Wie heißt es so
schön: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte (hier sind es tatsächlich
knapp 1.000).
Und mit Statistiken
hat man schön viel Material, um Bilder zu malen. Warum es jetzt zu diesem
Bildchen gekommen ist, hat seinen Grund in dem Geplänkel zum Auftakt von
Verhandlungen: der Haushalt muss konsolidiert werden, alle Bereiche müssen
etwas beitragen, die Kosten der Eingliederungshilfe sind einfach zu hoch.
Es geht im Folgenden nicht um die Manipulation von Statistiken, sondern den Versuch der Manipulation von Menschen in Verhandlungen.
Eine Statistik
zum Manipulieren des Gegenübers
Stellen Sie sich vor, Sie gehen in
Vergütungsverhandlungen. Sind Sie ein Leistungsträger, müssen Sie einen sehr
strapazierten Haushalt irgendwie hinbekommen. Sind Sie dagegen ein
Leistungserbringer, brauchen Sie dringend die Finanzmittel, um endlich
Strukturen zu sichern, Angebote zu unterbreiten und vielleicht auch notwendige
Fortbildungen bezahlt zu bekommen. Stellen Sie sich mal eine solche Szene vor
und wie die Verhandler der beiden Seiten einen ersten Aufschlag hinbekommen.
Erinnern Sie auch noch die frühere Statistik zu den Netto-Ausgaben
*) der Eingliederungshilfe? So ein kleines Bundesland wie Bremen hatte im
bundesdeutschen Vergleich den höchsten Betrag. Die Durchschnittsausgaben lagen im
Jahr 2016 bei 283 Euro pro Einwohner. Die anderen Stadtstaaten Hamburg und
Berlin wiesen dagegen „nur“ 231 Euro bzw. 224 Euro auf. In so einer Verhandlung
könnte nun die Behauptung gemacht werden, dass man sich hier wegbewegen muss
von derart hohen Netto-Ausgaben – und das wäre zuerst einmal durchaus
verständlich.
Für einen Leistungserbringer, der auf mehr Geld gehofft
hatte, kein guter Start.
Und dann folgt die zweite Behauptung: Das Bundesland hat
auch noch den höchsten Schuldenstand pro Einwohner zu ertragen – im Falle von
Bremen wären das satte 31.800 Euro pro Einwohner.
Für einen Leistungserbringer nunmehr das Aus für die
weiteren Verhandlungen. Mehr geht einfach nicht, ja es muss vielleicht sogar
etwas zurückgegeben werden (Stichwort „Gewinnrücklagen“ sind vorrangig
aufzuzehren), weil offenbar die Eingliederungshilfe im bundesdeutschen
Vergleich die teuerste ist und sogar den Schuldenberg (wenigstens „mit“-)
verursacht hat.
Manipulieren auf
dem Rücken der Menschen in der ständigen Notlage?
Die Verhandler könnten nachvollziehbar argumentieren, dass
weitere Vergütungssteigerungen nicht mehr gehen, weil der Haushalt aufgrund des
massiven Schuldenbergs gefährdet ist. Verständlich, aber gänzlich am Thema der
bedarfsorientierten Unterstützungsleistung für Menschen, die in einer ständigen
Notlage leben müssen, vorbei. Das ist zwar nicht wirklich die Absicht der
Leistungsträger, doch sie sehen einen teuren Fuhrpark, beste Büroausstattung
und so manche Bilanzposition, bei der man sich durchaus die Frage stellt nach
der echten Erforderlichkeit von Entgelt-Erhöhungen (Stichwort: Treber-Hilfe
Berlin).
Die Zahlen sprechen eigentlich für sich. Und doch ist es nicht
so, dass die Eingliederungshilfe (als Teil der Sozialhilfe) für einen solchen
Schuldenstand verantwortlich ist. Dafür ist dieser Mitteleinsatz wiederum zu
gering. Aus der Datenbank beim Statistischen Bundesamt erfährt man
beispielsweise, dass die Ausgaben im Bundesland Bremen bei insgesamt 192 Mio.
Euro gelegen haben im Jahr 2016. Wird diese Summe in Bezug gesetzt mit dem Gesamt-Haushalt in seiner damaligen Höhe von 5,2 Mrd. Euro, beträgt der Anteil der
Eingliederungshilfe nur magere 4 %.
Manipulationsversuchen begegnet man effektiv mit einem Wechsel der Perspektive. Wenn die Einleitung von Verhandlungen so begann,
dann darf man, wie ich finde, auch noch einen ganz anderen Vergleich wagen: den
mit dem Bruttoinlandsprodukt. In Bremen lag dieser im Jahr 2016 bei 47 Tsd.
Euro pro Einwohner. Die 283 Euro würden also ein knappes 1 % betragen von einem
solchen Leistungsvermögen, so dass man durchaus retournieren kann: „Hilfe für
notleidende Menschen kostet weniger als 1 Euro, und das ist schon zu viel?“.
Zurück zur Sache
Solche Zahlenspiele helfen einfach nicht weiter, weil
schließlich eine Lösung gefunden werden muss für die Menschen, die sich nicht
selbst helfen können. Natürlich muss die Erforderlichkeit immer in den Blick
genommen werden, doch bevor es um das Thema Wirtschaftlichkeit geht, müssen
erst einmal die Leistungen bestimmt werden. Erst dann geht es ums Geld.
Manipulationsversuche in Verhandlungen können zwar mit Gegen-Manipulationen sozusagen entkräftet werden, weil dann ein Patt entsteht und beide Seiten in einer Art Stellungskrieg ihre Ressourcen verschwenden dürfen. Doch bevor dies passiert, sollten sich alle Beteiligten zurück an den Verhandlungstisch begeben. Was nun die scheinbare Korrelation zwischen den hohen Netto-Ausgaben und dem Schuldenstand pro Person anbelangt, trifft auf die anderen Bundesländer nicht zu. In den Fällen von Bayern und Sachsen scheint die „Regel“ überhaupt nicht zu greifen. Damit endet die Spurensuche nach einer möglichen Beziehung zwischen den einen Ausgaben und dem Schuldenstand.
Korrelation heißt eben nicht Kausalität. Es wird andere
Dinge geben, die den Schuldenberg so gewaltig gemacht haben – Verhandlungen
über eine leistungsgerechte Vergütung sind es nicht. Man sollte sich wieder der
Sachfrage zuwenden und schauen, an welcher Stelle eine Steigerung nötig ist und
wo man vielleicht ein besseres Wirtschaften versuchen muss.
CGS
*) = Der Begriff „Netto-Ausgabe“ wird verwendet, weil die
Leistungen der Eingliederungshilfe teilweise aus anderen Mitteln oder
Sozialleistungsträgern erstattet werden müssen. Somit handelt es sich um die
Ausgaben der Eingliederungshilfe mit dem Zweck der Verhütung einer drohenden
Behinderung oder die Folgen einer solchen zu beseitigen bzw. zu mildern und
Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft einzugliedern. Diese Menschen
sollen dazu befähigt werden, ihr Leben weitgehend selbständig führen zu können.
Quellen:
Haushalte des Bundeslandes Bremen
Die Bilanz der bremischen Haushalte der Land und
Stadtgemeinde Bremen für das Jahr 2016 ergibt eine Summe an bereinigten
Ausgaben von 5,2 Mrd. Euro. Der Anteil der enthaltenen Sozialleistungen beläuft
sich auf knapp 1,1 Mrd. Euro; und darin wiederum ist enthalten ein Anteil für
Mittel der Eingliederungshilfe von 149 Mio. Euro (vgl. Haushaltsportrait
2016/2017, Stand Haushaltsentwurf, S. 10). Doch das sind Plan-Zahlen! An das
Statistische Bundesamt wurden dagegen Netto-Ausgaben von 192 Mio. Euro gemeldet
– deutlich mehr, als man geplant hatte.
Was an Mitteln verausgabt wird, ist tatsächlich relativ
gering. In der vorgenannten Unterlage wird zudem der Anteil der
Sozialleistungen insgesamt an den Primärausgaben zwischen 2017 mit 23 % und
1995 mit 17 % verglichen. Es hat zwar eine Steigerung beim Anteil gegeben, aber
von einer wirklichen „Korrelation“ kann man nicht sprechen. Verglichen mit den
Zinsausgaben des Bundeslandes, die 587 Mio. Euro ausmachen, sind die Mittel der
Eingliederungshilfe somit recht bescheiden ausgefallen.
Wikipedia: Liste der deutschen Städte nach
Bruttoinlandsprodukt
„Statistik -
Eingliederungshilfe pro Person in 2016“
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