Es gibt Fragen, die
wohl in vielen Familien sehr viel Zeit beanspruchen und Ressourcen binden.
Damit meinte ich zuletzt eigentlich nur die Fragen um die Beschulung:
Regelschule oder Förderschule. Doch es gibt noch weitere Problemfelder, mit
denen sich Eltern behinderter Schulkinder „quälen“ müssen – ausgerechnet die leistungserbringenden
Dienste, also diejenigen, die eigentlich unterstützen sollen, haben manchmal
ganz komische Ansichten.
Für alles gibt es eine Lösung.
Eine große Hilfe für behinderte Kinder und ihre Eltern
sind Schulbegleiter, manchmal auch bekannt als Integrationsassistenten,
Schulhelfer oder Integrationshelfer. Im folgenden Beitrag geht es aber nicht um
Assistenzkräfte an Förderschulen und auch nicht um Schulassistenten an
Regelschulen (diese sollen z.B. nicht für ein einzelnes Kind zuständig sein).
Finanziert wird der Einsatz von Schulbegleitern aus
Mitteln der Eingliederungshilfe, wobei die Kosten je nach Zuständigkeit von der
Jugendhilfe (§ 35 a SGB VIII) oder der Sozialhilfe (§ 53 SGB XII) getragen
werden.
Die
Voraussetzungen für ein Gelingen
Schulbegleiter sollen mindestens sozial erfahrene
Personen sein. Das bedeutet, eine besondere, berufliche Ausbildung wird in der
Regel nicht benötigt. Grund dafür ist, auf Seiten der öffentlichen Verwaltung
bzw. der Kommunen als Träger der Eingliederungshilfe (Leistungsträger) erwartet
man fast nie einen hohen Hilfebedarf. Kinder, die einen hohen Bedarf hätten,
würden sowieso auf die Förderschule gehen und keine Regelschule besuchen.
Demzufolge geht man von sehr geringen Anforderungen aus. Im Einzelfall kann es aber
dagegen so sein, dass tatsächlich ein erhöhter Bedarf vorliegt, so dass dann
eine bestimmte fachliche Eignung benötigt wird – z.B. bei einem bestimmten
Pflegebedarf.
Schulbegleiter sollen stets dabei sein, wenn das Kind
sich durch den Schulalltag bewegen muss. In manchen Leistungsvereinbarungen
zwischen dem Dienst (Leistungserbringer) und dem Träger der Eingliederungshilfe
steht, dass die Leistungserbringung „in Absprache mit der Schule“ erfolgen soll.
Damit ist jetzt aber nicht gemeint, dass die Schule über die Inhalte der
eigentlichen Leistungen des Schulbegleiters bestimmen kann. Es geht hier
vielmehr um die Arbeit vor Ort, also in der Klasse und was zu tun ist, wenn
sich andere Kinder mit Hilfeersuchen an die erwachsene Begleitungskraft wenden.
Weiterhin kann sich die Regelung darin finden, dass die Leistungserbringung
„ohne zeitliche Unterbrechung“ vorgenommen wird. Natürlich dürfen und müssen
Schulbegleiter Pausen einlegen, doch man wünscht sich, dass die
Begleitungsarbeit nicht unterbrochen wird wegen einer Pause.
Bei der Leistungsvereinbarung handelt es sich um eine
vertragsähnliche Grundlage, welche die zu leistende Arbeit konkretisiert. Darin
sind die „wesentlichen Leistungsmerkmale“ der Tätigkeit für einen bestimmten
Personenkreis festgelegt. Es geht aber nicht um eine Auflistung aller
Leistungen einer Schulbegleitung für ein bestimmtes Kind, sondern es geht um
die Einzelleistungen von Schulbegleitungen des jeweiligen Leistungserbringers
(vgl. § 76 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 54 SGB XII).
Im Wesentlichen geht es um folgende Einzelleistungen
(Inhalte):
- Schulbegleitung im Unterricht
- Pausenbegleitung
- Schulwegbegleitung / -abholung
- Unterstützung bei pflegerischem Bedarf
- Hilfen bei fremd- und eigengefährdendem Verhalten
- Hilfen bei sozialen Interaktionen und Interpretationen
Es kann dann auch noch die Aufteilung geben in einen Teil
„Grundleistung“ und einen weiteren Teil „Zielleistungen / Zielvereinbarungen“.
Mit letzterem wären individuelle Teilhabeziele gemeint, mit denen eine
zielgerichtete Entwicklung und Förderung stattfinden soll. Doch weil es sich hier
um eine Leistung handelt, die in den Kernbereich der pädagogischen Arbeit fällt,
muss sie klar ausgeklammert werden.
Schulbegleiter sind in jedem Fall keine zweiten
Lehrkräfte. Sie unterstützen in manchen Fällen bei der Kommunikation zwischen
Lehrer und Kind. Und manchmal ist es hilfreich, wenn die Aufmerksamkeit des
Kindes sozusagen „gelenkt“ wird, damit eine Konzentration möglich ist und
Störungen, die zu einer Reizüberflutung führen, vermieden werden. Was aber ganz
wichtig ist, ist die Entwicklung einer Vertrauensstellung, so dass sich für das
Kind eine Schutzzone in Stresssituationen ergibt.
Eine besondere
Vertrauensstellung
Gute Schulbegleiter müssen dennoch eine professionelle
Distanz zum Kind bewahren. Es soll zwar eine Einflussnahme möglich sein, doch
diese findet eben nur zielgerichtet statt. Hin und wieder berichten Eltern allerdings
von Ereignissen, die beunruhigen können – zwei Beispiele:
Eine Begleitung
versuchte dem Kind einen Schulwechsel einzureden. Nachdem die Eltern ein
solches Verhalten rügten und sogar einen Trägerwechsel überlegten, wendete sich
die Schulbegleitung an die Schulleitung.
Eine andere Begleitungskraft
wollte in der Schulpause nicht gestört werden und verweigerte die
Begleitungsarbeit.
Schulbegleiter müssen viel Verständnis und Geduld
aufbringen, damit sich die Kinder mit ihren Besonderheiten nicht unterdrückt,
heraus- und überfordert fühlen. Sie müssen Abstand halten und doch ansprechbar
bleiben, damit das Kind aus dem Randbereich der Gemeinschaft abgeholt wird. Nur
so kann eine Inklusion im Sozialraum Schule entstehen und andere Kinder könnten
dem Kind benötigte Hilfen geben.
Wie auch in sehr vielen anderen Berufen: Gutes Personal
ist zuverlässig, vertrauensvoll und verhält sich wertschätzend – aber nicht nur
gegenüber Erwachsenen, sondern ganz besonders gegenüber den Kindern.
Gutes Personal zu finden, ist aber nicht ganz einfach. Gerade dann, wenn die großen
Sommerferien sich dem Ende zuneigen, kann die Auswahl an Bewerbern für diese
Tätigkeit sehr mager ausfallen. Man nimmt, was verfügbar ist – und muss
notfalls seitens der übergeordneten Leitungsebene (Bereichsleitung) mit
Qualifizierungsmaßnahmen steuern.
Ebenso wichtig sind neben einer guten Einarbeitung,
Planungs- und Konzeptionsgesprächen (Konzeptarbeit), Fall- und
Dienstbesprechungen und sogar die Supervision.
Unterschiedliche
Interessen
Während für die Eltern das
Wohlbefinden des Kindes im Vordergrund steht (manchmal vielleicht ein wenig
„überbetont“), sehen Schulbegleiter ihren Erziehungs- und Begleitungsauftrag.
Sie werden Teil des Schulalltags, dürfen aber jetzt nicht zu Lehrkräften
mutieren.
Die den Schulbegleitern
übergeordnete Ebene, die Bereichsleitungen, sehen dagegen häufig nur die
eigenen Strukturen, Ressourcen und Prozesse. Als Organisation und
Leistungserbringer unterliegen sie in erster Linie einer Leistungsvereinbarung,
welche Grundlage ist für die zu zahlende Vergütung. In Koordinierungsgesprächen
zwischen Schulträgern, Jugendhilfe und Eingliederungshilfe ergeben sich
vielfach weitere „Rahmenbedingungen“, die den Eltern aber völlig unbekannt
sind.
Das alles bedeutet noch lange
keine Personenzentrierung bzw. Zentrierung auf die individuellen Bedarfe des
Kindes. Hilfreich wäre es, hierüber Gespräche insbesondere mit den Eltern zu
führen, damit sich auch bei diesen ein Verständnis entwickeln kann und so alle
Beteiligten vertrauensvoll und zusammen zum Wohl des Kindes arbeiten. Fehlt
dagegen eine solche Grundlage, sollte es nicht überraschen, dass Eltern sich
irritiert zeigen bei einem Wechsel in der begleitenden Person.
Für den Wechsel gibt es
meistens einen dieser Gründe:
Persönliche Gründe,
z.B. die Schulbegleitung wünscht eine Veränderung. In diesen Fällen erübrigt
sich jeglicher Interventionsversuch. Gegen den freien Willen kann man nicht
argumentieren – man muss den Wechsel einfach hinnehmen.
Fachliche Gründe, z.B.
das Kind erhält nicht die Leistungen, die es wirklich braucht. In diesen Fällen
muss nicht nur eingegriffen und sofort Abhilfe geschaffen werden, es sind unter
Umständen sogar die Aufsichtsführenden Stellen zu benachrichtigen und ein
Trägerwechsel anzustreben.
Organisatorische Gründe,
z.B. wird an anderer Stelle dieser Schulbegleiter „dringender“ benötigt. Hier
muss eine Aussprache stattfinden, damit auf Seiten der Eltern ein Verständnis
entsteht und beim Leistungserbringer eine stärkere Berücksichtigung der
Hilfebedarfe erfolgt. Leidtragender ist ansonsten das Kind.
Bei dem Letztgenannten handelt es sich um institutsorientierte, einrichtungsbezogene Interessen,
die nichts mit dem Bedarf des Kindes zu tun haben. Solche Interessen sollen
nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gelten. Maßgebend sind die Besonderheiten
des Einzelfalls (§ 9 Abs. 1 SGB XII), was bedeutet, dass sich die Menschen
mit Einschränkungen nicht dem Angebot anpassen, sondern sich das Angebot auf
die Bedarfe der Menschen ausrichtet.
Ein Beispiel:
Die Bereichsleitung wünscht sich vielleicht ein Team für den
Grundschulbereich und ein zweites Team für die Sekundarstufe. Innerhalb der
jeweiligen Teams kann effektiver eine Stellvertretung gelingen, so dass die
Arbeit zuverlässiger und sicherer erfolgen kann. Darüber hinaus sieht man in
einer guten Strukturierung der Ressourcen eine Erfüllung des
Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 75 Abs. 3 SGB XII, weil die
Leistungserbringung nicht mehr von einer bestimmten, einzelnen Person übernommen
wird.
Was nun fehlt, ist eine (instituts-) neutrale Interessen-Abwägung aus Sicht des Kindes.
Eine Arbeitsverteilung auf
mehrere Personen begegnet allerdings möglichen Beziehungs-Fallen. Gerade
wenn durch die Beziehungsarbeit eine besondere Vertrauensstellung entstanden
ist, können sich Abhängigkeiten ergeben, die wiederum zu weiteren Problemen
führen würden (siehe nochmal oben). Was also benötigt wird, ist eine „personenunabhängige“
Leistungserbringung.
Eltern und Leistungserbringer missverstehen einander – und was ist mit dem Kind?
Häufig wird die Begleitung
durch eine gut bekannte und als besonders vertrauensvoll erachtete Person gewünscht.
Dieses Vertrauensverhältnis bietet dem Kind eine Schutzzone. Besonders wenn
sich das vertraute Umfeld ändert, wie z.B. eine neue Klasse und der damit
einhergehende Verlust von Kontakten, entsteht Stress, der zu Unsicherheiten und
Ängsten führt. Erfolgt nun ein Wechsel der Begleitung, fehlt es an dieser
Schutzzone, so dass dann das Kind blockiert, vielleicht sogar ein aggressives Verhalten
zeigt, und sich zurückzieht, bis hin zur Isolation und Abschottung.
Stressfaktoren behindern ein
freies Lernen. Damit kein „Absturz“ passiert, klammern sich Eltern an das
Bekannte und Leistungserbringer sehen darin wiederum eine „Personenabhängigkeit“.
Wenn so ein Wechsel in der
Person der Schulbegleitung „von oben herab“ veranlasst wird, fühlen sich
besonders die Eltern eines Kindes mit (lebenslangen) Einschränkungen missachtet.
Statt nun auf der Sachebene über die Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen zu
sprechen (SWOT-Analyse), die mit dem Wechsel für das Kind verbunden sind, wird
eine Ausweichstrategie im Gespräch mit den Eltern verfolgt – dies passiert
unreflektiert und wirft kein gutes Licht auf die Fachlichkeit.
Wenn dann auch noch vom
Leistungserbringer selbst ein Trägerwechsel / Anbieterwechsel oder die
Inanspruchnahme des Persönliches Budget (§ 57 SGB XII) eingeworfen wird,
muss man von einem sehr gestörten Verhältnis ausgehen. Jeder Leistungserbringer
ist aufgrund der Leistungsvereinbarung verpflichtet, eine sicherstellende
Leistung zu erbringen im Auftrag des Staates (vgl. § 75 Abs. 3 SGB XII). Einen
Trägerwechsel anzusprechen, lässt an die Leistungsfähigkeit zweifeln.
Bei allem scheint eins völlig
vergessen worden zu sein: Was ist mit dem Kind?
Eltern / Sorgeberechtigte und
Leistungserbringer müssen zusammenfinden und eine gemeinsame Lösung erarbeiten.
Es geht nur um das Kind und seine Bedarfe. Gerade was die Erarbeitung einer
Vertrauensstellung anbelangt, muss die Bereichsleitung frühzeitig eine zweite
Person mit dem Kind bekannt machen, damit eine „Personenunabhängigkeit“ in der
Leistungserbringung geschehen kann. Über die Elternarbeit (Angehörigenarbeit), die leider eine
unbezahlte Nebenleistung darstellt, müssen die fachlichen Aspekte und die im
Gesetz verankerten Wirtschaftlichkeitsgebote mitgeteilt werden, damit sich ein
gemeinsames Verständnis und Anerkennung für die schwierige Arbeit entwickeln
kann.
Es muss aber eingesehen
werden, dass Eltern manchmal etwas überfordert sind und nicht wissen, was genau
und wie zu beantragen ist. Die Elternarbeit stellt also auch eine Form der
Beratung und Schulung dar, damit Eltern mehr über die Einschränkungen und
Fähigkeiten des Kindes erfahren.
CGS
P.S.
Am 27.9.2017 findet in
Hannover eine Fachtagung zum Thema "Kinder verantwortungsbewusst begleiten
und fördern – Wie Kooperation zwischen Jugendhilfe, Eingliederungshilfe und
Schule am Beispiel der Schulbegleitung gelingen kann!?"
Veranstaltet wird diese von verschiedenen Fachverbänden
und Hochschulen. Dazu eingeladen werden aber nicht nur Leistungserbringer bzw.
diejenigen Dienste, welche die Schulbegleitungen stellen. Die Veranstaltung
richtet sich insbesondere an die verschiedenen Leistungsträger (u.a. Jugendhilfe,
Eingliederungshilfe als Teil der Sozialhilfe), Schulträger, Schulverwaltungen und staatliche Aufsichten,
aber auch an Wissenschaft und Eltern.
Man möchte verschiedene Fragen klären und stellt dabei
die bereits gemachten Erfahrungen in der Praxis mit dem Pooling-Konzept bzw.
der gemeinsamen Inanspruchnahme von Teilhabeleistungen von mehreren Leistungsberechtigten
im Bereich Bildung in den Mittelpunkt der Diskussionen und Fachbeiträgen (§ 112
Abs. 4 SGB IX-E aus Bundesteilhabegesetz). Die Praxisbeiträge kommen dabei aus
Lübeck (Lübecker Modell), Hamburg und Hannover; vorgestellt wird eine
AFET-Expertise der Uni Bielefeld. Gerade weil die Schule Zentrum eines
Inklusiven Lernens sein soll, muss eine individuelle Förderung gelingen, die innerhalb
eines Gruppenangebots (Klasse) stattfinden soll.
Schulbegleitungen entwickeln sich zu multiprofessionellen
Helfern. Sie leisten keineswegs nur noch eine niedrigschwellige Begleitung.
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