In einer
BSG-Entscheidung aus dem Jahr 2013 ging es um die Frage, ob Zeiten einer
erwerbsmäßigen Pflege berücksichtigt werden können in der gesetzlichen
Rentenversicherung, obwohl die Fristen zur Beantragung versäumt wurden und ein
Leistungsberechtigter innerhalb angemessener Fristen nicht nachgefragt hatte
bzw. nicht an die Erledigung seines Auskunftsersuchens erinnert hatte.
Warum aber nun ein
Thema für diesen Blog? – Weil sich gerade jüngst wieder zeigt, dass viele
Angehörige, die als rechtliche / gesetzliche Betreuer fungieren, einige Dinge
versäumt haben. Es könnte nun sein, dass man sich genau mit diesem
Rechtsinstitut befassen muss.
Ein behördliches Verfahren zurücksetzen in einen früheren
Zustand
Die Wiedereinsetzung in den
vorherigen Stand soll ein behördliches Verfahren zurücksetzen in einen früheren
Zustand, damit die neuen Erkenntnisse oder Sachgründe trotz Fristversäumnis
noch einmal gewürdigt werden können. Die Wiedereinsetzung kann dabei sehr wohl von
Amts wegen geschehen, also ohne vorangegangene Antragstellung durch die andere
Partei. In der Regel verlangen die vom
behördlichen Verwaltungsverfahren Betroffenen die Wiedereinsetzung und
stellen einen Antrag. Die Antragstellung auf Wiedereinsetzung muss allerdings
unverzüglich erfolgen, wenn die neuen Erkenntnisse oder Sachgründe bekannt
geworden sind bzw. das Hindernis, was zum Fristversäumnis geführt hat, beseitigt
wurde oder entfallen ist (Beispiel: Rückkehr aus dem mehrmonatige Urlaub und
Kenntnis über den Ablehnungsbescheid der Behörde).
Im Sozialrecht finden sich
Regelungen dazu in § 27 SGB X und in § 67 SGG (sogenanntes richterrechtliche
Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in den vorherigen Stand).
Eine Wiedereinsetzung ist eigentlich nur nach tatsächlicher Pflichtverletzung
eines Sozialleistungsträgers möglich (Beispiel: fehlende
Rechtsmittelbelehrung). Und es muss natürlich für den Betroffenen sich deswegen
ein Rechtsnachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts ergeben haben. Mit dem
Antrag auf Wiedereinsetzung soll dann eine neue Amtshandlung ermöglicht werden
(BSG-Urteil vom 10.12.2013 – B 13 R 91/11 R, siehe dazu Rd. Nr. 30).
Um eine Pflichtverletzung zu
begründen, muss zuerst einmal das Verfahren ermittelt werden. Ergibt sich daraus
schließlich die Pflichtverletzung (Beispiel: Beratungsmangel), muss eine
Verfahrensrüge ausgesprochen werden. Idealerweise geschieht dies durch ein Gericht,
damit eine spätere Instanz darauf aufbauen kann (Rd. Nr. 31).
Keine Verfolgung des Auskunftsersuchens
Im vorliegenden Fall hatte die
Klägerin (Betroffene) erklärt, sie hätte bereits in einem sehr viel früheren
Schreiben an die Beklagte (Sozialleistungsträger) um weitere Auskünfte gebeten,
aber keine Rückmeldungen erhalten. Das BSG schreibt dazu: "Bei
ordnungsgemäßer Behandlung ihres Auskunftsersuchens wäre die Beklagte
verpflichtet gewesen, auch zu sonstigen anerkennungsfähigen Zeiten im
Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt umfassend Auskunft zu geben und
dabei auf die Möglichkeiten der Beantragung beitragsloser
Berücksichtigungszeiten wegen Pflege hinzuweisen. Das LSG-Urteil enthält jedoch
keine Feststellungen dazu, dass diese Anfrage die Beklagte überhaupt erreicht
hat." (Rd. Nr. 32).
Von der untergeordneten Instanz
wurde lediglich der Vortrag darüber notiert, aber keine weitere
Tatsachenerhebung unternommen. Die Beklagte bestritt zwar den (postalischen)
Eingang des vorgetragenen früheren Auskunftsersuchens, aber es wurde nicht weiter
verfolgt – aus anderen Gründen.
Zwischenfazit:
1.
Anfragen und Anträge sind zu
dokumentieren. Dies sollte jetzt aber nicht immer mit einem Einschreiben als
Format erfolgen - das wäre sehr übertrieben, müsste aber im besonderen Fall
dennoch gemacht werden. Vielleicht reicht es aber auch, wenn die Übersendung
per Fax und per Email (zum Beispiel über eine Scan-Mail in der App) vorab
erfolgt?
2.
Es musst erinnert werden mit
Bezug auf das bereits übersandte, aber noch nicht endbearbeitete Schriftstück.
3.
Eine Beratung muss eingefordert
werden, die dann bei fortgesetztem Versäumnis, gerügt werden kann.
Das BSG unternahm dennoch einen
Versuch der Wiedereinsetzung, in dem es auf der Grundlage des vorgetragenen,
früheren Auskunftsersuchens eine Grundlage für das weitere Verfahren
herstellte. Eine (versäumte) umfassende Beratung hätte lediglich das Fehlen
eines Rechtsanspruchs zum damaligen Zeitpunkt erbracht, was somit keinen
Nachteil ergeben hätte. Ein auf die Zukunft gerichtetes Beraten wäre darüber hinaus
nicht möglich gewesen. Von daher wäre eine Wiedereinsetzung zu diesem
zurückliegenden Zeitpunkt nicht zielführend und hätte somit keine Verbesserung
gebracht.
Zumutbarkeit
Einem Betroffenen ist
zuzumuten, dass er seine Anfrage / Antrag wiederholt. Das BSG schreibt dazu:
"Ein Betroffener in solcher Lage hat Kenntnis von seinem
Informationsdefizit; ihm kann deshalb zugemutet werden, seine Anfrage in
angemessener Frist zu wiederholen, zumal er sein Beratungsbegehren gegenüber
der Behörde nötigenfalls prozessual durchsetzen kann (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1
RdNr 24; s auch Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch,
1992, S 514, der einen Herstellungsanspruch nur bejaht, wenn die versäumte
Frist "zwischenzeitlich" - also innerhalb der angemessenen Wartefrist
- abgelaufen ist)." (Rd. Nr. 36)
Von daher muss man sagen, dass
immer sehr offensiv vorangegangen werden muss bei einer vermissten Rückmeldung
seitens eines Sozialleistungsträgers.
CGS
Quellen:
BSG-Urteil vom 10.12.2013 – B
13 R 91/11 R
Das hier war und ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Bitte wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozialverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie aber auch die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.
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Notizen zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand