Mit den Änderungen,
die durch das Bundesteilhabegesetz nunmehr eingeführt worden sind, könnte es
auch in anderen Bundesländern zu Änderungen in den jeweiligen
Kalkulationsverfahren kommen. Ob man sich dabei das Hamburger Modell für den
Bereich des Vollstationären Wohnens antun will, wird man sehen. Jedenfalls
gab es in den Jahren vor der Umstellung in Hamburg die Erkenntnis, dass die
Vergütungsstrukturen, insbesondere die Anteile an Maßnahme- und Grundpauschalen,
bei den einzelnen Trägern von vollstationären Wohneinrichtungen in Hamburg nicht
nachvollziehbar erschienen. Eine großangelegte Trägerbefragung bewies dann
auch, dass Vergütungssätze und Belegungsstrukturen nicht miteinander
korrelierten. Es zeigten sich erhebliche Abweichungen, die man schließlich
abzuschaffen versuchte.
Es nahmen 22 Träger mit 25 Einrichtungen teil. Diese mussten
im Fragebogen Angaben machen zur durchschnittlichen Belegung (Ist-Belegung
2011), dem Stellenschlüssel und den Personalkosten für die Betreuung von den in
den Einrichtungen lebenden Menschen. Außerdem wollte dann noch die Hamburger
Sozialbehörde wissen, wie hoch die Sachkosten sowie der Lebensmittelaufwand pro
Platz ausfielen. Und schließlich wurde die Vergütung je Hilfebedarfsgruppe (als
Tagessatz) für die Auswertung herangezogen.
Die Auswertung wurde weitestgehend anonymisiert. Eine
Ableitung auf bestimmte einzelne Träger musste vermieden werden, damit ein
Konkurrenzvergleich misslang.
Die Daten wurden dann bei einigen Trägern noch einmal
geprüft (oder lediglich hinterfragt), um sicherzustellen, dass man keine Fehler
übernommen hatte. Ganz ausschließen konnte man dies allerdings nicht. Und zudem
weigerten sich manche oder konnten einfach gar nicht, ihre wirklichen
Belegungs- und Kostendaten mitteilen. So bleibt bis heute ungeklärt, ob nun
testierte und korrekt zugeordnete / wirklich vergleichbare Kostendaten bekannt
gegeben wurden oder lediglich Plandaten und Platzkapazitäten zur Anwendung
kamen.
Ergebnisse:
Statt die Belegungsstruktur und somit einen Hinweis auf
die Größenverhältnisse zu bieten, wurde die durchschnittlich vorhandene
Hilfeempfängergruppe / Bedarfsgruppe (HEG/HBG) veröffentlicht. Der niedrigste
Wert bei fünf Bedarfsgruppen lag bei 2,81 und der höchste bei 4,11 – dabei
gilt: Je höher die Bedarfsgruppe, umso höher der Bedarf an Assistenzleistungen
bei Leistungsberechtigten. Problematisch an diesen Werten ist allerdings, dass
eine hohe Zahl an Fehlzuordnungen vermutet werden kann. Zum einen liegt dies
daran, dass bei sehr vielen Leistungsberechtigten die erste Zuordnung, also
die, welche bei der Umstellung auf differenzierte Bedarfsgruppen im Jahr 2003
von einzelnen Trägern (eher unkritisch) übernommen wurden, lediglich
fortgeschrieben wurde. Zum anderen erfolgte die Zuordnung auf der Grundlage
eines „angepassten“ Metzler-Systems. Außerdem konnte es passieren, dass bei der
Meldung der Strukturdaten Selbstzahler und Fremdzahler enthalten waren, dabei
sollte es doch nur um die Bewohner gehen, bei denen die Hamburger Sozialbehörde
Kostenträger war. Im Mittel wurde somit eine durchschnittliche Bedarfsgruppe
von 3,40 wiedergegeben.
Abgefragt wurde das vorhandene Betreuungspersonal, um auf
einen Stellenschlüssel (bezogen auf die Belegung) zu kommen. Es ist durchaus
möglich, dass einzelne Träger nicht eine Stichtagszahl genannt hatten, sondern
eine zeitraumbezogene Stellenbesetzung. Ebenso denkbar ist es, dass auch solche
Stellen, die sich gerade im Besetzungsverfahren befanden, hinzugerechnet
wurden. Der niedrigste Stellenschlüssel lag bei 1,33 Bewohnern zu 1 Stelle
Betreuungspersonal, der höchste Wert lag bei 2,64. Man könnte jetzt annehmen,
dass die Einrichtung mit dem niedrigsten Stellenschlüssel auch die höchste
durchschnittliche Bedarfsgruppe aufwies, dies war aber nicht der Fall. Vielmehr
wies diese Einrichtung sogar die höchsten Vergütungssätze aus. Mit einem
Bandbreiten-Faktor von knapp 2,0 (das Maximum ist das Doppelte vom Minimum) war
diese Kennzahl zwar sehr hoch, doch gerade weil eine Verknüpfung mit der
Belegungsstruktur möglich war, beinhaltet sie eine hohe Aussagekraft.
Die durchschnittlichen Personalkosten inkl.
Personalnebenkosten je Stelle Betreuungspersonal rangierten von 39,5 Tsd. Euro
bis 53,9 Tsd. Euro. Der Mittelwert lag bei knapp 47,0 Tsd. Euro. Auch wenn die
Möglichkeit von Fehlern eher gering erscheint, eine Vergleichbarkeit konnte
nicht gegeben sein, weil in manchen Einrichtungen ständige Nachtwachen und in
anderen Nachtbereitschaften tätig waren; in großen Einrichtungen wäre damit der
daraus entstehende Personalkostenaufwand relativ gering, in kleinen
Einrichtungen mit wenigen Bewohnern dagegen hoch.
Bei der Betrachtung der Durchschnitts-Personalkosten je
Betreuungsplatz wurde dagegen die Belegungsstruktur außer Acht gelassen. Die
Kosten je Platz rangierten von 22,6 Tsd. Euro bis hinauf auf 33,3 Tsd. Euro;
der erzielte Mittelwert lag bei 27,1 Tsd. Euro pro Jahr. Die dabei erzielte
Bandbreite war allerdings mit einem Faktor von 1,5 etwa gleich mit der aus der
Betrachtung der Personalkosten je Stelle.
Dagegen gab es bei den Personalkosten für Leitung,
Verwaltung und sonstigen (technischen, hauswirtschaftlichen, usw.) Diensten je
Platz eine Bandbreite zwischen Minimum und Maximum, die bei einem Faktor von
1,9 lag. Der niedrigste Wert wurde mit 5,4 Tsd. Euro ermittelt, der höchste
Wert ergab 10,6 Tsd. Euro und der Mittelwert befand sich bei 7,5 Tsd. Euro.
Dies legt die Vermutung nahe, dass in manchen Einrichtungen ein relativ höherer
Anteil für Nicht-Betreuungspersonal vorherrscht (z.B. Hauswirtschaftskräfte).
Nimmt man an, dass die Leistungen der Einrichtungen sehr ähnlich sind, sollte
eine Differenzierung zwischen Betreuungs- und Nicht-Betreuungspersonal unterbleiben.
Denkbar wäre, dass z.B. technische und hauswirtschaftliche Kräfte bei der
Betreuung aktiv mitwirken.
Statt Gesamtpersonalkosten und Gesamtstellen in Relation
zu setzen, wurden Gesamtpersonalkosten je Platz bestimmt. Die geringe
Bandbreite von 1,3 lässt vermuten, dass zwischen den Einrichtungen und ihren
Belegungsstrukturen kaum Unterschiede sind, doch dann müssten die
Bandbreite-Faktoren für die durchschnittlichen Bedarfsgruppen und die
jeweiligen Stellenschlüssel sehr ähnlich sein. Die Gesamtpersonalkosten je
Platz betrugen 29,4 bis 39,7 Tsd. Euro, der Mittelwert ergab 34,8 Tsd. Euro.
Während die Personalkosten durch den Hilfebedarf normalerweise
„getrieben“ werden bzw. als Maßnahme-Leistung in Abhängigkeit dazu stehen
sollten, kann man annehmen, dass Sachkosten tatsächlich je Platz anfallen;
immerhin werden sie in der Regel als Teil der Grundpauschale angesehen. Die
Sachkosten je Platz ohne Lebensmittelaufwand lagen im niedrigsten Fall bei 2,6
Tsd. Euro jährlich, im höchsten Fall bei 6,4 Tsd. Euro. Der Mittelwert ergab
4,4 Tsd. Euro. Die Bandbreite fiel mit einem Faktor von 2,4 sehr hoch aus. Von
daher muss vermutet werden, dass einige Kosten nicht berücksichtigt oder
fehlerhaft zugeordnet wurden. Bei einer so hohen Abweichung fehlt es an Aussagekraft.
Bei den Lebensmittelaufwendungen sollte die
durchschnittliche Bedarfsgruppe wie auch das Vorhandensein von
hauswirtschaftlichen Kräften berücksichtigt werden. In einer anderen
Untersuchung konnte nämlich festgestellt werden, dass der Lebensmittelaufwand
pro Platz immer dort niedrig ausfiel, wo Hauswirtschaftskräfte oder eine zentrale
Küche die Versorgung sicherstellten. Je niedriger die Bedarfsgruppe, umso höher
können die Lebensmittelaufwendungen dagegen ausfallen, weil die Bewohner sich
tageweise mittels Budget selbst versorgen. Die Bandbreite lag zwischen 1,1 Tsd.
Euro und 2,4 Tsd. Euro bei einem Mittelwert von 1,9 Tsd. Euro jährlich. Der
Bandbreiten-Faktor ergab somit recht hohe 2,1.
Die Gesamtkosten je Platz, allerdings wieder ohne den
Lebensmittelaufwand, rangierten zwischen 33,7 Tsd. Euro und 46,1 Tsd. Euro, der
Mittelwert wurde bei 39,2 Tsd. Euro festgestellt. Weil aber einige Träger keine
Lebensmittelaufwendungen mitgeteilt hatten, ist es möglich, dass es sich
wirklich um Platz-Gesamtkosten handelte.
Zum Schluss wurde eine Durchschnittsvergütung als
Tagessatz je Träger ermittelt, gewichtet aber nach der gemeldeten Ist-Belegung.
Der niedrigste Tagessatz (inkl. Lebensmittel-Anteil) betrug 82,66 Euro täglich,
der höchste Wert lag bei 145,71 Euro. Im Mittel ergaben sich 110,32 Euro, so
dass sich eine Bandbreite von 1,8 errechnen ließ. Würde man nur die
vereinbarten Vergütungssätze (Grund- und Maßnahmepauschalen) vergleichen,
würden sich weitaus höhere Bandbreiten besonders in den niedrigsten
Bedarfsgruppen ergeben. In der Bedarfsgruppe 1 zeigte sich eine Bandbreite von
34,25 bis 83,16 Euro, in der Bedarfsgruppe 5 waren es 121,34 bis 174,79 Euro.
Dieser Vergleich offenbarte eine erhebliche Diskrepanz bei einigen Trägern, da
schon die Vergütung in der niedrigsten Bedarfsgruppe bedeutend hoch ausfällt.
Fazit:
Im Laufe der Jahre hatte sich eine Vergütungsstruktur
etabliert, die nicht mehr nachvollziehbar und keinesfalls plausibel erschien.
Weil man davon ausging, dass die Leistung an sich bei jedem Träger „gleich“ ist,
wollte man ein Vergütungssystem nach dem Motto „Gleiche Arbeit, Gleiches Geld“ sehen.
Ein weiterer Gedanke war der, dass mit einer Pauschalierung die
Leistungserbringer zu einer erhöhten Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bringt.
Vergütungsverhandlungen würden zukünftig auf der Ebene von Verbänden geführt
werden, statt sich mit einzelnen Leistungserbringern bis hin zur Schiedsstelle
über die Angemessenheit der Vergütungssätze zeitraubend zu streiten. Damit
hätte man „Leistungspauschalen“ eingeführt.
In der Folge wurde an einem neuen zeitbasierten / stundenbasierten Kalkulationsverfahren gearbeitet und schließlich in 2015 eingeführt. Und es ist genau seine Struktur, die einen heute annehmen lässt, dass es sich um das Kalkulationsverfahren nach BTHG handelt.
CGS
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