Sonntag, 5. Februar 2017

Ein auf Kennzahlen basierender Vergleich von Strukturen zeigt Diskrepanzen auf (Teil 2)

Auch wenn sich in der Zeit vor dem neuen stundenbasierten / zeitbasierten Kalkulationsverfahren in Hamburg (Leistungsbereich Stationäres Wohnen) eine Vergütungsstruktur herausgebildet hatte, die so nicht mehr nachvollziehbar erschien, die weitere Auswertung der Daten zeigt einige sehr interessante Muster bzw. offenbart einige, erläuterungsbedürftige Diskrepanzen.

Grafik 1: Durchschnitt HEG/HBG und Stellenschlüssel / eingegliedert.blogspot.de

Zum Beispiel erhöht sich der Stellenschlüssel mit abnehmendem Hilfebedarf, wie man aus der HBG-Stellenschlüssel-Matrix ablesen kann (die Trendlinie fallend). Die erheblichen Abweichungen im Bild lassen dagegen andere Dinge vermuten. In früheren Zeiten wurden Einzelverhandlungen geführt unter Berücksichtigung konzeptioneller oder struktureller Besonderheiten der jeweiligen Einrichtung. Erst mit dem neuen Kalkulationsverfahren wurde eine Standardisierung eingeführt, die nun die Leistungserbringung stark vereinheitlicht.

Ob sich diese Stellenschlüssel auf rein pädagogisch-pflegerisch-tätiges Personal beziehen, kann angenommen werden. Doch es wird in einer Muster-Leistungsvereinbarung neben solchem Personal auch hauswirtschaftlich tätiges Personal zu demjenigen gezählt, welches Betreuungsleistungen erbringen kann (siehe hierzu Ziffer 5 in der Anlage 1 „Leistungsbeschreibung und konkretisierende Regelungen zur Beschreibung der Qualität der Leistungen“, Stand 2013). Von daher ist es möglich, dass die in der Umfrage genannten Stellen bei einigen Trägern ohne und bei anderen Trägern inklusive hauswirtschaftlichem Personal waren.

In einigen Fällen kann eine Steigerung der Bedarfsgruppen stattgefunden haben, doch weil die bestehenden Leistungsvereinbarungen noch eine feste Stellenzahl enthielten, fand wahrscheinlich eine Anhebung des eingesetzten Personals beim jeweiligen Träger nicht statt. So erhöhte sich zwar die durchschnittliche Ist-HEG/HBG z.B. auf „4“, doch die personellen Strukturen blieben beim Träger so, als ob der Durchschnitt noch bei „3“ lag.

Grafik 2: Lebensmittel-Aufwand in der Grundpauschale / eingegliedert.blogspot.de

Die Höhe der Grundpauschale variierte beträchtlich und lag zwischen niedrigen 13,18 Euro und hohen 26,14 Euro täglich, bei einem Mittelwert von 19,00 Euro und einem Median von 18.74 Euro täglich. Da aber nicht alle Träger Auskunft gegeben hatten zum Lebensmitteleinsatz, oder vielleicht gab es bei diesen Leistungserbringern keine entsprechende Vereinbarung und somit keinen Geldbetrag, konnten nur die verglichen werden, die einen Lebensmittelaufwand mitteilten.

Von diesen 13 Trägern rangierte die Grundpauschale von 16,79 Euro bis 26,14 Euro (Bandbreiten-Faktor = 1,6), der Lebensmittelaufwand reichte dagegen von 3,13 Euro bis 6,60 Euro (Faktor = 2,1), wobei, wie die Grafik zeigt, die Höhe der Grundpauschale nicht mit der Höhe des mitgeteilten Lebensmittelaufwands korrelierte.

Wie gesagt, verglichen werden konnten nur die Träger, die einen Lebensmittelaufwand mitteilten. Was also in Wirklichkeit in der Umfrage mitgeteilt wurde, bleibt ungeklärt. Es ist möglich, dass lediglich der vereinbarte Lebensmittelaufwand aus der Vergütungsvereinbarung herangezogen wurde, vielleicht wurde aber auch ein „gewünschtes“ Lebensmittelbudget genannt.

Grafik 3: Jahresbudget für Lebensmittel je Platz / eingegliedert.blogspot.de

Bei derartigen Tagessätzen ergeben sich Jahresbudgets für den Einsatz von Lebensmittel, die von etwa 1.200 Euro bis 2.400 Euro reichen würden.

Man könnte grundsätzlich annehmen, dass bei der Umfrage Kostenarten fehlerhaft zugeordnet wurden, um monetär einen Bedarf zu suggerieren, der eigentlich nicht vorhanden ist (z.B. Kosten für die Verpflegung von Gästen). Doch es ist eher wahrscheinlich, dass bei einigen Trägern eine tägliche Vollverpflegung vereinbart wurde, bei anderen eine solche nur an Wochenenden.

Zu bedenken sind auch mögliche Effekte aufgrund behinderungsbedingter Mehrkosten und einer besonderen Versorgung, aber auch die Tendenz zu einem selbstbestimmten Leben einhergehend mit einem gewissen Grad an Selbstversorgung.

Interessant ist der Vergleich zur Grundsicherung, da das SGB XII die gleichen Regelsatzstufen wie das SGB II kennt und soziale Leistungen sehr stark auf pauschalierten Bedarfen beruhen. Grundlage für die Ermittlung von Regelsätzen sind gem. § 1 RBEG i.V.m. § 28 SGB XII Sonderauswertungen von Einkommens- und Verbrauchsstichproben. Diese Stichproben werden alle fünf Jahre unternommen, um so z.B. den anzusetzenden Betrag für Verpflegung in den Regelsätzen der Grundsicherung  festzustellen. In 2013 erfolgte die letzte Sonderauswertung.

Für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren wurden pro Monat 137,66 Euro gesetzlich festgestellt (vgl. § 4 RBEG). Dies wären 1.651,92 Euro im Jahr, und in diesem Betrag wären z.B. sogenannte behinderungsbedingte Mehrkosten nicht enthalten. Von daher hätte man hinterfragen müssen, warum manche Träger mit einem deutlich niedrigeren Budget auskommen; zumindest hätte in der späteren Präsentation der Daten eine Erläuterung gegeben werden müssen.

Grafik 4: Durchschnitt HEG/HBG und Lebensmittel-Aufwand täglich / eingegliedert.blogspot.de

In vielen Fällen besteht ein besonderes Bedürfnis nach einer hochwertigeren Ernährung, so dass mit einem Anstieg der Lebensmittelkosten bei hohen Bedarfsgruppen zu rechnen ist. Doch auch bei niedrigen Bedarfsgruppen kann es zu hohen Lebensmittelaufwendungen kommen, weil Leistungserbringer ihre leistungsfähigeren Bewohner darin unterstützten, sich verstärkt selbst zu versorgen. Dies ist leider nicht weiter ergründet worden.

Doch es zeigt sich, dass es eine Korrelation gibt zwischen Bedarfsgruppe und täglichem Lebensmittel-Aufwand. Diese Korrelation ist sehr vage, aber wie in der obigen Grafik dargestellt, ersichtlich.

Wie gesagt, diese Abfrage führte zu interessanten Erkenntnissen. Doch es ergaben sich daraufhin weitere Fragen, die leider nicht mehr verfolgt wurden. Im Endeffekt nahm man Abstand vom vorherrschenden Leistungs- und Vergütungssystem und führte das stundenbasierte / zeitbasierte Kalkulationsverfahren ein.

CGS





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