Das Thema hat die
Bundesrepublik anscheinend voll im Griff. Die Infektionsmeldungen ziehen sich
durch das ganze Land, die ersten Quarantäne-Maßnahmen wurden ergriffen.
In einem Nationalen
Pandemieplan aus dem Jahr 2016, also drei Jahre vor dem Ausbruch der akuten
Infektionswelle, empfahl das Robert-Koch-Institut die Erstellung von
„Betrieblichen Pandemieplänen“ (tatsächlich gibt es den NPP schon seit 2005).
Neben einer Checkliste gab es unter anderem für Altenheime und Altenpflegeheime,
aber auch für ganz andere Einrichtungen, Planungshilfen (siehe insbesondere
dazu Kapitel 8 des letzten NPP-2016). Dass man jetzt als ein solcher Anbieter
damit anfangen sollte, schnell einen eigenen Pandemieplan zu erarbeiten, hielt
ich bislang für „verspätet“ und damit nicht zielführend. Stattdessen sollte man
in Dienstbesprechungen den Mitarbeitenden eine Plattform für das Ansprechen von
Sorgen und Ängsten geben.
Mittlerweile zeigt
es sich, dass so eine Betriebliche Pandemieplanung das Vertrauen der Menschen
in die eigene Unternehmensführung stärken würde. Nichts zu tun, wäre dagegen
schädlich. Andere würden sich hervortun mit Tipps und Ratschlägen, die unter
Umständen den betrieblichen Zielen völlig entgegenstehen.
Betriebliche Pandemieplanung überlegen
Bei einer solchen Pandemieplanung geht es zuerst einmal
darum, Risiken zu erkennen. Sobald man sich ein Verständnis dafür erarbeitet
hat, werden Verantwortlichkeiten formuliert und gleichzeitig Ressourcen und Rücklagen
geschaffen – einfach für den denkbaren Fall des Falles.
Eine solche Unterlage kann vielleicht Teil des
betrieblichen Zwangs zur Erstellung eines Hygieneplans sein (§ 36 Abs. 1 Nr. 1
bis 6 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 5 IfSG), aber ein gesetzliche Grundlage
dafür gibt es nicht. Von daher helfen lediglich verschiedene Pamphlete, in
denen Tipps und Strukturen für eine solche Pandemieplanung vorgeschlagen
werden. Wichtigstes Ziel ist, dass das Unternehmen in seiner Existenz nicht
gefährdet wird, sondern die Beeinträchtigungen abfedern kann mit wirksamen
Maßnahmen. Positiver Nebeneffekt bei dem Ganzen wäre meiner Ansicht nach, dass
die Beschäftigten auch ein Verständnis für die Belange des Unternehmens erhalten
und Vertrauen gewinnen in die Kompetenz des Managements – und umgekehrt.
Was man tun kann:
Es muss besprochen werden,
welche Person im Falle einer Pandemie-Situation hauptamtlich betrieblicher
Ansprechpartner ist (vermutlich wird es die Person sein, die als Hygienebeauftragte
bestimmt worden ist). Diese Person muss erste Einschätzungen abgeben und die
Arbeitnehmerschaft informieren. Dies sollte schon dann geschehen, wenn an
anderen Orten ein Ausbruch bereits stattgefunden hat; auf den betrieblichen
Vorfall einfach zu warten (nach dem Motto: erst mal abwarten und Tee trinken),
wäre ziemlich riskant. Wie sich immer wieder zeigt, ist „keine Kommunikation“
eine Einladung zu wilden Diskussionen und Spekulationen im Betrieb. Solche
internen Gesprächskreise rauben einfach nur die Zeit. Von daher sollte,
gemeinsam mit der Personalvertretung oder dem Betriebsrat, eine Stelle benannt
werden für diese Aufgabe.
In größeren Unternehmen /
Betrieben sollte neben der betriebsbeauftragten Person auch ein Krisenstab
gebildet werden, ja sogar ein internes Kommunikationsnetz entstehen. Gibt es
das nicht, alarmieren die Beschäftigten ihre Personalvertreter oder
Betriebsräte, was dann wieder zu zeitraubenden Rückfragen an die
Geschäftsführung führt. Ein Krisenstab könnte anstelle der Geschäftsführung die
Kommunikation übernehmen. Und der Kontakt zu den Gesundheitsämtern und
Unfallversicherungsträgern wäre an die richtigen Leute delegiert.
Die anderen einbeziehen und Fragen beantworten
In Einrichtungen der
Behindertenhilfe muss auf eine besondere Art und Weise mit Menschen gearbeitet
werden. Diese Menschen sind nämlich in ihrer Wahrnehmung, dem Verstehen und dem
Befolgen sehr eingeschränkt und brauchen dafür eine spezielle Ansprache. Zudem
muss der Umgang mit plötzlich Erkrankten trainiert werden. Wenn eine Erkrankung
nun festgestellt wurde, wären auch die Angehörigen / Betreuer, Freunde,
Lebenspartner und Kollegen zu benachrichtigen. Diese Informationspflicht
richtet sich auch an die Assistenzkräfte und Einrichtungsleitung. Schließlich
müssen in der Folge geeignete Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden durch den Träger
der Einrichtung oder Dienstes.
Eine Schutzimpfung wäre erstrebenswert.
Doch nicht immer sind solche Mittel sofort verfügbar, so dass selbst nach
Abebben der Pandemie diese Frage nachverfolgt werden muss. In dem Zusammenhang
wäre u.a. der Betriebsarzt zu informieren, damit es nicht vergessen wird.
Ebenso wichtig sind Fortbildungen, Schulungen und Belehrungen des Personals.
Während der Hygieneplan
lediglich Hinweise enthält auf ein hygienisches Verhalten, kann die
Pandemieplanung dagegen eine Prüfung der internen Geschäftsabläufe und
Verfahren beinhalten. Im Notfall würde ja dringend benötigtes Personal
ausfallen – wie schafft man es, mit Ausfällen trotzdem den notwendigen Betrieb
aufrechtzuerhalten und Termine einzuhalten?
Wer kann vertreten? Welche
Abläufe könnten ausgelassen werden? Welche Ressourcen werden immer benötigt
(wenn Just-in-Time nicht mehr gesichert ist)?
Könnte von zuhause aus
gearbeitet werden? Können Beschäftigte ohne Überlappung die Arbeit erledigen?
Wer noch hat einen Führerschein? Welche Termine sind „unbedingt“ einzuhalten?
Sind Desinfektionsmittel und
Schutzbekleidungen vorrätig? Müssen Auswärtstätigkeiten wirklich wahrgenommen
werden oder wären Besprechungen telefonisch bzw. per Video-Chat möglich?
Wie verändern sich die Bedarfe
bei ambulant betreuten Menschen? Kann ein anderer Dienst zwischenzeitlich
überbrücken? Was kann der Sozialraum übernehmen?
Weitere Punkte, die zu klären sind
Das sind schon mal sehr viele
Fragen. Und sie alle jetzt beantwortet zu bekommen, würde einem Schnellschuss
aus der Hüfte gleichen. Eine Betriebliche Pandemieplanung erstellt man nicht ad
hoc. Aber man muss die Fragen angehen, weil der Hygieneplan keine Antworten
liefert.
Die Rechte und Pflichten aus
dem Arbeitsvertrag müssen ebenfalls angesprochen werden (in einem aktuellen
Fall tut es derzeit nur der Betriebsrat, die Geschäftsführung unternimmt gar
nichts). Wenn im Betrieb die Angst ausbreitet, droht eine
Zurückbehaltung und Leistungsverweigerung. Ein Mitarbeiter, der sich von einem
Kollegen „bedroht“ fühlt, welcher aus einer Krisen-Region zurückgekehrt ist,
kann trotzdem seine Arbeitsleistung nicht verweigern; allenfalls die unbezahlte
Freistellung wäre möglich. Andererseits sind Arbeitnehmer über die gesetzliche
Unfallversicherung geschützt, wenn sie während bzw. aufgrund ihrer
Berufstätigkeit erkranken; die 6-Wochen-Lohnfortzahlungsfrist wie bei einer
anderen Erkrankung greift nicht.
In den Wohnstätten und Heimen kann vielleicht noch mit
anderem Personal die fehlenden Kapazitäten überbrückt werden. Doch in den
Verwaltungen sind häufig Spezialisten am Werken, die man nicht mal ebenso
ersetzen kann. Gerade wenn wichtige Verhandlungen, Abschlüsse oder Berichte zu
erstellen sind, gerät die Arbeit ins Stocken und Termine platzen. Oder denken
Sie ganz einfach an das Erstellen von Ausgangsrechnungen – ohne
Rechnungslegung, keine Bezahlung.
Ein dritter Punkt wäre ein ausreichender
Versicherungsschutz. Zum einen wäre der Betreiber haftbar, wenn man ihm eine
mangelnde Hygiene vorwerfen würde, welche die in den Wohnstätten und Heimen
lebenden und arbeitenden Menschen geschadet hat. Zum anderen müsste der
Betreiber mit erheblichen Einbrüchen bei den Umsätzen rechnen, weil die
heutigen Versicherungskonzepte nur eine recht kurze Schließzeit kennen. Und was
ist zum Beispiel, wenn Krankheitserreger in den bestehenden
Versicherungs-Policen nicht enthalten sind.
Eine betriebliche
Pandemieplanung zu unterlassen, ist zwar rechtlich erlaubt, aber kein
Pluspunkt. Die Geschäftsführung könnte sich persönlich sogar haftbar machen,
wenn sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt.
CGS
P.S.:
In den Arbeitshilfen findet sich jetzt ein sogenannter „Laufplan“
für die Vorräte in den Wohnungen von Klienten sowie die beliebten Einkaufsorte.
Diese Unterlage stammt aus der Pflege, kann aber sicherlich auch im Bereich der
Eingliederungshilfe verwendet werden.
Das hier war und ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung
zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Bitte wenden Sie sich an die zuständigen
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Betriebliche Pandemieplanung dank Corona