Samstag, 28. Januar 2017

Ein auf Kennzahlen basierender Vergleich von Strukturen zeigt Diskrepanzen auf

Mit den Änderungen, die durch das Bundesteilhabegesetz nunmehr eingeführt worden sind, könnte es auch in anderen Bundesländern zu Änderungen in den jeweiligen Kalkulationsverfahren kommen. Ob man sich dabei das Hamburger Modell für den Bereich des Vollstationären Wohnens antun will, wird man sehen. Jedenfalls gab es in den Jahren vor der Umstellung in Hamburg die Erkenntnis, dass die Vergütungsstrukturen, insbesondere die Anteile an Maßnahme- und Grundpauschalen, bei den einzelnen Trägern von vollstationären Wohneinrichtungen in Hamburg nicht nachvollziehbar erschienen. Eine großangelegte Trägerbefragung bewies dann auch, dass Vergütungssätze und Belegungsstrukturen nicht miteinander korrelierten. Es zeigten sich erhebliche Abweichungen, die man schließlich abzuschaffen versuchte.

Es nahmen 22 Träger mit 25 Einrichtungen teil. Diese mussten im Fragebogen Angaben machen zur durchschnittlichen Belegung (Ist-Belegung 2011), dem Stellenschlüssel und den Personalkosten für die Betreuung von den in den Einrichtungen lebenden Menschen. Außerdem wollte dann noch die Hamburger Sozialbehörde wissen, wie hoch die Sachkosten sowie der Lebensmittelaufwand pro Platz ausfielen. Und schließlich wurde die Vergütung je Hilfebedarfsgruppe (als Tagessatz) für die Auswertung herangezogen.

Die Auswertung wurde weitestgehend anonymisiert. Eine Ableitung auf bestimmte einzelne Träger musste vermieden werden, damit ein Konkurrenzvergleich misslang.

Die Daten wurden dann bei einigen Trägern noch einmal geprüft (oder lediglich hinterfragt), um sicherzustellen, dass man keine Fehler übernommen hatte. Ganz ausschließen konnte man dies allerdings nicht. Und zudem weigerten sich manche oder konnten einfach gar nicht, ihre wirklichen Belegungs- und Kostendaten mitteilen. So bleibt bis heute ungeklärt, ob nun testierte und korrekt zugeordnete / wirklich vergleichbare Kostendaten bekannt gegeben wurden oder lediglich Plandaten und Platzkapazitäten zur Anwendung kamen.

Ergebnisse:

Statt die Belegungsstruktur und somit einen Hinweis auf die Größenverhältnisse zu bieten, wurde die durchschnittlich vorhandene Hilfeempfängergruppe / Bedarfsgruppe (HEG/HBG) veröffentlicht. Der niedrigste Wert bei fünf Bedarfsgruppen lag bei 2,81 und der höchste bei 4,11 – dabei gilt: Je höher die Bedarfsgruppe, umso höher der Bedarf an Assistenzleistungen bei Leistungsberechtigten. Problematisch an diesen Werten ist allerdings, dass eine hohe Zahl an Fehlzuordnungen vermutet werden kann. Zum einen liegt dies daran, dass bei sehr vielen Leistungsberechtigten die erste Zuordnung, also die, welche bei der Umstellung auf differenzierte Bedarfsgruppen im Jahr 2003 von einzelnen Trägern (eher unkritisch) übernommen wurden, lediglich fortgeschrieben wurde. Zum anderen erfolgte die Zuordnung auf der Grundlage eines „angepassten“ Metzler-Systems. Außerdem konnte es passieren, dass bei der Meldung der Strukturdaten Selbstzahler und Fremdzahler enthalten waren, dabei sollte es doch nur um die Bewohner gehen, bei denen die Hamburger Sozialbehörde Kostenträger war. Im Mittel wurde somit eine durchschnittliche Bedarfsgruppe von 3,40 wiedergegeben.

Abgefragt wurde das vorhandene Betreuungspersonal, um auf einen Stellenschlüssel (bezogen auf die Belegung) zu kommen. Es ist durchaus möglich, dass einzelne Träger nicht eine Stichtagszahl genannt hatten, sondern eine zeitraumbezogene Stellenbesetzung. Ebenso denkbar ist es, dass auch solche Stellen, die sich gerade im Besetzungsverfahren befanden, hinzugerechnet wurden. Der niedrigste Stellenschlüssel lag bei 1,33 Bewohnern zu 1 Stelle Betreuungspersonal, der höchste Wert lag bei 2,64. Man könnte jetzt annehmen, dass die Einrichtung mit dem niedrigsten Stellenschlüssel auch die höchste durchschnittliche Bedarfsgruppe aufwies, dies war aber nicht der Fall. Vielmehr wies diese Einrichtung sogar die höchsten Vergütungssätze aus. Mit einem Bandbreiten-Faktor von knapp 2,0 (das Maximum ist das Doppelte vom Minimum) war diese Kennzahl zwar sehr hoch, doch gerade weil eine Verknüpfung mit der Belegungsstruktur möglich war, beinhaltet sie eine hohe Aussagekraft.

Die durchschnittlichen Personalkosten inkl. Personalnebenkosten je Stelle Betreuungspersonal rangierten von 39,5 Tsd. Euro bis 53,9 Tsd. Euro. Der Mittelwert lag bei knapp 47,0 Tsd. Euro. Auch wenn die Möglichkeit von Fehlern eher gering erscheint, eine Vergleichbarkeit konnte nicht gegeben sein, weil in manchen Einrichtungen ständige Nachtwachen und in anderen Nachtbereitschaften tätig waren; in großen Einrichtungen wäre damit der daraus entstehende Personalkostenaufwand relativ gering, in kleinen Einrichtungen mit wenigen Bewohnern dagegen hoch.

Bei der Betrachtung der Durchschnitts-Personalkosten je Betreuungsplatz wurde dagegen die Belegungsstruktur außer Acht gelassen. Die Kosten je Platz rangierten von 22,6 Tsd. Euro bis hinauf auf 33,3 Tsd. Euro; der erzielte Mittelwert lag bei 27,1 Tsd. Euro pro Jahr. Die dabei erzielte Bandbreite war allerdings mit einem Faktor von 1,5 etwa gleich mit der aus der Betrachtung der Personalkosten je Stelle.

Dagegen gab es bei den Personalkosten für Leitung, Verwaltung und sonstigen (technischen, hauswirtschaftlichen, usw.) Diensten je Platz eine Bandbreite zwischen Minimum und Maximum, die bei einem Faktor von 1,9 lag. Der niedrigste Wert wurde mit 5,4 Tsd. Euro ermittelt, der höchste Wert ergab 10,6 Tsd. Euro und der Mittelwert befand sich bei 7,5 Tsd. Euro. Dies legt die Vermutung nahe, dass in manchen Einrichtungen ein relativ höherer Anteil für Nicht-Betreuungspersonal vorherrscht (z.B. Hauswirtschaftskräfte). Nimmt man an, dass die Leistungen der Einrichtungen sehr ähnlich sind, sollte eine Differenzierung zwischen Betreuungs- und Nicht-Betreuungspersonal unterbleiben. Denkbar wäre, dass z.B. technische und hauswirtschaftliche Kräfte bei der Betreuung aktiv mitwirken.

Statt Gesamtpersonalkosten und Gesamtstellen in Relation zu setzen, wurden Gesamtpersonalkosten je Platz bestimmt. Die geringe Bandbreite von 1,3 lässt vermuten, dass zwischen den Einrichtungen und ihren Belegungsstrukturen kaum Unterschiede sind, doch dann müssten die Bandbreite-Faktoren für die durchschnittlichen Bedarfsgruppen und die jeweiligen Stellenschlüssel sehr ähnlich sein. Die Gesamtpersonalkosten je Platz betrugen 29,4 bis 39,7 Tsd. Euro, der Mittelwert ergab 34,8 Tsd. Euro.

Während die Personalkosten durch den Hilfebedarf normalerweise „getrieben“ werden bzw. als Maßnahme-Leistung in Abhängigkeit dazu stehen sollten, kann man annehmen, dass Sachkosten tatsächlich je Platz anfallen; immerhin werden sie in der Regel als Teil der Grundpauschale angesehen. Die Sachkosten je Platz ohne Lebensmittelaufwand lagen im niedrigsten Fall bei 2,6 Tsd. Euro jährlich, im höchsten Fall bei 6,4 Tsd. Euro. Der Mittelwert ergab 4,4 Tsd. Euro. Die Bandbreite fiel mit einem Faktor von 2,4 sehr hoch aus. Von daher muss vermutet werden, dass einige Kosten nicht berücksichtigt oder fehlerhaft zugeordnet wurden. Bei einer so hohen Abweichung fehlt es an Aussagekraft.

Bei den Lebensmittelaufwendungen sollte die durchschnittliche Bedarfsgruppe wie auch das Vorhandensein von hauswirtschaftlichen Kräften berücksichtigt werden. In einer anderen Untersuchung konnte nämlich festgestellt werden, dass der Lebensmittelaufwand pro Platz immer dort niedrig ausfiel, wo Hauswirtschaftskräfte oder eine zentrale Küche die Versorgung sicherstellten. Je niedriger die Bedarfsgruppe, umso höher können die Lebensmittelaufwendungen dagegen ausfallen, weil die Bewohner sich tageweise mittels Budget selbst versorgen. Die Bandbreite lag zwischen 1,1 Tsd. Euro und 2,4 Tsd. Euro bei einem Mittelwert von 1,9 Tsd. Euro jährlich. Der Bandbreiten-Faktor ergab somit recht hohe 2,1.

Die Gesamtkosten je Platz, allerdings wieder ohne den Lebensmittelaufwand, rangierten zwischen 33,7 Tsd. Euro und 46,1 Tsd. Euro, der Mittelwert wurde bei 39,2 Tsd. Euro festgestellt. Weil aber einige Träger keine Lebensmittelaufwendungen mitgeteilt hatten, ist es möglich, dass es sich wirklich um Platz-Gesamtkosten handelte.

Zum Schluss wurde eine Durchschnittsvergütung als Tagessatz je Träger ermittelt, gewichtet aber nach der gemeldeten Ist-Belegung. Der niedrigste Tagessatz (inkl. Lebensmittel-Anteil) betrug 82,66 Euro täglich, der höchste Wert lag bei 145,71 Euro. Im Mittel ergaben sich 110,32 Euro, so dass sich eine Bandbreite von 1,8 errechnen ließ. Würde man nur die vereinbarten Vergütungssätze (Grund- und Maßnahmepauschalen) vergleichen, würden sich weitaus höhere Bandbreiten besonders in den niedrigsten Bedarfsgruppen ergeben. In der Bedarfsgruppe 1 zeigte sich eine Bandbreite von 34,25 bis 83,16 Euro, in der Bedarfsgruppe 5 waren es 121,34 bis 174,79 Euro. Dieser Vergleich offenbarte eine erhebliche Diskrepanz bei einigen Trägern, da schon die Vergütung in der niedrigsten Bedarfsgruppe bedeutend hoch ausfällt.

Fazit:

Im Laufe der Jahre hatte sich eine Vergütungsstruktur etabliert, die nicht mehr nachvollziehbar und keinesfalls plausibel erschien. Weil man davon ausging, dass die Leistung an sich bei jedem Träger „gleich“ ist, wollte man ein Vergütungssystem nach dem Motto „Gleiche Arbeit, Gleiches Geld“ sehen. Ein weiterer Gedanke war der, dass mit einer Pauschalierung die Leistungserbringer zu einer erhöhten Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bringt. Vergütungsverhandlungen würden zukünftig auf der Ebene von Verbänden geführt werden, statt sich mit einzelnen Leistungserbringern bis hin zur Schiedsstelle über die Angemessenheit der Vergütungssätze zeitraubend zu streiten. Damit hätte man „Leistungspauschalen“ eingeführt.

In der Folge wurde an einem neuen zeitbasierten / stundenbasierten Kalkulationsverfahren gearbeitet und schließlich in 2015 eingeführt. Und es ist genau seine Struktur, die einen heute annehmen lässt, dass es sich um das Kalkulationsverfahren nach BTHG handelt.

CGS




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