Montag, 21. Dezember 2015

Der Mindestlohn als Refinanzierungsproblem (Teil 6)

Noch immer gibt es keine Lösung für die Leistungserbringer. Entweder sie akzeptieren die „harte“ Haltung der Leistungsträger oder sie gehen vor die Schiedsstelle.

Das Protokoll zur Sitzung der Vertragskommission SGB VIII (Schleswig-Holstein) vom Oktober 2015 wurde nun veröffentlicht, so dass man ein wenig mehr die Ansichten der Leistungsträger nachvollziehen kann.

1.
Die Leistungsträger sehen den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) als eine Art „Leitwährung“ an, die sich auf alle Leistungserbringer im Bereich der Jugendhilfe erstreckt. Dies leiten sie ab aus dem Jugendhilfe-Rahmenvertrag für Schleswig-Holstein nach § 78 f SGB VIII (JugH-RV) sowie den dazugehörigen Verfahrensvereinbarungen Jugendhilfe (VV JugH). Tatsächlich finden sich einige Bezüge auf den TVÖD, doch dass dieser eine „Leitwährung“ darstellt, ist nicht nachvollziehbar.

Nach Ziffer 4.2 der Anlage A erfolgt die Kalkulation der Personalkosten entweder „unter Anwendung der in der Einrichtung angewandten Vergütungssystematik“ oder „unter Anwendung eines Referenzvergütungssystems im Wege einer pauschalierten Kalkulation“. Letzteres bezieht sich vermutlich auf den TVÖD, aber so ausdrücklich steht es nicht in der Unterlage.

Nach Ziffer 6.2.1 werden für die Berechnung und Anpassung der Entgelte die „Personalkosten um die prozentuale Rate angepasst, die sich aufgrund der Tarifentwicklung im TVÖD-VKA, gesetzlichen Veränderungen, der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ergibt.“ Damit ergibt sich zwar ein Bezug zu den Tarifrunden des TVÖD, diese scheinen dann wirklich das Maß der Dinge zu sein, aber die Grundlage für die Bestimmung der Personalkosten an sich, nicht der jährlichen Steigerungsrate, kommt ggf. aus der in der Einrichtung „angewandten Vergütungssystematik“.

2.
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) nimmt keine Bestimmungen vor hinsichtlich Bereitschaftsdienste. Von daher gehen Landkreistag und Städteverband davon aus, dass eine Anrechnung der Bereitschaftszeit als Arbeitszeit zu 25 Prozent, die wiederum voll vergütet wird, mit den Vorgaben des Mindestlohngesetzes vereinbar ist. Sie begründen dies unter Verweis auf § 8 Abs. 4 TVÖD-VKA in Verbindung mit § 15 Abs. 6a des am 30.9.2005 gültigen Bundesangestelltentarifvertrages (BAT).

Im TVÖD heißt es nämlich, dass das Entgelt für den Bereitschaftsdienst landesbezirklich und für den in einem Tarifvertrag auf Bundesebene geregelt wird; dann folgt der weitere Bezug auf den BAT mit den „25 %“, was aber hier nicht wiederholt werden muss.

Das Problem mit dieser Sichtweise ist aber, dass die Leistungsträger das MiLoG für tarifdispositiv halten. Dies ist aber schlichtweg falsch – im Gegenteil: das MiLoG tritt in seiner Anwendung zurück, wenn Tarifverträge „allgemeinverbindlich“ erklärt worden sind (vgl. § 24 MiLoG).

Zieht man ein Fazit, dann kann man diese Argumentation zwar verstehen, aber nicht folgen. Der TVÖD ist keine „Leitwährung“ – oder zumindest der Tarifvertrag, den man für die „Verpreislichung von Personal in der Jugendhilfe“ (Zitat Protokoll) nimmt. Lediglich die Erhöhungsbeträge aus den Tarifrunden wirken sich bei Anwendung der Verfahrensvereinbarungen auf die vormals kalkulierten und einvernehmlich festgestellten Personalkosten pro Stelle aus. Immerhin könnten Träger einer ganz anderen Vergütungssystematik unterliegen, so dass dann die Bestimmungen des TVÖD, gar nicht greifen würden.

Also:

Der TVÖD ist nicht als Leit-Tarifvertrag im Jugendhilfe-Rahmenvertrag vereinbart worden.

Andere Träger könnten andere Tarifverträge anwenden.

Das MiLoG ist nicht tarifdispositiv.


CGS




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