Vergütungsverhandlungen
werden zu dem Zweck geführt, Vergütungen neu festzusetzen. Theoretisch können
auch Sozialhilfeträger (Leistungsträger) zu Verhandlungen auffordern, wenn die
Auffassung besteht, dass der Leistungserbringer derzeit sehr gut mit den
Mitteln aus der Sozialhilfe auskommt – doch sowas ist nicht die Regel (die
Anwendung des § 78 SGB XII ist damit nicht gemeint!). Meistens sind es die
Leistungserbringer, die zu Verhandlungen auffordern, weil die Gespräche zu
einer pauschalen Fortschreibung zwischen Verbänden und überörtlichem
Sozialhilfeträger unbefriedigend verlaufen oder weil man einfach
Einzelverhandlungen führen muss. Zu Vergütungsverhandlungen kann nur aufgerufen
werden, wenn eine gültige oder geeinte Leistungsvereinbarung vorliegt (vgl. §
76 Abs. 2 S. 3 SGB XII).
Wie geht es los?
Vorausgesetzt, dass die Unterlagen vollständig
eingereicht worden sind und ein Termin gefunden wurde, trifft man sich in den
Räumen des Sozialhilfeträgers. Die Begrüßung kann dabei so klingen, dass „heute mal alles auf den Prüfstand gestellt werden sollte“. Eine derartige Eröffnungsrede ist neutral und sagt nichts über das Angebot aus.
Andere Begrüßungen können dagegen schon mal so lauten:
„Ihr Angebot liegt weit über dem ortsüblichen
Durchschnitt.“
„Es befindet sich im obersten Drittel bei den teuersten
Einrichtungen.“
„Mit der Vergütung wären Sie oberhalb aller anderen
Einrichtungen – Sie wären mit Abstand die teuersten.“
Oder es wird auf die derzeitige, angespannte
Haushaltslage, die bald kommende / anstehende Umstellung auf ein neues
Kalkulationssystem und / oder den aktuellen Verhandlungsstand mit den Verbänden
verwiesen. Der Sozialhilfeträger will also deutlich machen, dass es eigentlich
nichts zu verhandeln gibt.
Warum also dennoch verhandeln?
Auf eine solche Frage kann man nicht antworten, weil man
allgemein eine höhere Vergütung erzielen will. Die Begründung muss schon
nachvollziehbar sein und darf sich auf eine höhere Inflationsrate (die sich auf
die Sachkosten auswirkt), gestiegene Sozialversicherungsbeiträge und
Tarifabschlüsse (die sich auf die Personalkosten auswirken) beziehen. Wenn aber
die verlangte Erhöhung bei 5 % liegt, die Begründung aber nur 2 % hergibt,
macht man sich sofort unglaubwürdig. Verhandlungen können nur geführt werden,
wenn die andere Seite annimmt, dass die eigene Position legitim ist. Besser ist
es also, wenn man die Notwendigkeit herausstellt, wie z.B. ein um 3 % höheres
Risiko für Unterbelegungen aufgrund von Baumaßnahmen oder eine ungünstige
Altersstruktur in der Bewohnerschaft.
Man muss verhandeln, wenn sich die Risiken abzeichnen und
erfassen lassen. Nur die vage Vermutung alleine, dass die nächsten
Tarifverhandlungen eine Erhöhung von 5 % bei den Personalkosten verursachen
wird, reicht nicht. Besser ist es, wenn auf der Grundlage der
gewerkschaftlichen Forderungen zu Verhandlungen aufgefordert wird. Ein
Zuwarten, also erst ein halbes Jahr später in Verhandlungen zu gehen, schwächt
dagegen die eigene Verhandlungsposition immens. Auch auf den Schlichterspruch
in der Tarifrunde zu warten, ist zeitlich problematisch, denn die Terminfindung
für die Gespräche mit dem Sozialhilfeträger können gut und gerne Wochen dauern;
in dieser Zeit haben Gewerkschaften und Arbeitgeber den Schlichterspruch längst
angenommen.
Die Ausgangsposition muss vom Verhandlungspartner
lediglich als „legitim“ wahrgenommen werden – wenigstens ein bisschen. Wenn man
einem „Unverschämt!“ dagegen begegnet, muss man viel Arbeit darauf verwenden,
die Bereitschaft zum Verhandeln herzustellen. Zweistellige Steigerungsraten
sind immer problematisch, auch wenn sie gut begründbar sind; beispielsweise
wurde jahrelang lediglich die pauschale Steigerungsrate angenommen, die aber
nicht die tatsächlichen Kostensteigerungen deckte. Sozialhilfeträger können
sich hier auf das Gesetz beziehen und (überlegen) darauf verweisen, dass das
Selbstkostenprinzip nicht mehr besteht und nachträgliche Ausgleiche unzulässig
sind (vgl. § 77 Abs. 1 SGB XII).
Sind Verhandlungen nicht teuer?
Natürlich binden Verhandlungen auf beiden Seiten wichtige
Ressourcen. In der Regel sitzen seitens der Behörde zwei bis drei Mitarbeiter
am Tisch, von denen wenigstens einer die Unterlagen bestens kennt. Auf der
Seite des Anbieters sitzen Mitglieder der Geschäftsführung und Fachleute, nicht
selten auch Vertreter des jeweiligen Verbands und manchmal auch Rechtsanwälte.
Das ist aber nur die sichtbare Ebene, im Hintergrund sind Vorgesetzte und
(Behörden-) Juristen ebenso involviert wie Mitarbeiter des Rechnungswesens und
Controllings. Die Vorbereitung der Unterlagen sowie die Sichtung und Analyse
ist äußerst zeitaufwändig, so dass entweder die Tagesroutine zu kurz kommt oder
die Beteiligung in Arbeitsgruppen behindert wird.
Verhandlungen bieten Einsichtnahme und detaillierte
Analyse von Kostenstrukturen. Für den Sozialhilfeträger ergibt sich ein
Informationsgewinn. Mit einem verbesserten Wissen um die Arbeit von
Leistungserbringern, kann auch ein adäquater Vergleich zu anderen vorgenommen
werden. Für den Leistungserbringer ergibt sich ebenfalls ein
Informationsgewinn, weil er auf seine „Schwachstellen“ hingewiesen wird.
Natürlich sind „Best Practice“-Vergleiche nicht immer übertragbar. Aber die
Kenntnis darüber, dass es günstigere Alternativen gibt, bedeutet eine
potentielle Kostenersparnis.
Von daher sind Verhandlungen als nützliche Gespräche zu
verstehen, von denen beide Seiten profitieren können. Wem es gelingt, in
Vergütungsverhandlungen dies herauszustellen, hat einen positiven
Zufriedenheitstreiber entdeckt, mit dem das Verfahren weiter betrieben werden
kann.
In Verhandlungen kommt es doch nur auf das Ergebnis an,
oder?
Das Ergebnis ist die Differenz zwischen der bisherigen
Vergütung und der neuen Vergütung, könnte man denken. Doch es gibt auch ein
zweites Ergebnis, nämlich die Differenz zwischen der „legitimierten“
Ausgangsposition / Ausgangsforderung und dem erzielten Abschluss. Und, wie
zuvor schon gesagt, Zufriedenheit über den Gesprächsverlauf selber.
Es kommt also auf die Perspektive an, die man einnehmen
will. Ein Sozialhilfeträger wird sich ganz bestimmt nicht rechtfertigen wollen,
dass er einer Steigerung um 5 % zugestimmt hat. Stattdessen wird später betont,
dass man die zweistellige Ausgangsforderung des „unverschämten“
Leistungserbringers mehr als halbieren und ein zeit- und ressourcenaufwändiges
Schiedsstellenverfahren abwenden konnte. Umgekehrt wird sich der
Leistungserbringer darüber freuen können, dass ihm eine Steigerung von 5 %
gelungen ist trotz schwierigster Ausgangslage.
Es ist eine Sache der Interpretation, oder auch anders
gesagt: Man kann sich ein Ergebnis schönreden. Ein Ergebnis erzielt man aber
nur, wenn man Verhandlungen führen kann. Darum ist nicht nur der Einstieg so
wichtig, sondern auch ein zufriedener Verhandlungsverlauf.
CGS
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