Samstag, 16. Januar 2016

Interner und Externer Vergleich in Entgeltverhandlungen

Das gesamte Sozialhilferecht ist durchtränkt von dem Anspruch, dass alle Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbracht werden müssen. Es geht halt nur um die reine Bedarfsdeckung, keine Bedarfs-Übererfüllung. Leistungen sind so zu erbringen, dass sie ausreichen und zweckmäßig den Hilfebedarf erfüllen und dabei das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (vgl. § 76 Abs. 1 S. 3 SGB XII). Darum begegnet man auch auf Seiten der Leistungsträger mit großem Misstrauen jedem Wunsch nach Verhandlungen über die Vergütung, und ganz besonders dann, wenn das Angebot ausgesprochen „teuer“ erscheint. Die Seite der Leistungserbringer fühlt sich dagegen missverstanden, wo sie doch nichts anderes getan hat, als die in der Leistungsvereinbarung enthaltene Ausstattung in eine Vergütung umzurechnen. Wie soll man diese höchst unterschiedlichen Positionen zusammenbringen?

Aus Sicht des Sozialhilfeträgers (Leistungsträgers) muss Sozialhilfe auf das notwendigste Maß beschränkt bleiben, weil Sozialhilfe auf die reine Bedarfsdeckung abzielt. Ein Bedarf entsteht, weil sich ein Mensch in einer Notlage befindet oder droht in eine solche zu geraten (vgl. auch § 15 f. SGB XII). Von daher können nur solche Maßnahmen erbracht werden, die den Bedarf oder die Notlage decken, beziehungsweise muss man eher davon sprechen, dass Maßnahmen nur bis zu dem Moment geleistet werden, bis zu dem die Bedarfsdeckung noch nicht erfolgt ist. Der Moment ab der erfüllten Bedarfsdeckung wird dagegen als Luxus verstanden, der folgerichtig nicht erbracht werden darf.

Maßnahmen werden im Bereich der Eingliederungshilfe über die Leistungsvereinbarungen sprachlich (relativ) genau definiert. Auch der Ressourceneinsatz findet sich in diesen Vereinbarungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern (vgl. § 76 Abs. 1 S. 1 SGB XII), und trotzdem entsteht immer wieder das Problem, dass Angebotskalkulationen der Leistungserbringer angezweifelt werden.

Als Leistungsträger hat man bereits für einen bestimmten Leistungsbereich eine Muster- oder Standard-Leistungsvereinbarung idealerweise definiert und mit mehreren Leistungserbringern solche vereinbart. Es gibt zwar so manche Abweichungen zum aktuellen Standard, was historisch bedingt ist, aber die Leistung wird erbracht. Alle sind solange zufrieden, bis ein Leistungserbringer z.B. neu vereinbaren möchte, und dann noch zu einem höheren Preis (Vergütung, vgl. § 76 Abs. 2 SGB XII). Das Preisgefüge droht zu kippen – das Angebot wird rundheraus abgelehnt.

Unverständlich aus Sicht des Leistungserbringers, denn die Kalkulation fußte auf den eigenen, prospektiven Gestehungskosten auf Basis der Leistungsvereinbarung. Es wurde vielleicht an der einen oder anderen Stelle „großzügiger“ kalkuliert, aber dennoch handelt es sich um ein Angebot, welches den o.g. Grundsätzen entspricht.

Der Leistungsträger muss ablehnen, wenn die angebotene Vergütung über den Vergütungen anderer Träger bei „vergleichbarem Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung“ liegt (§ 75 Abs. 2 S. 3 SGB XII). Er kann sich also hier auf das Gesetz berufen. Der „teuerste“ Leistungserbringer – mit vergleichbarer Leistung – setzt somit die preisliche Obergrenze. Genau hier liegt aber ein Mangel, denn nur der Leistungsträger kann feststellen, welche Leistungserbringer vergleichbar sind. Problematisch ist es schon dann, wenn z.B. die Fachkraftquote eine ganz andere ist oder die anderen Leistungserbringer ein Trägerbudget vereinbart haben. Es sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass man so einen Preisvergleich nicht hinbekommt, wenn ein Leistungserbringer verpflichtet ist, einen höheren Anteil „teurer“ Fachkräfte einzusetzen oder gegen eine „Trägerbudget-Träger“ konkurriert. Doch im ersten Gespräch zwischen beiden Seiten, wird diese Problematik nicht angesprochen. Und selbst wenn, so könnte man einwenden, nützt es nicht viel, weil eine Einsichtnahme in die Unterlagen für den Anbieter nicht möglich ist. Trotzdem sollte man m.E. als Leistungserbringer diesen Umstand nicht unter den Tisch fallen lassen, sondern direkt ansprechen. Denn wer behauptet, dass ein Vergleich möglich ist, muss ggf. vor einer Schiedsstelle den Nachweis erbringen. Und bis dahin, ist es nur eine Behauptung.

Vergleichbarkeit kann darüber hinaus nur hergestellt werden, wenn man als Leistungsträger Klarheit erhält über die Kalkulationsgrundlagen (des Anbieters). Kalkulationsgrundlagen sind dabei der Ressourceneinsatz bzw. Ressourcenbedarf (als Annahme über die benötigte Menge) und die Kosten der Ressourcenbeschaffung (als Annahme über die zukünftigen Beschaffungskosten). Hierzu müsste der Leistungsträger die Kalkulation insoweit prüfen, dass er ausreichende Gewissheit erlangt über die ordnungsgemäße Anwendung der Kriterien nach § 75 Abs. 3 S. 2 SGB XII: „Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen.“ Doch so eine Auseinandersetzung mit dem Angebot ist zeitaufwändig und wird gerne gescheut.

In seinem Urteil vom 29.1.2009 (Az. B 3 P 6/08 R) formulierte das Bundessozialgericht ein zweigliedriges Prüfungsmuster, nach dem ein Leistungsträger vorzugehen hat: man spricht seitdem vom „Externen Vergleich“ und dem „Internen Vergleich“. Die Reihenfolge der Prüfungsschritte ist im Urteil ein anderer, als in diesem Beitrag oben beschrieben. Zuerst soll ein interner Vergleich erfolgen, um Vergleichbarkeit herzustellen, dann erst erfolgt der externe Vergleich mit vergleichbaren Leistungserbringern. Hinzu kommt auch noch, dass das BSG auf die Leistungsgerechtigkeit abgestellt hatte, was bisher noch nicht angesprochen wurde.

Unter Leistungsgerechtigkeit versteht das BSG, dass die einrichtungsspezifischen, prospektiven Gestehungskosten durch die angestrebte Vergütung gedeckt werden. Dazu gezählt wird auch ein Zuschlag zum Unternehmerrisiko. Der Leistungserbringer trägt die Darlegungslast, so das Gericht, und muss die festgestellten Unschlüssigkeiten erläutern. Zwar betrifft dieses Urteil nur den Bereich der Pflege, dennoch geht die herrschende Meinung davon aus, dass eine Übertragbarkeit auf die Eingliederungshilfe gegeben ist.

Konkret bedeutet der interne Vergleich, dass der Leistungsträger anhand der (angestrebten) Leistungsvereinbarung den Ressourcenbedarf prüft und dann die Beschaffungskosten plausibilisiert. Wenn das Ergebnis mit der Kalkulation der Einzelkostenart – in etwa – übereinstimmt, eine gewisse Fehlerquote muss ebenso berücksichtigt werden, wie eine Immaterialität bei der Abweichung im Verhältnis zur Stichprobe, kann man annehmen, dass die vom Gesetz geforderten Grundsätze eingehalten wurden.

Es ist unwesentlich, ob der Leistungsträger die Einzelkosten von den anderen Leistungserbringern kennt. Zu gern wird bei überdurchschnittlichen Beschaffungskosten „gestrichen“ und bei unterdurchschnittlichen Beschaffungskosten „nichts gesagt“. Diese Strategie soll dazu führen, die Kosten zu senken. Die Überlegung ist die, dass z.B. der Aufwand für Porto verringert werden kann, wenn die anbietende Einrichtung es „genauso machen würde“, wie der billigste Konkurrent (sogenanntes „Best Practice“). Tatsächlich werden bei Leistungserbringern lediglich neue Probleme generiert, weil die Voraussetzungen einfach nicht übertragbar sind. Richtiger wäre es dagegen, bei nicht plausibel erscheinenden Einzelkosten die gesamte Bandbreite der gleichen Einzelkostenart für alle vergleichbaren Leistungserbringer offenzulegen; also so vorzugehen, wie beim externen Vergleich.

Leistungsträger tun dies aber nicht. Sie können es ehrlich gesagt auch nicht, weil sie die Zusammensetzung der Vergütungssätze im Einzelnen nicht genau kennen, selbst wenn eine dezidierte Angebotskalkulation mal beigebracht wurde. Häufig genug liegen die alten Unterlagen nicht mehr vor oder die Zahlen wurden mittlerweile über viele Jahre hinweg immer wieder, teils sogar mehrfach, pauschal angepasst.

Weil der interne Vergleich aufwändig ist, versucht man mithilfe des externen Vergleichs abzuschrecken. Gerne wird auch eine Drohkulisse aufgebaut, die dann in letzter Konsequenz tatsächlich zu langwierigen Einzelverhandlungen führen kann. Leistungserbringer können versuchen, die Leistungsvereinbarung zu verschlanken, in dem im Prosa-Teil ein wenig Fachlichkeit herausgenommen und der Ressourcenbedarf abgespeckt wird. So bleibt man im Gespräch und erreicht über diesen Umweg eventuell einen Preis, mit dem beide Seiten leben könnten.

CGS



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