Mittwoch, 29. November 2023

Wohnprojekt. Kerngruppe-Zusammenschluss.

In meinem ersten Beitrag zu der Sache mit dem Wohnprojekt „ein Leben nach dem Elternhaus“ ging es noch um die ersten Schritte beziehungsweise die Gehversuche. Bei einem kleinen Wohnprojekt im schönsten Bundesland der Welt Schleswig-Holstein durfte ich nunmehr Mit-Macher sein und die Kerngruppe bei der Umsetzung aktiv mit-begleiten.

Die Kerngruppe aus engagierten Eltern hatte sich, wie angedeutet, bereits gefunden. Und damit wäre die Findungsphase eigentlich abgeschlossen – aber nur „eigentlich“, weil es trotzdem noch einiges zu klären gab, bevor es in die zweite Phase, der Schaffensphase (d.h. Finanzierung der Anschaffung eines Wohnhauses), gehen konnte. Welche Punkte anzusprechen waren, sind im Folgenden aufgeführt.

In dieser weiter bestehenden Findungsphase sind zu unterscheiden die drei Arten von Akteuren (Eltern, Kinder und Mitbewohner) sowie die drei Arten von Rollen (Eigentümer, Mieter, Zugehörige). Akteure können die unterschiedlichsten Rollen einnehmen, wichtig ist dann jedoch das Auftreten gegenüber Dritten (als interessierte Zugehörige, als entscheidende Gesellschafter). Interessant sind zu diesem Zeitpunkt die Bestimmungen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und die zu Vereinen. Was allerdings ebenfalls erstellt werden sollte, wäre ein Konzept zu diesem Projekt.

 

Die Kerngruppe hatte sich gebildet

Von einem „zündenden Gedanken“ kann man wohl nicht sprechen, sondern eher von einer „schleichenden Erkenntnis“. Man trifft sich, bespricht die üblichen Probleme und kommt dann auf die Fragen zur Zukunft nach Schule und Berufsbildung – ein Leben nach dem Elternhaus.

Aus dem ersten Zusammenschluss von Eltern mit den gleichen Fragen bleibt häufig ein „harter Kern“, der sich diesen drängenderen Fragen stellen will. Eine aus diesem Kreis, die engagiert nach Antworten sucht, spricht von ihrer Kerngruppe, zu der zwei weitere Elternteile angehören und aktiv sind. Sie alle haben recht gute Vorstellungen und wollen etwas bewerkstelligen. Sie sprechen miteinander auch abseits der üblichen Treffen und sind sich darüber bewusst, dass es nicht einfach werden wird. Ja, es gibt sogar schon erste Erfahrungen mit Hindernissen, die das weitere Dabeisein gefährden können. Dieses Bewusstsein, eine gemeinsame Kerngruppe zu sein, entstand vor etwa vier Monaten. Und jetzt hatte man bereits ein Wohnhaus gefunden, was der Sache Auftrieb bescherte.

Besagtes Wohngebäude entstammt den 1950er Jahren und befindet sich am Rand einer Kleinstadt mit verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten und guter Regional-Nahverkehrsanbindung. Es bietet Platz auf 290 Quadratmetern Wohnfläche für etwa 8 Personen; schnell gerechnet entfallen damit etwa 36 Quadratmeter auf jeden Bewohner. Plan ist, dass vier Menschen mit Behinderung und drei sie betreuende Mitbewohner dort dauerhaft wohnen; ein Zimmer wäre für Übernachtungsgäste. Die drei Mitbewohner wären übrigens alle vom Fach: sie studieren zurzeit etwas im Sozialwesen bzw. hätten bereits einen Abschluss als Heilerziehungspflegende. Damit würde es also nicht nur um das Wohnen gehen, sondern es würde auch die Betreuungsarbeit geregelt werden – eine hervorragende Lösung.

Bei meinem Dazukommen sollte es eigentlich um den nächsten Schritt gehen: die Finanzierung. Doch mir stellte sich zuerst einmal die Frage nach der Organisation.

 

Akteure, Rollen und Auftreten

Natürlich ist Finanzierung ein wichtiger Punkt. Wenn man sich mit potentiellen Geldgebern und anderen allerdings abgeben will, in welcher Eigenschaft (die ersten Aufzählungen) tut man das? Wie tritt man auf (die zwei letzten Aufzählungen)?

Es gibt drei Arten von Akteuren bei dieser Sache mit dem Wohnprojekt:

·        Eltern und sonstige Zugehörige

·        Kinder mit einem Unterstützungsbedarf

·        Mitbewohner mit der fachlichen Eignung

Und es gibt drei Arten von Rollen:

·        Eigentümer / Vermieter des Wohngebäudes

·        Mieter des Wohngebäudes

·        Zugehörige, die sich nicht oder nur eingeschränkt verbindlich festlegen

Alle Akteure können die eine oder andere Rolle ausleben. Im Wohnprojekt, bei dem ich „mit-machen“ konnte, sahen sich die Engagierten aus der Kerngruppe als diejenigen, die das Wohngebäude beschaffen würden. Damit konnte dieses Auftreten angenommen werden:

·        Die Eltern (Zugehörige), die sich interessiert zeigen, aber nicht oder nur eingeschränkt verbindlich am Wohnprojekt teilhaben, werden je nach Möglichkeit als weitere Gesellschafter aufgenommen. Eine Entscheidungsgewalt wird ihnen nur nach Absprache mit denen aus der Kerngruppe zugebilligt.

·        Die Eltern, die die Kerngruppe ausmachen, werden anfangs noch als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR; dazu später mehr) auftreten und geschäftliche Anbahnungen unternehmen. Ihre Entscheidungsgewalt ist untereinander zwar abgesprochen, wünschenswert wäre allerdings ein Schriftstück (GbR-Vereinbarung; ein Konzept wäre ein anderes, ebenfalls notwendiges Schriftstück). Sie sind jedenfalls diejenigen, die die Verantwortung tragen müssen und bei einem Misslingen haften.

Bevor es überhaupt weitergehen kann zu den anderen Themen, sollte man sich bewusst machen, wie potentielle Geldgeber und beispielsweise kommunale Verantwortliche (als Leistungsträger) einen so ansehen. Man will ja schließlich ernst genommen werden. Dazu braucht es Verbindlichkeit, Entscheidungsgewalt und Vertretungsbefugnis. Folgende Situationen:

·        Die Kerngruppe, im Auftreten zurzeit als eine GbR-Gesellschaft, würde sich beim Verkäufer des Gebäudes melden und ein Kaufangebot unterbreiten. Würden dann nur diese Eltern anschließend im Grundbuch stehen?

·        Die Kerngruppe möchte bei der Bank ein Gespräch führen. Kommen alle gemeinsam zu diesem Termin oder wird jemand abgeordnet und die Verhandlungen führen?

·        Die Kerngruppe sieht einen Instandsetzungsbedarf am Haus, aber ist sich nicht einig über das erforderliche Ausmaß. Was passiert, wenn eine beteiligte Partei die Mehrkosten nicht übernehmen will?

Wie soll das gelöst werden?

 

Zusammenschluss als GbR oder Verein?

Wenn die Gruppe der Eltern vorrangig einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, wie zum Beispiel die Anschaffung eines Wohngebäudes, kann sie es als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) tun. Regelungen zur GbR finden sich in den §§ 705 bis 740 BGB. Die Gründung einer GbR kann informell durch mündliche Absprachen oder schriftliche Vereinbarungen erfolgen. Zu empfehlen wäre aber, dass die Gründung schriftlich festgehalten wird. Die schriftliche GbR-Vereinbarung sollte die Namen der Beteiligten (Gesellschafter) enthalten, den Zweck, die Anteile (d.h. Eigentumsrechte, Verteilung von Gewinnen und Verlusten) sowie die Vertretungsmöglichkeiten (Geschäftsführung; vgl. §§ 709 und 710 BGB). Weil neben der Sache mit der Haftung zudem das mit dem Ausscheiden aus einer GbR gut bedacht sein sollte, empfiehlt sich anwaltlicher Rat. Das BGB setzt zwar gewisse Rahmenbedingungen und innerhalb der Grenzen können die GbR-Gesellschafter individuelle Regelungen treffen, zwingende Vorschriften können jedoch nicht umgangen werden.

Ein Verein wiederum wäre ein Zusammenschluss von Personen, die ebenfalls einen gemeinsamen Zweck verfolgen. In den §§ 21 ff. BGB sind zahlreiche Bestimmungen dazu aufgeführt. Ein Verein muss nicht zwingend eingetragen werden (z.B. ein Förderkreis). Die wirtschaftliche Tätigkeit wäre also auch in einem Zusammenschluss ohne Eintragung im Vereinsregister möglich. Doch erst mit der Eintragung bzw. mit der Erlangung des Zusatzes „e.V.“ entsteht die Rechtsfähigkeit. Ein eingetragener Verein wird damit zu einer juristischen Person mit eigener Rechtsfähigkeit, die selbstständig handeln, Rechte und Pflichten haben, vor Gericht auftreten und Vermögen besitzen kann.

Ein Verein wird vielleicht vorrangig eher gemeinnützige, kulturelle, sportliche oder soziale Ziele verfolgen, dies schließt aber die wirtschaftliche Betätigung nicht aus. Die Rechtsfähigkeit des eingetragenen Vereins ist von wesentlicher Bedeutung im Vergleich zu einer GbR-Gesellschaft (vgl. §§ 31 f. BGB und § 708 BGB). Ein Verein kann den Status der Gemeinnützigkeit anstreben, was steuerliche Vorteile mit sich bringt. Dies ist für GbR in der Regel nicht möglich.

Überhaupt wird ein eingetragener Verein steuerlich auftreten und eine Ergebnisrechnung aufstellen müssen. Dazu braucht es eine Buchführung und es müssen steuerliche Erklärungen abgegeben werden. Jeglicher Schriftverkehr wäre an die Postadresse zu senden, an der der Verein seinen Sitz hat. Bei der GbR würde das, so lange es kein einheitliches Auftreten gibt, schwieriger sein, aber nicht unmöglich. Jedenfalls benötigen die Gesellschafter eine Grundlage für die Verteilung des Ergebnisses aus Einkünften und Werbungskosten.

Andere Formen des Zusammenschlusses gibt es natürlich auch, für dieses Wohnprojekt und zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Frage.

 

Ein Konzept zum Vorhaben

Hilfreich wäre es, wenn alle Gedanken rund um das Wohnhaus-Projekt von den Eltern in einem Konzept zusammengefasst werden – noch bevor man sich entscheidet über GbR oder Verein. Das Konzept ersetzt nicht die GbR-Vereinbarung oder die Vereinssatzung. Im Konzept könnten folgende Fragen beantwortet werden:

·        Welchem Zweck dient der Zusammenschluss? – es geht also um das Wohnen, Versorgt-Werden und die Betreuung. Die Sicherung des Ganzen ist auf eine lange Zeit ausgelegt.

·        Wie soll der Zweck verwirklicht werden? – es geht um die Gründung einer GbR und/oder eines Vereins.

·        Welche weiteren Beteiligten sind im Umkreis des Wohnprojekts vorhanden? – der Kreis der Akteure erweitert sich.

·        Welche Chancen und Risiken sind mit dem Projekt verbunden? Wo finden sich Schwächen? Wo könnten sich weitere Möglichkeiten eröffnen? – eine klassische SWAT-Analyse.

·        Womit kann man ernsthaft rechnen? – eine klassische Kosten-Nutzen-Kalkulation, häufig gespickt mit vielen Annahmen.

·        Wie sieht der Zeitplan aus? Was sind die nächsten Schritte? – ganz einfach der Versuch, das Konzept verbindlicher zu machen.

Es darf nicht vergessen werden: Jede Willenserklärung, die unter Zeitdruck abgegeben wird, wird später bereut. Geduld und Überlegung, insbesondere wenn es um Entscheidungen geht, sind einfach notwendig. Sorgfalt ist eine Pflicht, die ein ordentlicher Kaufmann zu achten hat (§ 347 HGB). Und selbst als Eltern, die für die Zukunft ihres Kindes etwas gut machen wollen, handeln in dieser Zeit tatsächlich mit einer Ertragserzielungsabsicht und nicht so sehr einem Sicherstellungsauftrag folgend.

Die Sicherstellung kann sich nur dann einstellen, wenn das gesamte Wohnprojekt einen Ertrag erzielt – wenigstens die berühmte „schwarze Null“. Die Anschaffung des Wohnhauses und die Überlassung müssen sich dauerhaft rechnen, damit Rücklagen für schwierige Zeiten gebildet werden können.

CGS

 

 

 

Bild zum Beitrag vom BING Image Creator erzeugt.

 

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