Freitag, 5. April 2019

Treuhänderische Verwaltung von Barbeträgen

Ist der Einrichtungsträger zur Verwahrung von Bewohnergeldern verpflichtet? – Diese Frage hatte ich mir schon vor längerer Zeit gestellt, weil sehr viele Menschen mit Behinderung in einer stationären Wohngruppe leben und dort umfassend betreut werden. Die Leistungserbringung kann (oder wird sogar grundsätzlich) dabei Geldangelegenheiten mit einbeziehen, wenn eine eigenständige Handhabung nicht möglich ist. In derartigen Fällen ist eine treuhänderische Verwahrung der Gelder durch die Leitung der Einrichtung erforderlich.

Das Thema ist überraschend komplex. Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) entsteht zusätzliche Bewegung, wobei sich an der Sache selbst nichts ändern wird. Auch wenn die Komplexleistung aus Eingliederungshilfe und Grundsicherung aufgetrennt wird und die Zahlungswege neu sortiert werden, die in den Einrichtungen lebenden Menschen (neudeutsch: „besondere Wohnformen“) brauchen nach wie vor einen Geldbetrag, um den „weiteren notwendigen Lebensunterhalt“ (§ 27 b Abs. 2 S. 1 SGB XII) bestreiten zu können.

Zugleich muss der Umgang mit Geld begleitet und betreut werden. Dies bedeutet aber nicht, dass zu den vereinbarten Leistungen die Vermögenssorge bzw. die Treuhandverwaltung des Vermögens des Bewohners zählt. Diese Arbeit ist eine andere Leistungserbringung, die mit einem separaten Vertrag geregelt sein muss. Folgerichtig braucht es eine Kontrolle durch eine zweite Ebene, um das 4-Augen-Prinzip einzuhalten für diese (wahrscheinlich unentgeltliche Zusatz-) Leistung.

Passiert an dieser Stelle nichts, ergibt sich ein Haftungsrisiko.

  
Was besondere Wohnformen mit dem Barbetrag zu tun haben

Bei dem Barbetrag handelt es sich um einen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe, mit dem ein Teil des Lebensunterhaltes abgedeckt werden soll (§ 27 b SGB XII). Es ist ein feststehender Geldbetrag *), der zu den Grundsicherungsleistungen gehört. Wenn Menschen vollstationär untergebracht sind und versorgt werden, wird die Grundsicherung Bestandteil der Vergütung an die Leistungserbringer mit Ausnahme dieses kleinen Anteils.

Im Vorwege zum Bundesteilhabegesetz (ganz zu Beginn mit dem Titel „Bundesleistungsgesetz“ versehen) debattierte man die Einführung eines „Bundesteilhabegelds“, um eine Wirtschaftskraft zu erzeugen. Stattdessen ersann man einen neuen Begriff für das vollstationäre Wohnen: „besondere Wohnformen“. Und folgerichtig eröffnete sich damit ein Zugang zu den Grundsicherungsleistungen mit den Regelbedarfen (Regelbedarfsätze als Geldleistungen). 

Mit der Klassifizierung als „besondere Wohnformen“ und der Trennung zwischen Fachleistung und Grundsicherung, müssen neue Verträge vereinbart werden zwischen den Einrichtungen und Diensten als Leistungserbringer und den leistungsberechtigten Menschen als Verbraucher. Nur so kann ein Leistungsträger seine Kostenübernahme erklären. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen verlangen es, auch wenn sich ansonsten an der Sache nichts ändert.


Den Umgang mit Geld fördern und regeln

Die Herausforderungen sind jedenfalls immens. Die Fachleistung „Eingliederungshilfe“ wird wie gesagt von der existenzsichernden Leistung „Grundsicherung“ getrennt. **)

In einer neuen Form der bisher bekannten Gesamtplankonferenz wird mit einem größeren Kreis an möglichen Leistungsträgern der individuelle Teilhabebedarf des „die Leistung begehrenden“ Antragsstellers bestimmt. Gleichzeitig will man prüfen, welche Gelder zur Verfügung stehen, damit am Ende noch ein Betrag für sonstige Bedarfe übrig bleibt, wie z.B. Hobby, Unterwäsche, Naschkram und Shampoo. Dieser Restbetrag wird in etwa dem bisherigen Barbetrag zur persönlichen Verfügung entsprechen. Die gesamten Grundsicherungsleistungen könnten direkt an den Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, damit dieser quasi frei verfügend seinen Lebensunterhalt bestreiten kann – halt so, wie jeder andere Bezieher von Grundsicherungsleistungen auch.

Wird das gehen? – Viele versuchen sich das jetzt vorzustellen und sehen da ein Problem, weil eben nicht jeder Mensch mit Geld umgehen kann. Wenn eine rechtliche Betreuung stattfindet, wird dieser Punkt wahrscheinlich in der Vermögenssorge geregelt sein. Aber so ganz sicher ist das nicht. Und es gibt noch immer sehr viele Betreute, die noch gar kein eigenes (Basis-) Konto bei einer Bank haben; in manchen Fällen erhalten die Angehörigen den Barbetrag.


Das Aufgabenfeld der Leistungserbringer

Der Umgang mit Geld ist eine Leistungserbringung, die sich in der jeweiligen Leistungsvereinbarung und / oder im IHP / Förderplan wiederfindet; also eine Aufgabe, die auf die Förderung des leistungsberechtigten Menschen abzielt. Keinesfalls ist damit die Vermögenssorge gemeint, wie es manchmal geglaubt wird. Die treuhänderische Verwahrung von Bewohner-Geldern ist erforderlich, ja sie geschieht zwingend, weil schließlich beim Einkauf unterstützt wird.

Es gibt hin und wieder Betreuer, die von der Heimleitung die Einrichtung eines Bankkontos für den Bewohner verlangen. Und bei sporadischen Besuchen wird so viel Geld mitgebracht, dass es zu einem offenen Gefahrenpunkt wird. Oder auch gar nicht – also gar keine Versorgung mit Geldmitteln, weil die „geistig Behinderten“ davon nichts verstehen würden, so eine etwas forsche und rüstige Elternbeirats-Person (vor etwa 10 Jahren bei einer Einrichtungsfeier). Und erfreulicherweise ganz umgekehrt erlebt man die Überbringung von „Haushaltsgeld“ bei regelmäßig stattfindenden Monats-Besuche von (Berufs-) Betreuern.

Während also der Umgang mit Geld im Beisein des Bewohners eine Leistung ist, die ihre Grundlage in der Leistungsvereinbarung bzw. IHP / Förderplan findet, braucht es für die treuhänderische Arbeit mit dem Bewohner-Geld einen Vertrag. In diesem Vertrag müssen die Beteiligten genannt werden (Treugeber des Geldes und Treuhänder) und was die Beteiligten machen sollen (z.B. Verwahrung, mit Barmitteln etwas tun, Rechenschaft ablegen und über den Barbestand berichten).

Mit dem Vermögen kann etwas passieren, das so nicht gewollt war. Wer haftet und in welchem Umfang? Und wird der Treuhänder vom Treugeber für diese Arbeit vergütet?


Die Treuhandverwaltung als eine andere Leistungserbringung

Die Verwaltung eines Treuhandvermögens gehört eigentlich nicht zu den Fachleistungen, immerhin gibt es dafür die rechtlichen Betreuer. In einem gewissen Umfang muss es jedoch hingenommen werden, dass ein Leistungserbringer Ressourcen für diese Tätigkeit einsetzt, da die Förderung des Umgangs mit dem Geld wiederum zu den Fachleistungen gehört. Die Abgrenzung ist schwierig, aber sie muss beachtet werden, damit keine zweckfremde Aktivität sich entfaltet.

Weil die Heimleitung vielleicht zu sehr mit der Frage konfrontiert ist, wie mit Treuhandvermögen umzugehen ist (Zugriffsbeschränkungen, Kassenverwaltung), muss eigentlich die übergeordnete Leitungsebene (Bereichsleitung) hier maßregelnd und sogar kontrollierend eingreifen.

Dieser Punkt kann allerdings von einer Verwaltungsstelle viel besser übernommen werden (Interne Revision); gerade bei Fehlern in der Kassenführung, können Leute mit Erfahrung in der Belegkontrolle und Buchhaltung schnell bei der Aufklärung helfen. Die Verwaltung sollte ohnehin mehr involviert sein und prüfen, damit ggf. ein ausreichender Versicherungsschutz für das Haftungsrisiko vorhanden ist und das bei Geldsachen erforderliche „4-Augen-Prinzip“ eingehalten wird (Control Risk, Inherent Risk). Ebenso müssen besondere Maßnahmen eingeleitet werden, um das Kontroll-Risiko als Teil des betrieblichen Risiko-Managements zu verringern. ***)

Ein Fehlbetrag ist nicht nur ärgerlich für die Person, der das Geld gehört. So ein Fehler zerstört das Vertrauen in die gesamte Arbeit des Leistungserbringers. Zuerst könnte man denken, dass sich ein Treugeber (die leistungsberechtigte und nun enttäuschte Person) damit abfinden muss; ein Treuhänder hat schließlich nur aus zeitlicher Überforderung diesen Verlust verursacht – aus Vorsatz ist das doch nicht passiert. Von einer Wegnahme kann dennoch gesprochen werden, da gegen den Willen des Betroffenen eine Gewahrsamsaufhebung mit einer Gewahrsamsneubegründung stattgefunden hat (§ 242 f. StGB).

Und was es auch schon gegeben hat, ist der Versuch von Angehörigen, ihr eigenes Vermögen zu „parken“. Die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils oder das Sparen von Steuern ist noch keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung. Holen die Angehörigen das Vermögen zu einem späteren Zeitpunkt zurück, kann ein derartiges Verhalten als unangemessen bezeichnet werden (vgl. dazu § 42 Abs. 2 AO).

Es braucht eine geordnete Treuhandverwaltung.

CGS



*) = Der Barbetrag wird als ein „feststehender“ Geldbetrag zur Auszahlung gebracht, aber er unterliegt dem Grundsatz der Erforderlichkeit und könnte theoretisch auch in einer anderen Betragshöhe zur Auszahlung gelangen.

**) = Das bedeutet allerdings nicht, dass in jedem Fall Leistungen der Grundsicherung zur Auszahlung kommen. Wie bisher muss eine Anrechnung von anderen Einkünften, wie z.B. Werkstatt-Einkommen und Renten, vorrangig erfolgen, um den noch ungedeckten Bedarf festzustellen.

***) = Es liegen mir keine ausreichenden Vergleichsmöglichkeiten vor, dennoch vermute ich sehr stark, dass bei vielen Leistungserbringern ein erheblicher Mangel vorhanden ist. Aus eigener Erfahrung sind relativ hohe Fehlbeträge bei vielen Leitungskräften bekannt (etwa alle drei Jahre ein Fall im dreistelligen Bereich). Erst mit Hinzuziehung von Mitarbeitern der Buchhaltung oder Verwaltungsfachkräften konnten diese Risiken eingedämmt werden.




Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich reihum auf die Überschriften oder Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren.

Gibt es was zu meckern?

Schreiben Sie mir eine Email – Ihre Meinung hilft mir, meine Perspektive neu zu überdenken. Meine Email-Adresse finden Sie auf der Seite Über mich.

Wollen Sie Ihre Anonymität wahren, versuchen Sie es mit einem Wegwerf-Email-Dienst. Rechnen Sie aber damit, dass der übergeordnete Dienstanbieter diese blockiert. Die Kommentarfunktion wurde von mir ausgeschaltet, weil die Moderation sehr zeitaufwändig ist.


Treuhänderische Verwaltung von Barbeträgen