Sonntag, 8. März 2020

Betriebliche Pandemieplanung dank Corona


Das Thema hat die Bundesrepublik anscheinend voll im Griff. Die Infektionsmeldungen ziehen sich durch das ganze Land, die ersten Quarantäne-Maßnahmen wurden ergriffen.

In einem Nationalen Pandemieplan aus dem Jahr 2016, also drei Jahre vor dem Ausbruch der akuten Infektionswelle, empfahl das Robert-Koch-Institut die Erstellung von „Betrieblichen Pandemieplänen“ (tatsächlich gibt es den NPP schon seit 2005). Neben einer Checkliste gab es unter anderem für Altenheime und Altenpflegeheime, aber auch für ganz andere Einrichtungen, Planungshilfen (siehe insbesondere dazu Kapitel 8 des letzten NPP-2016). Dass man jetzt als ein solcher Anbieter damit anfangen sollte, schnell einen eigenen Pandemieplan zu erarbeiten, hielt ich bislang für „verspätet“ und damit nicht zielführend. Stattdessen sollte man in Dienstbesprechungen den Mitarbeitenden eine Plattform für das Ansprechen von Sorgen und Ängsten geben.

Mittlerweile zeigt es sich, dass so eine Betriebliche Pandemieplanung das Vertrauen der Menschen in die eigene Unternehmensführung stärken würde. Nichts zu tun, wäre dagegen schädlich. Andere würden sich hervortun mit Tipps und Ratschlägen, die unter Umständen den betrieblichen Zielen völlig entgegenstehen.



Betriebliche Pandemieplanung überlegen

Bei einer solchen Pandemieplanung geht es zuerst einmal darum, Risiken zu erkennen. Sobald man sich ein Verständnis dafür erarbeitet hat, werden Verantwortlichkeiten formuliert und gleichzeitig Ressourcen und Rücklagen geschaffen – einfach für den denkbaren Fall des Falles.

Eine solche Unterlage kann vielleicht Teil des betrieblichen Zwangs zur Erstellung eines Hygieneplans sein (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 5 IfSG), aber ein gesetzliche Grundlage dafür gibt es nicht. Von daher helfen lediglich verschiedene Pamphlete, in denen Tipps und Strukturen für eine solche Pandemieplanung vorgeschlagen werden. Wichtigstes Ziel ist, dass das Unternehmen in seiner Existenz nicht gefährdet wird, sondern die Beeinträchtigungen abfedern kann mit wirksamen Maßnahmen. Positiver Nebeneffekt bei dem Ganzen wäre meiner Ansicht nach, dass die Beschäftigten auch ein Verständnis für die Belange des Unternehmens erhalten und Vertrauen gewinnen in die Kompetenz des Managements – und umgekehrt.

Was man tun kann:

Es muss besprochen werden, welche Person im Falle einer Pandemie-Situation hauptamtlich betrieblicher Ansprechpartner ist (vermutlich wird es die Person sein, die als Hygienebeauftragte bestimmt worden ist). Diese Person muss erste Einschätzungen abgeben und die Arbeitnehmerschaft informieren. Dies sollte schon dann geschehen, wenn an anderen Orten ein Ausbruch bereits stattgefunden hat; auf den betrieblichen Vorfall einfach zu warten (nach dem Motto: erst mal abwarten und Tee trinken), wäre ziemlich riskant. Wie sich immer wieder zeigt, ist „keine Kommunikation“ eine Einladung zu wilden Diskussionen und Spekulationen im Betrieb. Solche internen Gesprächskreise rauben einfach nur die Zeit. Von daher sollte, gemeinsam mit der Personalvertretung oder dem Betriebsrat, eine Stelle benannt werden für diese Aufgabe.

In größeren Unternehmen / Betrieben sollte neben der betriebsbeauftragten Person auch ein Krisenstab gebildet werden, ja sogar ein internes Kommunikationsnetz entstehen. Gibt es das nicht, alarmieren die Beschäftigten ihre Personalvertreter oder Betriebsräte, was dann wieder zu zeitraubenden Rückfragen an die Geschäftsführung führt. Ein Krisenstab könnte anstelle der Geschäftsführung die Kommunikation übernehmen. Und der Kontakt zu den Gesundheitsämtern und Unfallversicherungsträgern wäre an die richtigen Leute delegiert.


Die anderen einbeziehen und Fragen beantworten

In Einrichtungen der Behindertenhilfe muss auf eine besondere Art und Weise mit Menschen gearbeitet werden. Diese Menschen sind nämlich in ihrer Wahrnehmung, dem Verstehen und dem Befolgen sehr eingeschränkt und brauchen dafür eine spezielle Ansprache. Zudem muss der Umgang mit plötzlich Erkrankten trainiert werden. Wenn eine Erkrankung nun festgestellt wurde, wären auch die Angehörigen / Betreuer, Freunde, Lebenspartner und Kollegen zu benachrichtigen. Diese Informationspflicht richtet sich auch an die Assistenzkräfte und Einrichtungsleitung. Schließlich müssen in der Folge geeignete Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden durch den Träger der Einrichtung oder Dienstes.

Eine Schutzimpfung wäre erstrebenswert. Doch nicht immer sind solche Mittel sofort verfügbar, so dass selbst nach Abebben der Pandemie diese Frage nachverfolgt werden muss. In dem Zusammenhang wäre u.a. der Betriebsarzt zu informieren, damit es nicht vergessen wird. Ebenso wichtig sind Fortbildungen, Schulungen und Belehrungen des Personals.

Während der Hygieneplan lediglich Hinweise enthält auf ein hygienisches Verhalten, kann die Pandemieplanung dagegen eine Prüfung der internen Geschäftsabläufe und Verfahren beinhalten. Im Notfall würde ja dringend benötigtes Personal ausfallen – wie schafft man es, mit Ausfällen trotzdem den notwendigen Betrieb aufrechtzuerhalten und Termine einzuhalten?

Wer kann vertreten? Welche Abläufe könnten ausgelassen werden? Welche Ressourcen werden immer benötigt (wenn Just-in-Time nicht mehr gesichert ist)?

Könnte von zuhause aus gearbeitet werden? Können Beschäftigte ohne Überlappung die Arbeit erledigen? Wer noch hat einen Führerschein? Welche Termine sind „unbedingt“ einzuhalten?

Sind Desinfektionsmittel und Schutzbekleidungen vorrätig? Müssen Auswärtstätigkeiten wirklich wahrgenommen werden oder wären Besprechungen telefonisch bzw. per Video-Chat möglich?

Wie verändern sich die Bedarfe bei ambulant betreuten Menschen? Kann ein anderer Dienst zwischenzeitlich überbrücken? Was kann der Sozialraum übernehmen?


Weitere Punkte, die zu klären sind

Das sind schon mal sehr viele Fragen. Und sie alle jetzt beantwortet zu bekommen, würde einem Schnellschuss aus der Hüfte gleichen. Eine Betriebliche Pandemieplanung erstellt man nicht ad hoc. Aber man muss die Fragen angehen, weil der Hygieneplan keine Antworten liefert.

Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag müssen ebenfalls angesprochen werden (in einem aktuellen Fall tut es derzeit nur der Betriebsrat, die Geschäftsführung unternimmt gar nichts). Wenn im Betrieb die Angst ausbreitet, droht eine Zurückbehaltung und Leistungsverweigerung. Ein Mitarbeiter, der sich von einem Kollegen „bedroht“ fühlt, welcher aus einer Krisen-Region zurückgekehrt ist, kann trotzdem seine Arbeitsleistung nicht verweigern; allenfalls die unbezahlte Freistellung wäre möglich. Andererseits sind Arbeitnehmer über die gesetzliche Unfallversicherung geschützt, wenn sie während bzw. aufgrund ihrer Berufstätigkeit erkranken; die 6-Wochen-Lohnfortzahlungsfrist wie bei einer anderen Erkrankung greift nicht.

In den Wohnstätten und Heimen kann vielleicht noch mit anderem Personal die fehlenden Kapazitäten überbrückt werden. Doch in den Verwaltungen sind häufig Spezialisten am Werken, die man nicht mal ebenso ersetzen kann. Gerade wenn wichtige Verhandlungen, Abschlüsse oder Berichte zu erstellen sind, gerät die Arbeit ins Stocken und Termine platzen. Oder denken Sie ganz einfach an das Erstellen von Ausgangsrechnungen – ohne Rechnungslegung, keine Bezahlung.

Ein dritter Punkt wäre ein ausreichender Versicherungsschutz. Zum einen wäre der Betreiber haftbar, wenn man ihm eine mangelnde Hygiene vorwerfen würde, welche die in den Wohnstätten und Heimen lebenden und arbeitenden Menschen geschadet hat. Zum anderen müsste der Betreiber mit erheblichen Einbrüchen bei den Umsätzen rechnen, weil die heutigen Versicherungskonzepte nur eine recht kurze Schließzeit kennen. Und was ist zum Beispiel, wenn Krankheitserreger in den bestehenden Versicherungs-Policen nicht enthalten sind.

Eine betriebliche Pandemieplanung zu unterlassen, ist zwar rechtlich erlaubt, aber kein Pluspunkt. Die Geschäftsführung könnte sich persönlich sogar haftbar machen, wenn sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt.

CGS



P.S.:

In den Arbeitshilfen findet sich jetzt ein sogenannter „Laufplan“ für die Vorräte in den Wohnungen von Klienten sowie die beliebten Einkaufsorte. Diese Unterlage stammt aus der Pflege, kann aber sicherlich auch im Bereich der Eingliederungshilfe verwendet werden.




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