Samstag, 16. März 2019

Stundensätze im Vergleich

Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde.

Wenn man aber mal verstehen möchte, was mit der Aussage „Wir sind es wert!“ gemeint ist, dann muss ein Vergleich her. Der Vergleich zu ganz anderen Berufsgruppen, die ja schließlich auch eine Ausbildung durchlaufen müssen und eine 38-, 39- oder 40-Stunden-Woche vereinbart haben, wäre zwar interessant, aber nicht wirklich hilfreich. Am besten ist es, man vergleich sich untereinander.

Wie sieht es eigentlich aus zwischen den beiden großen Tarifwerken, die mit vielen Warnstreiks und Demonstrationen für eine verbesserte „monetäre“ Wertschätzung verhandelt wurden? Und wie vergleichen sich diese Bezüge zum Mindestlohn?


Stundensätze

Tarifverträge sind eine gemeinsam verhandelte Grundlage für Arbeitsverhältnisse. Wie sich aber zeigt, können manche Werke sehr umfangreich ausfallen viele Unterschiede beinhalten. Monatsgehälter anhand der Entgelttabellen zu vergleichen, ist nur bedingt aussagekräftig, da sich diese Werte immer auf eine Vollzeitstelle beziehen. Beim TV-L gibt es landesbezirkliche Besonderheiten, weil man auf Basis einer Erhebung im Februar 2006 verschiedene Vollzeit-Wochenarbeitszeiten festgeschrieben hatte (dazu Abs. 2 im Anhang zu § 6). Und beim TV-AVH, einer Version des TVöD aus Hamburg, gibt es eine Besonderheit bei bestimmten Altersstufen und Entgeltgruppen sowie einen Kinder-Abschlag. Nicht zuletzt finden sich Unterschiede zwischen den Tarifgebieten West und Ost.

Um nun dennoch einen groben Vergleich vornehmen zu können, wurden die Tabellenentgelte von Nicht-Leitungskräften zu Stundensätzen gerechnet. Nicht eingerechnet wurden an dieser Stelle Anteile für eine Jahressonderzahlung oder sonstige zusätzliche Leistungen (z.B. Zulagen zum Ausgleich für besondere Formen der Arbeit, Zusatz-Urlaubstage für bestimmte Dienste).

Die ersten beiden Stufen sollen ein Grundentgelt darstellen, welches zu vereinbaren ist bei Berufsanfängern. Ab Stufe 3 werden die persönliche Erfahrung und die berufliche Entwicklung im Unternehmen honoriert. Wechselt man von einem tarifgebundenen Arbeitgeber zu einem anderen, soll es aber nicht zu einem „Verlust“ dieses Stufengewinns geben. Arbeitgeber sollen, wenn man es ihnen allerdings belegen kann, die bisherige Stufe beim alten Arbeitgeber übernehmen. Mit einer solchen Regelung möchte man der Falle von Ketten-Befristungen begegnen, doch die Arbeitnehmer müssen darauf hinwirken – das ist wichtig.

Im TV-L gibt es für die Beschäftigten des Pflegedienstes eine eigene Tabelle (Anlage C zum TV-L). Die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes erhalten dagegen ein Entgelt aus der allgemeinen Tabelle. Die Tabelle beginnt mit der Entgeltgruppe 1.

Im TVöD gibt es dagegen verschiedene Besondere Teile für einzelne Schwerpunkt-Tätigkeiten. Im Besonderen Teil „Betreuung“ (TVöD-B oder BT-B) finden sich die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes (SuE) wie auch die des Pflegedienstes. Die Entgelttabelle beginnt mit der Entgeltgruppe S2, in der sich „sozial erfahrene Personen“ wiederfinden würden.


Besserstellung

Auch wenn in vielerlei Hinsicht ein direkter Vergleich zwischen den Entgeltgruppen als schwierig erscheint, in den Entgeltgruppen S7 und S8 a/b des TVöD werden die Assistenzfachkräfte vergütet; also solche Mitarbeitenden, die eine fachbezogene Berufsausbildung über 3 Jahre vorweisen können. Beim TV-L werden ab der Entgeltgruppe 5 aufwärts Beschäftigte mit einer Fachausbildung vergütet bzw. solche, die eine sehr umfangreiche fachbezogene Zusatzausbildung erfolgreich absolviert hatten (z.B. 640 Stunden), im TVöD wäre dies „erst“ bei der Entgeltgruppe S7 – die beiden anderen Entgeltgruppen sind nicht besetzt, aber es kann landesbezirkliche Ausnahmen geben.

Man kann aber schon so sehen, dass die Stufenentwicklung im Bereich des TVöD deutlich höher vergütet wird ggü. dem TV-L. Während noch der Abstand bei den unteren Stufen in einem guten einstelligen Prozentbereich liegt, beträgt der Abstand in Stufe 6 bereits deutliche 11 bis 24 % (was die Entgeltgruppen S2 und 2 angeht, beträgt der Abstand weniger als 1 %).


Ein Vergleich

Wenn man solche Stundensätze zum Mindestlohn vergleicht (oder auch zu dem in der Pflege), zeigen sich deutliche Abweichungen. Bei hoher Unerfahrenheit würde zum Mindestlohn von 9,19 Euro der Abstand zum TV-L mindestens 2,18 Euro und zum TVöD sogar 4,17 Euro pro Stunde betragen. Würde man eine soziale Erfahrung unterstellen mit einer (nicht-fachbezogenen) Berufsausbildung, würde der Abstand sogar bei 4,93 Euro bzw. 5,32 Euro liegen. Das ist viel.

Wenn man von einer Daueranstellung ausgeht und dabei die Jahressonderzahlung berücksichtigen möchte, ergeben sich weitere Zugewinne. Mitarbeitende eines ambulanten Dienstes würden im TV-L mindestens 12,27 Euro verdienen, im TVöD wären es schon 14,27 Euro. Im vollstationären Dienst kämen unter Umständen Zuschläge für besondere Formen der Arbeit (z.B. Nachtbereitschaften, Schichtdienste, Heimzulage) zum Tragen, die eine weitere Anhebung auf mindestens 12,51 Euro bzw. 14,87 Euro ausmachen würden.

Diese Besonderheiten gibt es nicht für die Mindestlöhne gem. MiLoG oder PflegeArbbV. Von daher lohnt sich die Arbeit bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber – hinzukommt, dass das Thema Mindestlohn für tarifgebundene Arbeitgeber keine Rolle spielt. 

Was bei dem Ganzen für Leistungserbringer und Leistungsträger wichtig sein sollte, ist das Wahrnehmen der Unterschiede. In früheren Jahren sah man im TVöD eine Art „Leitwährung“. Schaut man sich die Besserstellung noch einmal an, kann dies nicht dazu führen, pauschal das relativ hohe Entgeltniveau des TVöD auch auf andere tarifgebundene Leistungserbringer zu übertragen. Es muss natürlich differenziert werden, aber nicht nur hinsichtlich der Tarif-Bindung, sondern auch in Bezug auf die Form der Leistungserbringung (also: ambulant oder voll-stationär). 

Gleichzeitig bedeutet dies wiederum nicht, dass der TVöD als „unwirtschaftlich“ gilt. Der Grundsatz ist vielmehr der, dass tarifliche Entgelte als „wirtschaftlich“ anzusehen sind.

CGS





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