Sonntag, 12. Juni 2016

Weiterführende Gedanken zum zeitbasierten Kalkulationsverfahren in Hamburg (Stationäres Wohnen, Eingliederungshilfe) – Teil 2

Welche Probleme das neue zeitbasierte Kalkulationsverfahren mit sich bringt, muss in den verschiedenen Gremien auf Ebene der Verbände und der Hamburger Sozialbehörde geklärt werden. In meinem letzten Beitrag hatte ich die Bestandteile kurz skizziert, nun geht es weiter im Thema.

Zur Erinnerung:

Die Gemeinkostenpauschale beinhaltet alle diejenigen Sach- und Personalkosten, die nicht zu den Personalkosten der Betreuungsleistung zählen. Da sich in ihr einheitliche Bedarfssätze sowie ein Anteil für den Betrieb der Einrichtung wiederfinden, enthält sie die Grundpauschale (GP) wie auch einen Anteil der Maßnahmepauschale (MP).

Der zweite, größere Teil der Maßnahmepauschale deckt sich aus den Personal- und Personalnebenkosten für die Betreuungsleistung. Die Betreuungsleistung beinhaltet alle Stellen und die dazugehörige Nettojahresarbeitszeit (NJAZ) eines Trägers oder des Verbandes.

Bisher ungelöste Probleme:

1.
Ein Teil der Gemeinkostenpauschale besteht aus einheitlichen Bedarfssätzen, die abhängig sein sollen von regulatorischen Anpassungen; gemeint ist dabei, dass z.B. Änderungen im RBS 3 sich direkt auf die Grundpauschale auswirken sollen. Tatsächlich aber wird nicht über die Höhe dieser einheitlichen Bedarfssätze zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer verhandelt, sondern es kann nur über die Grundpauschale im Rahmen von Vergütungsverhandlungen im Sinne des § 77 Abs. 1 SGB XII verhandelt werden.

Weil ein anderer Teil der Gemeinkostenpauschale Bestandteil der Maßnahmepauschale ist, können sich wechselseitig Probleme ergeben, wenn GP und MP mit unterschiedlichen Steigerungsraten angepasst werden sollen. Das Problem kann legal nicht gelöst werden, weil in § 76 Abs. 2 SGB XII eine Gemeinkostenpauschale nicht benannt ist.

2.
Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die Gemeinkostenpauschale in Wirklichkeit nicht pro Platz bezahlt wird, sondern mittels der vereinbarten Nettojahresarbeitszeit (NJAZ) zu einem Stundensatz umgerechnet wird. Dieser Stundensatz kommt dann auf der Basis der Belegungsstruktur zur Auszahlung, so dass sich im Grunde genommen wieder die Platzpauschale ergeben soll. Ändert sich aber die Belegungsstruktur, kommt es unweigerlich zu Abweichungen.

Um das Problem so gering wie möglich zu halten, müsste die Belegungsstruktur jährlich abgefragt werden, so dass immer ein neuer Stundensatz ermittelt werden kann. Geht man davon aus, dass zukünftig in stationären Einrichtungen immer mehr Menschen leben, die einen hohen Unterstützungsbedarf aufweisen, liegt es im Interesse des Einrichtungsträgers (Leistungserbringers) zügig eine Anpassung zu vereinbaren.

Man könnte auch daran gehen und die Gemeinkostenpauschale (nach Abzug der einheitlichen Bedarfssätze) als einen festen Sockelbetrag der Maßnahmepauschale monatlich zu zahlen.

3.
Daneben scheint die NJAZ offenbar ein Problem darzustellen: es wird derzeit (mal wieder) ein Lösungsversuch unternommen. Fakt ist, dass die NJAZ gebraucht wird, um einen Stundensatz aus der Summe der Kosten abzuleiten. Weil aber die Leistungserbringer unterschiedliche Wochenarbeitsstunden haben, d.h. die Spanne reicht von 38 bis 40 Stunden pro Woche Arbeitszeit, wird es eine einfache Lösung nicht geben können. Praktiziert wird derzeit eine trägerindividuelle Lösung, d.h. die Gemeinkostenpauschale wird mit der Anzahl vereinbarter Plätze hochgerechnet, und dann durch die Summe der geleisteten Jahresstunden (bezogen auf den Stelleneinsatz des einzelnen Trägers natürlich) auf einen Stundensatz gerechnet.

4.
Es bestehen zzt. vier Tarifkategorien. Die Zugehörigkeit zu einer Tarifkategorie bestimmt, mit welchen Personalkosten kalkuliert wird. Es handelt sich dabei um Durchschnittswerte, die seinerzeit aus der Datenabfrage bei den einzelnen Trägern ermittelt wurden – sozusagen Durchschnitte der Durchschnitte.

Bei den sogenannten „Analog-Anwender“, d.h. diejenigen, die keinem Tarif / Arbeitgeberverband angehören, aber sich nach einem Tarif richten, wurde dagegen eine hohe Bandbreite an festgestellten Durchschnitts-Personalkosten bei den einzelnen Trägern festgestellt. Weil ein Durchschnitt zu erheblichen Abweichungen und Belastungen führen kann, wurde vereinbart, dass Träger in dieser Kategorie ihren individuellen Wert vereinbart bekommen – also keinen Durchschnitt der Durchschnitte.

Was wird aber nun passieren, wenn ein Träger in einen neuen Tarif wechselt? Auch hat die Hamburger Sozialbehörde schon mal verlauten lassen, dass man sich eine Tarifbindung der „Analog-Anwender“ vorstellen könnte. Doch gerade weil es den Grundsatz der Vertragsfreiheit gibt, wird es m.E. immer Leistungserbringer geben, die keinem Tarif angehören werden.

Wie geht man mit unterschiedlichen Zeitpunkten um, in denen sich tarifliche Änderungen ergeben?
Man kann weiterhin zu Jahresbeginn eine pauschale Anpassungsrate vereinbaren. Doch wenn ein Tarifabschluss, wie jetzt im Bereich TVÖD / TV-AVH, erst nach Vereinbarung der pauschalen Anpassungsrate zum Abschluss kommt, müsste es eine Rückrechnung geben oder einen Zuschlag-Abschlag im Folgejahr – dies widerspricht aber dem Grundsatz der Prospektivität.

Vorläufiges Fazit:

Die Fragen sind jetzt erst einmal gestellt worden und offenbar haben beide Parteien ein hohes Interesse an einer dauerhaften und guten Lösung. Vorläufig bleibt alles beim Alten, zumal jetzt noch einige Träger den Umsetzungsprozess aus der Übernahme des zeitbasierten Kalkulationsverfahrens vor sich haben.

CGS


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