Dienstag, 21. Februar 2017

Das Team Wallraff recherchiert auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe (Teil 2)

Der Tag danach – für die drei Träger, aber auch die gezeigten Menschen in den Aufnahmen ein Desaster, ein Spießrutenlauf – die Chance auf einen Neuanfang? Reporter des Teams Wallraff waren unterwegs in verschiedenen Einrichtungen für Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung. Was sie dabei aufzeichneten und am 20.2.2017 auf dem Sender RTL zeigten, ist nun für viele ein Schrecken. Doch es zeigt sich nicht nur Empörung, es gibt auch Kritik.

Es gibt auch Kritik am Beitrag selber. Anscheinend wurde eine Schule für behinderte Kinder im in der Region Steinhöring/Erding ebenfalls vom Team Wallraff besucht. Die dort als Praktikantin aufgetretene Journalistin soll sich dabei sehr aufdringlich und neugierig verhalten haben, so dass die dort tätigen Fachkräfte sie zurückgewiesen hatten – eine ähnliche Szene gab es im Beitrag über die eine Werkstatt, so dass man durchaus ein Fehlverhalten der Journalistin vermuten kann.

Nachdem dann ein Fragenkatalog bei der Schulleitung einging, wurde schnell klar, dass hier eine Art Undercover-Journalistin etwas aufzudecken versuchte. Rückfragen bei den Mitarbeitern offenbarten wohl das eigentümliche Verhalten der als „Praktikantin“ getarnten Frau. Man berichtete, dass sie „den Unterricht durch unentwegtes Nachfragen gestört“ hatte und dafür (übertrieben) zu Recht gewiesen wurde. Wenn so eine Szene vielleicht gefilmt wurde, könnte man als TV-Zuschauer die falschen Schlüsse ziehen, weil man nicht sieht, warum dies geschehen ist.

Man entschied, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und Elternschaft wie auch Mitarbeiter umfassend zu informieren. Die daraufhin entstandene Diskussion zeigte ein hohes Maß an Vertrauen in die Arbeit der Schulleitung und auch Verständnis für die teils sehr schwierige Arbeit der Fachkräfte mit den behinderten Menschen. Es wurde angemerkt von der Elternbeiratsvorsitzenden, dass es in der Betreuung „immer wieder zu unschönen Situationen“ kommen kann. So müsste eine behinderte Tochter beispielsweise zum Trinken „gezwungen“ werden, damit das „Mädchen wegen der Medikamente“ keine Vergiftung erleide. Auch über das Festhalten von behinderten Schülern wurde gesprochen, was ohne weitere Hintergrund-Information durchaus missverstanden werden kann.

Der Beitrag über die Schule für behinderte Kinder in der Region Steinhöring/Erding wurde nicht gezeigt, vielleicht weil man seitens des Senders Bedenken über die Qualität und Aussagekraft der Filmaufnahmen hatte. Allerdings ist, mal davon abgesehen, kritisch zu hinterfragen, warum der Fernsehsender RTL / das Team Wallraff im Fall der Werkstatt in Leverkusen erst im Januar 2017 mit einem Fragebogen die Geschäftsführung auf die Vorfälle vom Dezember 2015 aufmerksam machte. Möglicherweise wollte man Zeit vergehen lassen, um noch einmal zu sehen, ob hier ein permanentes  Fehlverhalten vorliegen könnte. Und im Fall der Wohneinrichtung in Speyer wehrt sich der Träger, weil durch die Ausstrahlung die Privatsphäre der Bewohner verletzt worden sei. Man verweist zudem darauf, dass man bereits mit der zuständigen Prüfbehörde alle Punkte der Vorwürfe abgearbeitet hätte. Diese gibt bekannt, dass man zu keinem Zeitpunkt die Vorwürfe „bestätigt“ gesehen hat – nicht gerade vertrauensstärkend angesichts der jetzigen Entdeckungen. Doch dann darf man sich fragen, warum um 12 Uhr 07 in den örtlichen Nachrichten zu lesen ist, dass vier von elf Mitarbeitern freigestellt wurden (die Vorstufe zur Kündigung und dem möglichen Berufsverbot).

Was bleibt, sind dennoch Eindrücke, die nun ausgeräumt werden müssen. Hierzu sollte man sich selbst Fragen stellen, sei es als Geschäftsführung eines solchen Trägers, als Mitarbeiter, aber auch als Angehöriger. Es geht um die Ergebnisqualität - und die war bei diesen drei gezeigten Trägern (vermutlich) mangelhaft.

Was tun? Was besser machen?


CGS




Quellen:

Artikel: Behinderte Menschen heimlich für „Team Wallraff“ gefilmt
Geschrieben von: Timo Aichele, Erdinger Anzeiger
zuletzt aufgerufen am 21.2.2017
  
Artikel: Schwere Vorwürfe gegen Lebenshilfe
Geschrieben von: Rebecca Ditt, Die Rheinpfalz
zuletzt aufgerufen am 21.2.2017

Artikel: SPEYER-TICKER Aktualisiert - Speyer: 
Lebenshilfe entschuldigt sich und stellt Mitarbeiter frei
Dienstag, 21. Februar 2017 - 12:07 Uhr
zuletzt aufgerufen am 21.2.2017
  
Meldung: Lebenshilfe zu "Team Wallraff": Die dort gezeigten Übergriffe widersprechen all unseren Werten
Veröffentlicht von der Bundesvereinigung der Lebenshilfe
zuletzt aufgerufen am 21.2.2017

Pressemitteilung der Lebenshilfe - Werkstätten Leverkusen / Rhein-Berg gGmbH vom 21.1.2017
zuletzt aufgerufen am 21.2.2017

RTL Fernsehen, Sendung vom 20.2.2017:





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