Mittwoch, 8. Juni 2016

Weiterführende Gedanken zum zeitbasierten Kalkulationsverfahren in Hamburg (Stationäres Wohnen, Eingliederungshilfe)

Das zeitbasierte Kalkulationsverfahren ist in Hamburg seit dem 1.7.2015 in der Anwendung. Wesentlicher Kern ist die Kalkulation von trägerspezifischen Kosten und einer Gemeinkostenpauschale (inkl. einheitlichen Bedarfssätzen) auf der Grundlage von Betreuungsstunden, die dann wieder umgerechnet werden in Tagessätze oder Monatspauschalen. Der Investitionsbetrag ist (mit einer Ausnahme) nicht Bestandteil dieses besonderen Kalkulationsverfahrens, aber natürlich Bestandteil der Gesamtvergütung (vgl. § 76 Abs. 2 SGB XII).

Zu den trägerspezifischen Kosten zählen die Personalkosten der Betreuungsleistung (d.h. sozialpädagogische Assistenz- und Fachkräfte, aber nicht Verwaltung). Unter Betreuungsleistung werden „Grundleistungen“ und „Leistungen mit Zielvereinbarung“ verstanden. Die Betreuungsleistung wird ausgedrückt in eine Anzahl bewilligter Stunden pro Woche (doch diese Möglichkeit wird bislang verklausuliert umgesetzt).

Grundleistungen beinhalten Leistungen, die für jeden Bewohner einer stationären Wohneinrichtung vorzuhalten sind und welche sich auf das gemeinsame Zusammenleben, Lebensführung (d.h. Mahlzeiten, Wäschepflege und Ordnung), Basisversorgung (d.h. Lebensmittel, Körperpflege und Hygiene, An- und Ausziehen), Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung sowie sonstige tagesstrukturierende Maßnahmen im Bedarfsfall beziehen. Darüber hinaus gehören auch Unterstützungsleistungen in Behörden- und Geldangelegenheiten für die Bewohner, aber auch die Sicherung und Aufrechterhaltung des Heimbetriebs, Dokumentation, Nacht- und Rufbereitschaft sowie Nacht- und Rufdienste dazu.

Leistungen mit Zielvereinbarungen leiten sich ab aus den Zielen, die in der Gesamtplankonferenz einmal festgelegt worden sind. Das Steuerungsinstrument für diese Leistungen ist der Sozial- und Verlaufsbericht, der über den Erfolg der Maßnahme berichtet.

Die Personalkosten selbst setzen sich zusammen aus dem Grundgehalt, gesetzlichen und tariflichen Zusatzentgelten (z.B. Vermögenswirksame Leistungen, Betriebsrente) sowie den Sozialversicherungsbeiträgen des Arbeitgebers.

Die Personalkosten können unterschiedlich hoch ausfallen je nach eingesetztem Mitarbeiter und fachlicher Qualifikation sowie dem jeweiligen Stelleneinsatz. Aus der Summe der Personalkosten und der Summe der Stellen wurde vor Einführung des zeitbasierten Kalkulationsverfahrens Durchschnitts-Personalkosten pro Stelle gebildet.

Zur Gemeinkostenpauschale gehört alles andere an Sach- und Personalkosten.

Vor der Einführung hatte man in einer großangelegten Datenabfrage sämtliche Kosten bei den beteiligten Leistungserbringern erfasst. Das Ergebnis stellte das Gesamtbudget dar, welches budgetneutral zu verteilen war – mit anderen Worten, am Ende des Verfahrens durfte das neue Budget nur marginal höher ausfallen, als das frühere Gesamtbudget.

Zu berücksichtigen war darüber hinaus, dass einerseits die Anzahl Stellen im gesamten System erhalten bleiben und andererseits die tariflich bedingten Personalkosten übernommen werden. Dadurch ergaben sich ein Budget Personalkosten über alle Leistungserbringer und ein großer Rest für die Verteilung.

Im nächsten Schritt wurden die einheitlichen Bedarfssätze, dazu gehören der Regelbedarfssatz 3 (RBS 3), Betriebskosten Warm (BK warm) und ein Betrag aus der Inventarinstandhaltung (übernommen aus dem IB) herausgerechnet. Diese drei Komponenten bilden nunmehr die Grundpauschale ab.

Übrig blieb dann ein Restbetrag, der für die Refinanzierung des Verwaltungsanteils, d.h. inkl. Personal- und Sachkosten der Verwaltung und des Betriebs der Einrichtung, zur Verfügung stehen sollte. Dieser Restbetrag geht, zusammen mit den Personalkosten der Betreuungsleistung, ein in die Maßnahmepauschale.

Aus Sicht der Behörde bietet dieses neue System einen hohen Steuerungskomfort bei gleichzeitiger Gewährleistung einer ausreichenden Stellenfinanzierung. Für die Leistungserbringer wird es dagegen unangenehmer, weil einige trägerspezifische Besonderheiten im geringer ausfallenden Restbetrag der Gemeinkostenpauschale abgedeckt werden müssen. Durch die Vereinheitlichung haben es besonders diejenigen schwer, die in der Vergangenheit bei der Zuordnung von Kostenbestandteilen zu Gunsten einer hohen Grundpauschale kalkuliert haben.

Bei der Einführung des neuen Kalkulationsverfahrens blieben darüber hinaus viele Fragen ungeklärt. Im Zuge der Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst des TVÖD / TV-AVH sowie der „üblichen“ Tarifrunden u.a. auch im TV-L stellt sich nunmehr die Frage, wie Tarifsteigerungen im neuen System übernommen werden sollen. Die Gemeinkostenpauschale scheint sich dagegen als recht harmlos herauszustellen, wenn es nicht die Verteilung auf Stundensätze geben würde. Eine weitere unbeantwortete Frage ist, welche Fachkraftquote anzusetzen ist; meiner Ansicht nach hat es bei der Einführung eine „Zementierung“ auf 65 % gegeben, aber ausdrücklich vereinbart wurde diese Quote nicht.

Dies zu klären wird bestimmend sein für die weiteren Verhandlungen.

CGS


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