaudert"
werden (nicht mehr als drei Andere mit ins Vertrauen ziehen: Betriebsarzt,
Betriebsrat). Die Sorgen des Betroffenen sind ernst zu nehmen.
In verschiedenen Ratgebern heißt es, dass man sich nicht die
Verantwortung geben lassen darf, sondern vielmehr die Suizid-Androhung als
Druckmittel verstehen sollte. Eine andere Entgegnung wäre es, wenn man die
Angst, die damit geschürt wird, offen anspricht und eine Fairness einfordert.
Sofern die Bereitschaft da ist, könnte die suizidgefährdete Person zu einem nächstgelegenen
Krankenhaus oder einem psychiatrischen Notdienst begleitet werden.
Dass ein Arbeitgeber haften soll bei Selbstmord, musste das
BAG vor einigen Jahren schon mal klären (z.B. Urteil vom 24.4.2008, Az.: 8 AZR 347/07).
Die Rechtsentwicklung geht aber weiter; gerade vor dem Hintergrund des “Mobbings”
sind derartige Gefahren durchaus typisch. Zu bedenken ist jedenfalls, dass ein
Arbeitgeber das Interesse des Arbeitnehmers schützen muss. In einer späteren
gerichtlichen Auseinandersetzung hat ein Arbeitgeber darzulegen und zu
beweisen, welche Schritte von seiner Seite her unternommen wurden. Mobbingprävention gehört nun mal zu den
Pflichten eines jeden Arbeitgebers. Natürlich ist die Gesamtschau aller
Verhaltensweisen entscheidend, da einzelne Pflichtverletzungen nicht regelmäßig
“zum Selbstmord” führen. Wichtig und richtig ist es, die Führungskultur weg vom
“delegieren” und hin zum “kümmern” zu gestalten.
Gesetzliche Grundlagen im Stadtstaat Hamburg
Sozialpsychiatrische Dienste sollen verlässliche Hilfe vor Ort
bieten und damit in der Sozialraumarbeit eine elementare Stütze darstellen. Als
Anlaufstelle für Menschen mit oder auch nur dem Verdacht auf eine psychiatrische
Erkrankung, für Angehörige dieser Menschen und Personen aus dem Freundeskreis
oder der Arbeit können diese Dienste aufgesucht oder auch nur so kontaktiert
werden, um Beratung und Hilfen einzuholen. Bevor es zu einer schwierigen
Situation kommt, sollte dort einmal der Versuch eines Gesprächs einfach mal
ausprobiert werden.
Die Grundlagen für diese Arbeit finden sich in den
Landesgesetzen; in Hamburg wäre es hierzu das Hamburgische Gesetz über Hilfen
und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG). Mit diesem Gesetz
sollen zuerst einmal die Beanspruchung von Hilfen und die Möglichkeit zur
Untersuchung bei gefährdendem Verhalten bestimmt werden. Ein dritter Aspekt
regelt die Unterbringung bei selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten. Die
Hilfen sind von der dafür zuständigen Behörde nicht nur jederzeit und
wohnortnah bereit zu stellen, sobald der Behörde bekannt wird, dass es eine
Hilfebedürftigkeit gibt, sollen Mitarbeitende der Behörde die Personen „aufsuchen“
(§ 2).
Neben diesem aktiven Zugehen auf die Menschen, selbst wenn
es nur einen Verdacht einer Erkrankung gibt, ist ein anderes besonderes Merkmal
des Gesetzes:
„Die vorsorgende Hilfe
soll insbesondere dazu beitragen, dass Personen, die an einer psychischen
Krankheit oder deren Folgen leiden oder davon bedroht sind oder bei denen
Anzeichen für eine psychische Krankheit bestehen, (1.) rechtzeitig, umfassend
und ihren Problemen angemessen betreut und behandelt werden, (2.) so lange wie
möglich in ihrem jeweiligen Lebenskreis bleiben oder zumindest ein weitgehend
selbständiges Leben außerhalb von psychiatrischen Einrichtungen führen können.“
(§ 6).
Gerade im sozialen Umfeld sollten Führungskräfte und
Kollegen mit diesem Gesetz schon mal in Berührung gekommen sein. In manchen
Situationen können Stress und Anspannung zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung
führen; dann wäre die Einschaltung eines sozialpsychiatrischen Dienstes eine
absolute Notwendigkeit. Doch nicht nur die Mitarbeitenden könnten betroffen
sein, auch Klienten gehen durch Krisen und benötigen sofortige Hilfe.
Man darf bei dem Ganzen allerdings eins nicht vergessen: Die
grundgesetzlichen Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Artikel 2
Absatz 2 des Grundgesetzes) sowie auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und der Wohnung (Artikel
13 des Grundgesetzes) werden mit der Anwendung eingeschränkt (§ 36, Schlussbestimmungen).
Unterlassene Hilfeleistung beim anderen wäre wiederum ein echtes
Unterlassungsdelikt (vgl. § 323c StGB).
CGS
Quellen:
Beitrag auf Betanet zum Suchbegriff: Sozialpsychiatrischer Dienst
(letzter Aufruf vom 4.10.2024)
Bild zum Beitrag eigenes Foto.
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
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Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in einer
besonderen Situation