Sensationsjournalismus?
Lüstern und Neugierig?
Oder werden
Missstände aufgedeckt, die dringend zu beseitigen sind?
Reporter des Teams Wallraff sind als Praktikanten in verschiedenen
Einrichtungen für Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung immer
wieder einige Tage oder Wochen tätig und zeichnen Ereignisse auf, die einen
Zuschauer sprachlos machen. Sicherlich kann vieles vielleicht einseitig und
ohne Kenntnisse der Hintergründe zusammengestellt sein, man kann auch eine „reißerische“
Aufmachung unterstellen. Und auch wenn es sehr wahrscheinlich Einzelfälle sind,
man sollte hinschauen.
Was gezeigt wird, ist eine Sammlung von Respektlosigkeiten,
Abwertungen, Schikanen und Missachtungen.
Ein Beispiel: In einer Wohnstätte für Senioren mit
geistiger Behinderung (Personenkreis nach § 53 SGB XII) scheint das Personal
sich laufend Zigarettenpausen zu gönnen und dabei seine Klienten und ihre
Bedürfnisse völlig zu ignorieren.
Fachlich gesprochen fällt auf, dass offenbar keinerlei Tagesstrukturierende
Maßnahmen geleistet werden. Diese Maßnahmen sollen eigentlich den behinderten Menschen
eine Struktur geben und ihnen eine Beschäftigung bieten, die sie ansonsten
nicht hätten. Solche Maßnahmen kommen immer dann infrage, wenn eine
Tagesförderung als Teilhabe am Arbeitsleben oder eine Beschäftigung in einer
WfbM nicht möglich sind. Doch in der Einrichtung kümmert sich das Personal
nicht um die Bewohner, oder wenn es das tut, dann eher geringschätzend und
strafend.
Nicht-fachlich gesprochen sieht man andere Dinge. Da kann
ein Bewohner anscheinend nach Meinung des Betreuers nicht „ordentlich“ trinken
und macht sich deswegen nass. Doch man kann auch sehen, dass die körperlichen
Einschränkungen dieses Menschen die eigentliche Ursache für das Verschütten des
Getränks sind. Der Betreuer nimmt es dagegen persönlich und bestraft den
behinderten Menschen mit „Entzug“.
Es wird ein „Erziehungsinstrument“ gebraucht, weil ein
Bewohner angeblich provoziert hat und mit Absicht in sein Bett urinierte. Die
Betreuer erklären der Praktikantin, dass der behinderte Mensch durchaus in der
Lage ist, seinen Urin zu halten. Hat er also vorsätzlich sein Bett eingenässt,
dann muss im der Aufenthalt im Snoezel-Room, einem Entspannungs-Raum, versagt
werden.
Weil der Rollstuhl eingenässt wurde, muss eine „Bestrafungsaktion“
durchgeführt werden. Der behinderte Mensch, möglicherweise ein Mensch mit einem
sehr hohen Hilfebedarf, muss sich in seinem abgedunkelten Zimmer alleine und
für Stunden sitzend aufhalten. Damit er nicht in sein Bett gehen kann, in dem
er seinen Mittagsschlaf halten würde, wird das Pflegebett hochgefahren.
Die Bestrafungsaktion dauert schon zwei Stunden. Der Mann
ist im Dunkeln alleine, und gleichzeitig sitzt in der Küche eine Betreuerin
herum und „befiehlt“ einer Bewohnerin leere Flaschen weg zu räumen.
Schon wieder lässt ein Bewohner etwas im Frühstücksraum
fallen – ob die Spastik oder ein Vorsatz dafür Ursache waren? Der Betreuer
unterstützt den Menschen nicht beim Aufheben, sondern er bleibt neben ihm
aufrecht stehen und verlangt, dass der Bewohner das Fallengelassene wieder
aufhebt. Ein demütigendes Verhalten.
An einem Sonntag sind anscheinend drei „Fachkräfte“ im
Einsatz, die bei schönem Wetter alle gleichzeitig eine Raucherpause einlegen.
Die Praktikantin, die sich nun mit einer Bewohnerin beschäftigt, hört ein
lautes Rufen und findet einen Bewohner, der auf das WC muss. Weil sie
anscheinend nicht unterstützen darf, rennt sie zu den rauchenden Betreuern auf
der Terrasse. Man reagiert gelassen und lässt es darauf ankommen, dass sich der
Mann beschmutzt.
In der Spätschicht muss ein Betreuer einen Bewohner, der
sich in die Hose gemacht hat, reinigen. Die Arbeit stellt mit Sicherheit eine persönliche
Herausforderung dar, doch nun lässt der Mann seine Frustrationen heraus und schreit
den Bewohner an. Man fragt sich, wie es dazu kommen kann – warum passiert eine
solche beleidigende Handlung?
Immer wieder zeigt die Journalistin, dass die Betreuer
auf der Terrasse eine rauchen sind oder sich demütigend und abschätzig
gegenüber den Bewohner verhalten. Eine Psychologin, die Supervision als
Reflexion für solche Betreuungskräfte anbietet, ist betroffen und
meint, dass hier eine Abwertung stattfindet. Ein Fachmann für Pflege-Leistungen
zeigt sich entsetzt über die Demütigungen. Man ist sprachlos über die gezeigten
Missachtungen und ständigen Aggressivität bei den Betreuern. Es fehlt jede
Empathie. Fachkompetenz scheint nicht vorhanden zu sein. Doch man fragt sich
auch, warum die Betreuungskräfte so reagieren – handeln diese aus eigener
Hilflosigkeit heraus?
Die weiteren Hintergründe werden leider nicht aufgedeckt.
Die mit diesen Ergebnissen konfrontierten Geschäftsführungen zeigten sich „überrascht“
oder schockiert – im Falle der Wohnstätte schaltete der betroffene Träger der
Einrichtung die zuständige Prüfbehörde ein. Diese „begleitete“ daraufhin sehr
eng „beratend“ die Einrichtung, doch auch die Staatsanwaltschaft nahm die
Ermittlungen auf, weil der Verdacht auf Misshandlung von Schutzbefohlenen bestand.
Was weiter passiert ist, bleibt derzeit noch unbekannt.
Die Diskussion ist nun im Gange, was sich für alle übrigen Leistungserbringer
mit Sicherheit ebenfalls auswirken wird / könnte.
CGS
Quellen:
RTL Fernsehen, Sendung vom 20.2.2017:
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