Montag, 6. November 2023

Notizen zu einem erneuten Treffen mit einem Finanzexperten

Alle Jahre wieder, könnte ich sagen, kommt es zu einem Treffen mit Finanzexperten. Vielleicht liegt das irgendwie an der Jahreszeit, dass es überall nach Geld „riecht“. Vielleicht ist es auch nur reiner Zufall.

Auch in einem sozialen Unternehmen geht es ums Geld. Die Mittel, die man bisher angespart hat, sollten natürlich wieder zurück in das Gemeinwohl gehen, aber wenn es keine gute Gelegenheiten dafür gibt, wie zum Beispiel ein neues Wohnhaus für den besonderen Personenkreis, dann muss halt abgewartet werden. Abwarten kostet Zeit, und Zeit ist Geld. Wohin damit? – Sparbuch? Tagesgeld, Festgeld?? – Und da braucht man schon jemanden an der Seite, der sich ein wenig besser damit auskennt.

Die Geldanlage in Aktien wird es in den seltensten Fällen geben, die Anlage in Aktienfonds vermutlich dagegen schon viel öfter. Doch bei diesem Treffen ging es vornehmlich um Anleihen. Die werden nämlich sehr interessant und bieten zugleich eine schöne Aussicht auf Gewinne (irgendwann in der Zukunft?). Trotzdem sollten Anleger vorsichtig sein, so die Warnung. Und das klingt schon wieder nach einem Wechselbad der Gefühle. Worum geht es also?


Endlich wieder eine positive Realverzinsung

Der Krieg in der Ukraine brachte zwar einiges ins Straucheln, aber sehr viel gewichtiger war einfach die Angst vor der Inflation an den Finanzmärkten. Schon wenige Tage nach Kriegsbeginn (24.2.2022) drehten sich die Kurse und die “Bullen” kehrten zurück an den Markt (9.3.2022). Zu der Zeit hoffte man noch auf mögliche Friedensverhandlungen, gleichzeitig schauten die Investoren auf die Notenbanken. Bis heute stiegen in den USA die Leitzinsen der Federal Reserve auf eine Bandbreite von 5,25 bis 5,50 %, in Europa hat die EZB die Leitzinsen angehoben auf 4,50 %.

Viel wichtiger ist aber die Entwicklung der Inflation. In den USA beträgt sie im September 3,7 % gegenüber dem Vorjahresmonat, und in Europa sind es 4,3 % für die Eurozone (und auch für Deutschland); interessant ist dabei, dass die Niederlande bei minus 0,3 % gelandet sind (eigene Recherchen). Das bedeutet für die Geldanlagen, dass man wieder eine positive Realverzinsung erreicht. Von nun an bringt das Geldanlegen Geld.

Doch man sollte weiterhin vorsichtig sein, so ein Finanzexperte. An den Aktienmärkten sind die Risiken nach wie vor nicht ausgestanden, weil es derzeit kein klares Signal für eine Zinswende gibt. Dass die Notenbanken momentan eine Pause einlegen, ist der allgemeinen Vorsicht geschuldet; immerhin droht nach wie vor eine schwere Rezession in der Wirtschaft (tipping point). Die bisherigen Zinsanstiege führten zum Beispiel in der Immobilien-Finanzierung zu einem drastischen Einbruch bei der Nachfrage: was vorher noch mit einem knappen 1 % Sollzins bei Baufinanzierungs-Darlehen gekostet hat, wären jetzt schon mehr als 4 % (80 % Beleihung). Dieser Einbruch schlug sich dazu noch durch auf Bauvorhaben und Immobilien-Gesuche. Wie gesagt sind die Risiken nach wie vor vorhanden, obwohl es zuletzt wieder neue Kursanstiege gegeben hat (Zinsstrukturkurve).

Im Anleihemarkt (Renten) sieht es zwar sehr viel interessanter aus, aber wie investiert man am besten? Aktiv, passiv oder direkt? Inflationsgeschützt oder festverzinslich? Unternehmen, Banken oder Staaten? Die Bandbreite ist jedenfalls enorm und die Risiken wiederum sehr speziell. Im Vergleich zu Aktien weisen Rentenpapiere allerdings ein weiteres Risiko auf, was im vergangenen Jahr zu einer herben Überraschung geführt hat: Zinsänderungen wirken sich aus. Und weil man derzeit nicht sagen kann, wie sich Inflation und Leitzinsen verhalten werden, kann es sowohl in die eine Richtung mit den Kursen gehen, wie auch ins Gegenteil.


Die Empfehlung lautet: Direktanlagen

Der Finanzexperte empfahl den Kauf von Direktanlagen, also ganz bestimmte Anleihen mit festem Zins und definierter Laufzeit. Aktiv gemanagte Rentenfonds brauchen dringend frisches Kapital, um in hoch rentierende Anleihen zu investieren. Das vorhandene Kapital war seinerzeit in niedrig verzinste Rentenpapiere angelegt worden und hat aufgrund der Leitzinsänderungen Kursverluste von 10 bis 20 % eingebracht; dementsprechend sackten die Fonds ab. Defensiv ausgerichtete Rentenfonds leiden sehr an diesen Rahmenbedingungen, weil sie mit ihren Konzepten ganz und gar auf Rentenpapiere ausgerichtet sind und somit jeden Kursverlust aus Leitzinsanhebungen hinnehmen müssen. Selbst Multi-Mischfonds haben dieses Auf und Ab nicht verhindern können. Hinzu kommt, dass alle diese Fonds eine Managementgebühr (TER) verlangen, die vielfach knapp 2 % ausmacht. Wenn die durchschnittliche Rendite im Fonds bei 2 bis 3 % liegt, was kann da noch ausgeschüttet werden?

Sogenannte ETFs sind nur wenig besser. Sie bilden einen Index nach, müssen aber ebenfalls ihre Kosten (i.d.R. ein halbes Prozent) bezahlt bekommen. Der Index wiederum enthält Rentenpapiere, die nach wie vor dem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt sind. Entstehen wieder einmal Zinsängste bei den Investoren, werden sich die Kurse abschwächen. Doch an der Pause, die die Notenbanken eingelegt haben, kann man ganz gut auch den gegenteiligen Verlauf sehen: die Kurse sind ganz leicht gestiegen.

Direktanlagen wären den gleichen Risiken ausgesetzt, wobei ganz im Gegensatz zu Fonds und ETFs die Rendite von vornherein feststeht. Damit entsteht Planbarkeit – sofern man nicht Rentenpapiere von Emittenten mit Ausfallrisiko einkauft.

CGS

 

 

Notizen:

1.

Den Schatzmeister kennt man meistens nur im Zusammenhang mit Vereinen. Es gibt allerdings auch Leute, die das hauptberuflich tun und nur die Finanzen eines Unternehmens verwalten. Ganz am Anfang steht bei denen der Finanzplan, der sich über einen langen Zeitraum strecken wird und die Absichten des Unternehmens genauestens kennt. Mittels Prognosen wird man die weiteren Einflüssen auf das Geld ein wenig besser bewertet bekommen. Ziel des Ganzen wird sein, das nicht benötigte Geld so anzulegen, dass es in der Zeit des Abwartens gute Zinsen bringt.

Mit dem Anlegen können die Bankkaufleute das ganz gut. Mit den Prognosen brauchen sie jedoch das volle Wissen der Controller. Fehlt es an beidem, braucht es externen Rat. Die eigene Hausbank kann schon mal eine „erste Hilfe“ darstellen, doch so richtig interessant wird es, wenn man mit gehobenen Privatbanken zu tun bekommt, Honorar-Vermögensverwaltungen oder einem „Stiftungskontor“. 

2.

Mit tipping point wird ein Punkt bezeichnet, bei dem sich plötzlich schnell und nicht unumkehrbar eine Entwicklung kritisch ausweitet. Solange man sich noch vor diesem Punkt befindet, kann eine Rückführung möglicherweise gelingen. Die Überschreitung des Punkts wird immer erst nach einem Ereignis wahrgenommen. Hat eine Überschreitung stattgefunden, wirkt sich ein gegenteiliger Effekt massenhaft und unkontrollierbar aus.

Für die Zinspolitik heißt das, dass schon bei einer geringen Anhebung der Leitzinsen eine Rezession in der Wirtschaft rasch eintreten kann. Von daher wird in der periodischen Betrachtung bestimmter, volkswirtschaftlicher Kennzahlen das Risiko einer Rezession eingeschätzt, bevor eine erneute Leitzins-Anhebung beschlossen wird.

3.

Die Zinsstrukturkurve für die verschiedenen Laufzeiten bei den Treasury-Papieren hat sich normalisiert. Per 6.11.2023 lagen die Renditen bei 4,577 (5-jährige), 4,643 (10-jährige) und 4,819 % (30-jährige Laufzeiten).

 

Weiteres:

Eigener Beitrag vom 24.1.2016: Stiftungen im Zinstal

 

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