Bei einigen
leistungsberechtigten Personen gab es trotz rechtzeitigem Antrag keine
Auszahlung von Grundsicherungsleistungen. Bei anderen wollten sich Leistungserbringer
zu Treuhandanstalten machen und die Gelder der Bewohner verwahren. Was nun
genau passiert, wird sich erst in den kommenden Wochen so einigermaßen zeigen.
Doch schon jetzt kann man sehen, dass die neue Gesetzeslage zu herausfordernd
ist.
Einige Neuerungen
gibt es mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz, aber auch Altbekannte Probleme
mit den Begriffen. In der Tarifgemeinschaft deutscher Länder gibt es einen
neuen Tarifbereich speziell für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.
Von daher ist mit vielen weiteren Fragen aus dem Metier zu rechnen.
Und nach wie vor
taucht das Gespenst der „Umsatzsteuer“ auf. Weil man vor einem Monat eine
Verständigung erreicht hatte, glauben nun sehr viele, dass es nicht dazu kommen
wird. Das kann fatal sein, wenn es denn doch so sein muss. Aber auch in
zukünftigen Vergütungsverhandlungen oder Preis-Erhöhungen braucht es gute
Kalkulationsgrundlagen.
Grundsicherung ab jetzt – oder doch nicht?
Mit dem Neuen Jahr besteht die
Vergütung für ein stationäres Wohnen (vollstationäre Einrichtungen und
Wohnstätte) nicht mehr aus den drei Komponenten Maßnahmepauschale,
Grundpauschale und Investitionsbetrag, sondern es gibt jetzt Gelder über andere
Wege. Für viele Beobachter ist es so eine Art „linke Tasche, rechte Tasche“-Spiel.
Aber tatsächlich wird ein System der sozialen Hilfen einheitlicher angewendet
und die Menschen mit einem Hilfebedarf werden zu Wirtschaftssubjekten gemacht.
Sie sollen sich ihre Leistungen selbst zusammenkaufen und damit selbstbestimmter
werden. In einigen Fällen ist das natürlich nicht möglich, aber es gibt sehr
viele Leistungsberechtigte, die hier etwas dazugewinnen können.
Es hätte wahrscheinlich schon
jetzt, am Monatsanfang, einen Geldfluss geben müssen von den Bank-Konten der
Leistungsberechtigten und hin zu den Leistungserbringern; schließlich müssen
die ja ihren Ressourcen-Einsatz auch irgendwie bezahlen. Die Grundsicherung
deckt aber nicht den gesamten Teil des Lebensunterhalts. Vielmehr soll die
Differenz aus den persönlichen Einkünften und dem Lebensunterhalt (inkl. des
individuellen Mehrbedarfs) gezahlt werden.
Nur an wen wird ausgezahlt? In
einigen Arbeitskreisen gab es die „Idee“, wonach die Grundsicherungsämter oder
die Rentenstellen Direktzahlungen vornehmen sollten an die Leistungserbringer.
Damit hätte man dem Sinn und Zweck des BTHG zuwider gehandelt, meiner Ansicht
nach, und sich, als Leistungserbringer, zu einer „Treuhandanstalt“ gemacht –
vermutlich sogar ohne Treuhandvereinbarung.
In Hamburg wiederum zeigte sich
eine Vielzahl an noch nicht bearbeiteten Anträgen auf Leistungen aus der
Grundsicherung. Zwar hatte die zuständige (oberste) Behörde schnell und
transparent über dieses Problem gesprochen, aber es gibt offenbar eine Anzahl
an Leistungsberechtigte, für die eine Umstellung auf das neue Leistungssystem gar
nicht stattgefunden hat – trotz anderslautender Meldungen.
Mittagessen in Werkstätten ist ein anerkannter
Mehrbedarf
Die Mittagsverpflegung in einer
Werkstatt oder einer Tagesförderstätte zählt jetzt nicht mehr zu den Leistungen
der Eingliederungshilfe. Ein leistungsberechtigter Mensch muss diese Kosten selbst
bezahlen – aus dem eigenen Portemonnaie. Aber wenn es bisher keinen Vertrag
gegeben hat zwischen Werkstatt / Tagesförderstätte und Leistungsberechtigten
(als Verbraucher), wie soll dann dieser Mehrbedarf gegenüber einem Sozialhilfeträger
begründet werden? Oder anders gefragt: Aus welchen Mitteln soll die Verpflegung
bezahlt werden?
Im BMAS-Rundschreiben vom
28.10.2019 wurde zum Thema „Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher
Mittagsverpflegung“ festgelegt, dass Kosten von 3,40 Euro pro Arbeitstag als
Mehrbedarf anerkannt werden (vgl. § 42b Abs. 2 S. 2 SGB XII-neu). Dazu, wie
gesagt, braucht es aber einen eigenen Vertrag. Eine Regelung in einem WBVG-Vertrag
mit einem Anteil für die Lebensmittelversorgung wäre demzufolge kein Tatbestand
für die Annahme eines berechtigten Mehrbedarfs (vgl. auch BT-Drucksache
18/9522, Seiten 213 und 327).
Weil es um einen Mehrbedarf
geht, der „pro Arbeitstag“ geleistet werden muss, wird es entweder ein deutlich
höheres Auskunftsersuchen von Behörden an die Werkstätten / Tagesförderstätten
geben, oder man pauschaliert. Die Sozialhilfeträger werden wahrscheinlich
wissen (und belegt haben) wollen, wie häufig eine Teilnahme an einer
Gemeinschaftsverpflegung stattgefunden hat und wie hoch die Zahl der
Arbeitstage pro Woche (unter Berücksichtigung von Schließzeiten) beträgt. Mit
der Pauschalregelung sind jedoch wirklich nur die üblichen Abwesenheiten
gedeckt, bei einer wesentlichen Änderung in den persönlichen Verhältnissen muss
der Leistungserbringer eine Mitteilung machen. Gibt es hier bereits ein
funktionierendes Berichtsverfahren oder eine Statistik über das „Übliche“?
Angehörigen-Entlastung und die Vermutungsregel
Der Angehörigen-Rückgriff
findet nur noch statt, wenn ein Jahreseinkommen die Grenze von 100.000 Euro
übersteigt – aber Achtung: Es gibt einen Begriffs-Wirrwarr.
Zum Beispiel wird in § 94 SGB
XII ein neuer Absatz 1a eingefügt mit dem Text:
„Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber
ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches
Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100
000 Euro (Jahreseinkommensgrenze).“
Dieser Begriff ist nicht
gleichzusetzen mit „Jahresbruttoeinkommen“ oder „steuerliches Einkommen“.
Leider passiert dieser Lapsus
nicht nur den Betroffenen-Verbänden (z.B. dem BVKM), sondern auch dem BMAS
(siehe hierzu auch: BMAS-Webseite
mit den Fragen und Antworten zum Angehörige-Entlastungsgesetz). Und ebenso
ist das dem Minister passiert mit der Begriffsverwechslung.
Warum es so kompliziert erscheint, hat etwas mit dem
Grundsatz der Leistungsfähigkeit zu tun. So manches Einkommen (noch besser ist
es aber, von Einnahmen zu sprechen) ist nämlich steuerlich privilegiert und
würde somit nicht unter den Begriff des Brutto-Einkommens fallen. Würde man
zudem nur auf das Brutto abzielen, blieben sämtliche Werbungskosten, die zu
diesen Einnahmen geführt haben, unberücksichtigt. Eine Person, die trotz hohem
Brutto ein vergleichsweise niedriges Netto erzielt, wäre dann
unterhaltspflichtig? Was für eine Entlastung wäre das wirklich?
Und dann soll eine Vermutungsregel greifen, bei der
ein Sozialhilfeträger annimmt, die Einkommensgrenze von 100.000 Euro wird nicht
überschritten. Erst wenn „hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten“ der
Einkommensgrenze vorliegen, sind weitere Angaben seitens der Leistungsberechtigten
bzw. der nach BGB unterhaltsverpflichteten Angehörigen vorzulegen (vgl. § 43
Abs. 3 S. 5 SGB XII und § 60 SGB I). Das LSG Niedersachsen-Bremen erkannte
jedenfalls den Sinn dieser Vermutungsregel darin, dass für die Verwaltung
eine „Handhabe … zur Verfügung [gestellt wird], um in offensichtlichen Fällen
von sehr hohen Einkommen nicht auf Kosten des Steuerzahlers eine
ungerechtfertigte Sozialleistung erbringen zu müssen (vgl. Schoch, in: LPK- GSiG,
§ 2, Rdnr 54)“ (Urteil vom 28.07.2011, Az. L 8 SO 10/09).
Wie sich aber zeigt, wird grundsätzlich vermutet von
Sozialhilfeträgern, die Angehörigen verfügen über ein hohes Einkommen. Man soll als Unterhaltsverpflichteter also immer entsprechende
Nachweise vorlegen, wie berichtet wird. Ist eine solche
Handlungsweise verhältnismäßig und angemessen?
Der Sozial- und Erziehungsdienst im TV-L
In diesem Tarif hat es, genauso
wie zuvor im TVÖD, eine Überleitung gegeben in einen eigenen besonderen
Tarifbereich. Die Grundlage dafür wurde im letzten Tarifabschluss für 2019
gelegt, nur waren seinerzeit die redaktionellen Verhandlungen nicht
abgeschlossen. Die Beschäftigen des Sozial- und Erziehungsdienstes werden nach
Erhöhung der Entgelte zum 1. Januar 2020 aus der allgemeinen Entgelttabelle in
der Anlage B zum TV-L übergeleitet in eine eigene Tabelle des Sozial- und
Erziehungsdienstes (S-Tabelle).
Ein wichtiger Punkt hierbei ist
natürlich die Zuordnung einer Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe. Aber auch die
Einstufung aufgrund der verbrachten Zeit in der bisherigen Entgeltgruppe bzw.
die langjährige Berufserfahrung.
Zu den Tätigkeitsmerkmalen, vergleiche die Beschäftigungsmerkmale
hier: Anlage
A des TV-L (Seite 208 f.)
Die Umsatzsteuer steuert noch immer
Zu guter Letzt zeigt sich das
Thema „Umsatzsteuer“ immer wieder. Es sollte für „den Fall des Falles“ vorgesorgt
werden, um angefallene Umsätze im Bereich des Lebensunterhaltes nachträglich
mit einem Steuersatz zu berechnen.
Ein pauschales Vorgehen wäre
natürlich möglich, ideal wäre es dagegen, wenn die steuerrelevanten
Aufwandskonten rückwirkend und bezogen auf die Einzelbuchungen befreit wären von
der Vorsteuer in der Eingangsrechnung. Dieser kann bei Lebensmitteln durchaus 7
%, 10,7 % oder auch 19 % ausmachen. Von daher sollten die Eingangsrechnungen
auf entsprechende Aufwandskonten oder mit einem speziellen Steuerschlüssel
gebucht werden – der Steuerschlüssel könnte jetzt natürlich „0 %“ ausmachen.
Den Kontenplan ändern. Für neue
Konten sorgen, mit denen zwischen dem Bereich der Fachleistung und dem
Lebensunterhalt unterschieden werden kann. Das bedeutet weiterhin, dass jede
Eingangsrechnung gekennzeichnet werden muss, zu welchem Leistungsbereich sie
gehört, damit eine korrekte Zuordnung zu den neuen Konten geschehen kann. Macht
man es sich einfach und bucht alles zur Fachleistung, kann bei späteren
Verhandlungen über eine Anpassung von Vergütungen ein Leistungsträger die
Angemessenheit bezweifeln. Damit die Kalkulationsgrößen stimmen, braucht es
richtige Buchungen.
Auch dafür braucht es
Fachkräfte.
CGS
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