Mittwoch, 4. März 2020

Noch ein Update zu den fehlerhaften Zahlungen

Mit dem neuen Abrechnungssystem gab es im Zeitpunkt der Umstellung noch gut ein Viertel an Noch-Nicht-Umgestellten, für die man seitens der Leistungsträger zuerst einmal nur die alte Vergütung weiterzahlen wollte. Das einzige Problem sah man vor Monaten noch darin, dass ein Barbetrag, der an den Leistungserbringer gezahlt wurde, ordnungsmäßig weitergeleitet werden müsste.

Es kam aber alles noch viel schlimmer. Was gezahlt wurde, lässt sich bis heute nicht eindeutig klären. Die Bandbreite an Beträgen, die da bei den Leistungserbringern eingehen (und wiederum bei den Leistungsberechtigten nicht auf das Konto gelangen), ist immens und nicht nachvollziehbar.

Viele wollen ein „einfaches“ System und würden am liebsten diese Sache mit dem Bezahlen wieder zurück an die Behörden delegieren. Warum auch nicht?!

Es gibt allerdings die Tendenz, dass die Behörden zunehmend Rückrechnungen vornehmen. Damit würde es zu einer Korrektur kommen, die, sollten bereits Überzahlungen weitergegeben worden sein, zu Fehlbeträgen führen.


Die ersten Zahlungen nach dem neuen System

Zum 1.1.2020 hatte sich, wie man mittlerweile weiß, die Abrechnungssystematik komplett geändert. Was zuvor in einem einzigen Geldbetrag von nur einer Stelle an den Leistungserbringer (Träger einer Wohneinrichtung) gezahlt wurde, muss jetzt teils von Bewohnern selbst und teils von den öffentlichen Stellen aufgebracht werden. Ursache dafür war das BTHG mit seiner Trennung in die Leistungsbereiche Eingliederungshilfe (SGB IX) und Sozialhilfe (SGB XII). Mit den neuen Wohn- und Betreuungs-Verträgen zwischen Bewohnern / Klienten / Leistungsberechtigten als Verbraucher und Einrichtungsträgern / Leistungserbringern als (soziale) Unternehmer auf privatrechtlicher Ebene wurden jedoch Verpflichtungen geschaffen, die nun zu bedienen sind.

Wer zahlt was und wie viel? Das BTHG hat an dieser Stelle bereits ein paar Fragezeichen ausgelöst, die in den letzten Monaten mühsam geklärt werden mussten. Hinzu kam dann noch, dass die Umstellung der Leistungsberechtigten mit ihren Verpflichtungen bedauerlicherweise nicht termingerecht passierte. In einer ersten Bekanntgabe lag dieser Rückstand bei „22,5 %“ (Hamburger Sozialbehörde BASFI, Stand Dezember 2019), in einer ersten Monatsabrechnung zeigte sich eine Nicht-Zahler-Quote von ganzen „28 %“ (eigene Recherche, Stand Januar 2020).

Davon abgesehen gab es eine Bandbreite an Geldeingängen. Eine Kategorisierung fällt dabei schwer, weil es sehr unterschiedliche Beträge gab (siehe dazu auch meinen letzten Beitrag vom 20.2.2020). Was sich ebenfalls ergab, betraf im Grunde genommen nur die Leistungserbringer, die sich gegen eine Überleitung von Grundsicherungsleistungen, Wohngeldern und sogar Renten gesperrt hatten; sie wollten einfach keine „Treuhandanstalten“ sein, sondern ihre Klienten zu echten Wirtschaftssubjekten machen. Ganz im Sinne des BTHG, muss man sagen.

Problem war nun, dass es gesetzliche bestellte Betreuer gab, die sich weigerten, ein persönliches Girokonto für ihre Betreuten einzurichten und sogar manche Sachbearbeiter in den Behörden, die das Wohngeld direkt an die vermietenden Leistungserbringer „im Auftrag“ zahlten.


Eine Verrechnung ist nicht möglich

Die Überzahlung auf dem einen Konto könnte doch so bequem mit dem Schuldposten auf dem anderen Konto beglichen werden – oder nicht?

Der Vertrag über das Wohnen und Versorgt-Werden könnte doch so bequem auf die Behörde als „Schuldner“ eingestellt werden – oder nicht?

Im ersten Fall müsste man von der Überzahlung wissen. In der Tat haben einige Sachbearbeiter dies jetzt so mitgeteilt, aber nicht den Leistungserbringern als Empfänger dieser Gelder. Denn wenn es so wäre, könnte man den Leistungserbringern auch gleich die Erlaubnis erteilen, die Verrechnung vorzunehmen. Damit bestünde nicht mehr die Gefahr der Rückholung der Gelder zu einem späteren Zeitpunkt; also weg vom Bankkonto der Leistungserbringer und wieder zurück an die Leistungsträger (verkürzt gesprochen).

Doch so etwas bedeutet einen administrativen Aufwand, den beide Seiten nicht wollen.

Im zweiten Fall könnte man den Vertrag über das Wohnen und Versorgt-Werden sozusagen an die Fachleistung „dranhängen“. Die Abrechnung würde dann zwar nach wie vor in einem Konto geschehen, aber eine einfache Zusammenstellung von Konten in sogenannten Sammelbelegen wäre nicht mehr möglich. Viel schwerwiegender erscheint es dagegen, dass man den leistungsberechtigten Menschen das Recht abspricht, sich in irgendeiner Weise als selbstbestimmte Menschen zu fühlen; es mag sein, dass es bei vielen ohnehin nicht möglich ist, doch die große Mehrheit der Menschen möchte sich dieses Recht nicht mehr nehmen lassen.

So etwas bedeutet eine Abkehr der selbstgesteckten Ziele von echter Teilhabe.


Eine 1:1 Rückrechnung ist dagegen schon im Gange

Was es braucht, ist eine gute Verständigung über die entstandenen Fehler und wie man damit umgehen sollte. Und es passiert an diesem Punkt bereits etwas, wenn auch nicht mit der Unterstützung der Verbände. Verschiedene Leistungsträger haben bereits Klärungen im Gange, die auf eine baldige Rückrechnung schließen lassen. Man wird vermutlich überzahlte bzw. fehlgeleitete Beträge jetzt stornieren, gleichzeitig nur noch die Fachleistung überweisen. Es wird von daher in den kommenden zwei Monaten wahrscheinlich zu Null-Summen kommen, aber es ist dann alles belegt und nachvollziehbar.

Was es ganz und gar nicht braucht, sind Forderungen nach einer Rückzahlung / Weiterleitung der Behörden-Überzahlungen an die leistungsberechtigten Menschen oder Umbuchungen ohne eine ausdrückliche Freigabe durch die Zahlenden. Würden die Leistungserbringer so verfahren, müsste sie damit rechnen, dass bei einer späteren Rückforderung der Behörde ein Fehlbetrag zurückbleibt. Alles nur, weil man in diesem Moment sich der Kritik und dem Verlangen der gesetzlichen Vertreter (meist auch noch Angehörige) nicht erwehren kann.

Überspitzt gesagt würden solche Weiterleitungen ohne eine echte Begründung oder behördliche Genehmigung eine unerlaubte Handlung darstellen. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht, weil die Eigentümer des sozialen Unternehmens ein ordnungsgemäßes Arbeiten erwarten. Und ein Verstoß gegen das Gebot der Mittelverwendung (§ 55 AO).

CGS




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