Sonntag, 24. Januar 2016

Stiftungen im Zinstal

Vor kurzem wurde ich auf zwei Artikel aufmerksam, in denen über die Problematik der sinkenden Einnahmen bei Stiftungen berichtet wurde. Viele Stiftungen verdienen ihr Geld nämlich mit der Vermögensanlage. Da Stiftungen eine konservative, sicherheitsorientierte Vermögensanlage betreiben sollten, sind sie auf gut verzinsliche Wertanlagen angewiesen. Dies ist aber schon seit einigen Jahren immer weniger der Fall, weil die Niedrigzinspolitik der Notenbanken die zu erwartenden Renditen am Kapitalmarkt für verzinsliche Wertanlagen erheblich drückt. Damit werden Förderprojekte nicht mehr im bisherigen Umfang finanzierbar sein. Die Unternehmensberatung PWC hat zeitgleich eine Studie veröffentlicht, in der die Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds auf Stiftungen sowie das Vermögensmanagement untersucht wurden.

In einem Artikel der Hersfelder Zeitung vom 4.1.2016 wird der Vorsitzende einer Stiftung mit den Worten zitiert: „Die Stiftung lebt in erster Linie von den Zinsen ihres Stammkapitals, das sich auf 120 000 Euro beläuft. Bei den derzeitigen Zinssätzen kommen da jährlich nicht mehr als 2000 Euro raus“ (Quelle: http://www.hersfelder-zeitung.de/bad-hersfeld/ars-natura-stiftung-geht-geld-6008108.html).

Passend dazu titelte das Flensburger Tageblatt am 17.1.2016: „Zinstief – Stiftungen in SH geht das Geld aus“ und gibt den Vorstand des Schleswig-Holsteinischen Stiftungstages mit den Worten wieder: „Mit einem Stiftungsvermögen von 100.000 Euro und einer einprozentigen Nettoverzinsung kann man nach Abzug der Verwaltungskosten kaum den Förderzweck erfüllen“. Die Folge wäre Vermögensverzehr oder die Stiftungen könnten ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, so der Artikel (Quelle: http://www.shz.de/schleswig-holstein/wirtschaft/zinstief-stiftungen-in-sh-geht-das-geld-aus-id12478776.html).

Um die Hintergründe besser zu verstehen, muss man zurück in das Jahr 2009 gehen, also dem Jahr, in dem die letzte Finanzkrise zuerst als ein singuläres Problem einer einzelnen Großbank begann. Aus dem Zusammenbruch der Lehman-Bank entwickelte sich eine Liquiditäts- und Vertrauenskrise im gesamten Finanzsektor, da plötzlich viele zuvor mit „Top-Rating“ versehene Wertanlagen als „toxische Papiere“ galten, die keiner mehr haben wollte. Schließlich griff die Krise auf die Realwirtschaften über, so dass die Notenbanken zu drastischen Mitteln greifen mussten. Leitzinsen auf nahe Null und Einlagenfazilitäten mit Minuszinsen. Außerdem kauften die Notenbanken die Staatsanleihen ihrer eigenen Mitgliedsstaaten auf, um so indirekt die Kreditvergabe und die Investitionstätigkeit der Unternehmen anzukurbeln.

Am Kapitalmarkt noch Geld verdienen? Mit einer sicherheitsorientierten, werterhaltenden Vermögensstrategie ist dies nicht mehr machbar. Noch vor der Finanzkrise bewegte sich die Umlaufrendite für festverzinsliche Bundeswertpapiere bei über 3 %, mittlerweile hat sie sich von knapp über 0 % im letzten Jahr auf etwa 0,3 % „erholt“. Konservative Vermögensanlage als Einnahmequelle kommt nicht mehr in Betracht, und selbst Kapitalerhalt ist schwierig bis unmöglich geworden.

Die Unternehmensberatung PWC wollte nun von Stiftungen wissen, wie sie die Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds bewerten (Quelle: http://www.pwc.de/de/steuerberatung/stiftungen-gehen-wegen-niedriger-zinsen-staerker-ins-risiko.html – auf der Seite befindet sich auch der Link zur Studie). Befragt wurden 208 der „vermögensstärksten“ Stiftungen in Deutschland, wobei ungeklärt bleibt, wie sich „vermögensstärkste“ Stiftungen von anderen unterscheiden. Diesen Punkt halte ich für wichtig, zumal in der späteren Auswertung mancherorts unterschieden wird zwischen „größeren“ und „kleineren“ Stiftungen; bezieht sich diese Größeneinteilung auf das Stiftungsvermögen, die Finanzanlagen, der relative Anteile der Finanzanlagen am Gesamtvermögen oder die Anzahl der Mitarbeiter? Ich hätte mir auch einen Vergleich gewünscht zu Stiftungen in der GmbH-Rechtsform (z.B. Robert Bosch Stiftung GmbH). Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Qualität der verarbeiteten Daten. Viele Auswertungen beruhen nämlich auf Selbsteinschätzungen der befragten Stiftungen. Es fehlen leider die „harten“ Fakten.

Trotz aller Kritik, diese Studie (übrigens die zweite von PWC in dieser Fragestellung) bietet Einsichten in die Arbeit und das Vermögensmanagement von Stiftungen. Von den Ergebnissen kommt einem vieles bekannt vor und manches, von dem man es nicht gedacht hätte. Die Studie ist umfangreich und zeigt Handlungsfelder auf, die auch auf andere Anlegergruppen aus dem Bereich der Gemeinnützigkeit übertragbar sein könnten.

Sind Stiftungen durch die Finanzkrise stark betroffen gewesen? Da die Vermögensanlage bisher konservativ erfolgte, konnten solche Einbrüche überwiegend vermieden werden. Das Problem entsteht jetzt nach und nach, weil Gelder aus gut verzinslichen Wertpapieren früherer Jahre nunmehr zur Rückzahlung anstehen und wiederangelegt werden müssen.

Wie sieht eine erfolgreiche Vermögensstrategie aus? Die erfolgreicheren Stiftungen nutzen nicht nur (fast) die gesamte Angebotsvielfalt der an den Kapitalmärkten verfügbaren Finanzprodukten, sondern es wird eine aktive Diversifikationsstrategie betrieben. Auch Erfahrung und Professionalität zählen zu den Erfolgsfaktoren, sowohl auf der Ebene der Entscheider wie auch der Kontrolleure. Hinzu kommt ein systematischer Ansatz bei der Entscheidungsfindung bis hin zu einer Marktabsicherungsstrategie.

Als Fazit kann man festhalten, dass das Niedrigzinsumfeld die Einnahme-Situation der Stiftungen besonders dann erheblich belastet, wenn andere Einnahmequellen nicht ausreichend vorhanden sind. „Schlechtes“ Vermögensmanagement führt zudem zu Kapitalverzehr, was eine weitere unnötige „Baustelle“ bedeutet. Wenn die verdiente Liquidität nicht mehr ausreicht, müssen förderungswürdige Projekte eingestellt werden, sonst droht finanzielle Schieflage, aus der die Stiftung sich nicht mehr selbst befreien kann.

Geldanlage ist ein Thema, an dem auch die Unternehmen der Eingliederungshilfe nicht vorbeikommen.

CGS


Quellen:

Hersfelder Zeitung vom 4.1.2016: „Ars-Natura-Stiftung geht das Geld aus“
Betrachtet am 19.1.2016.

Flensburger Tageblatt vom 17.1.2016: „Zinstief – Stiftungen in SH geht das Geld aus“
Betrachtet am 19.1.2016.

Publikation der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PWC)
„Fünf Jahre Niedrigzinsphase und kein Ende in Sicht?“
Prof. Dr. Norbert Winkeljohann, Dr. Ulrich Störk, Lutz Roschker, Berthold Theuffel-Werhahn
Herausgegeben Januar 2016

Webseite der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PWC)
„Stiftungen gehen wegen niedriger Zinsen stärker ins Risiko“
Betrachtet am 19.1.2016





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