Samstag, 16. Mai 2020

Wie wird es nach der Krise weitergehen?

Zu Beginn der Krise wurde immer wieder als Ziel erklärt, den Kurvenverlauf abgeflacht zu bekommen. Man hatte eine exponentielle Entwicklung der Fallzahlen festgestellt und brauchte Maßnahmen, mit denen dieser Zuwachs geringer ausfiel. So sollte Zeit gewonnen werden, um genügend Kapazitäten vorhalten zu können. Was man fürchtete, waren „Italienische Verhältnisse“.

Seit dem 3.4.2020 geht es mit den Fallzahlen stetig zurück. Doch nach wie vor wird das Risiko als hoch angesehen, dass es nach den beschlossenen Lockerungen zu einem erneuten Anstieg kommt. Das wäre ein Super-GAU. Nichtsdestotrotz muss mit Beginn des Winterhalbjahres der Start einer neuen saisonalen Grippe (ILI – influenca like illness) vermuten, in der es dann auch ein Aufflammen des SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome Corona virus 2) geben könnte.

Leistungserbringer im Bereich der Pflege und Betreuung von Menschen mit Unterstützungsbedarf werden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine betriebliche Pandemieplanung (BPP) vorbereiten müssen, da der Staat mit seinen Schutzmaßnahmen bei einem weiteren Ausbruch nicht mehr einspringen wird. Gerade eben verkündete der Bundesfinanzminister, dass die Haushalte in diesem Jahr mit „98,6 Mrd. Euro“ weniger auskommen müssen. Ein Land wie Deutschland, welches einen Schuldenstand von rd. 60 % seines Bruttoinlandsprodukts hat, würde mit einer Aufstockung der Schulden vermutlich bei 65 % liegen (vorausgesetzt das BIP sinkt jetzt nicht noch weiter).



Der Sommer kann kommen, und wir werden wissen, wie teuer es war

Die Entwicklung der Fallzahlen stagniert, aber nicht besonders stark fallend. Angesichts eines solchen Verlaufs beruhigt sich die Bevölkerung zusehends und verlangt eine Rückkehr zur Normalität. Restaurants und Cafés werden öffnen, der Reiseverkehr kann wieder zunehmen. Es müssen nur noch die Abstandsregeln (die sowieso nicht eingehalten werden) und die Masken-Pflicht aufgegeben werden. Dann kann der Sommer kommen.

Warnende Stimmen hatte man bis vor kurzem noch sehr viel gehört, aber die ersten Wochen nach den ersten Lockerungen sind rum und eine zweite „harte“ Welle ist ausgeblieben. Das Ausbleiben beruht keinesfalls auf einen Irrtum der Wissenschaftler, vielmehr hat es tatsächlich eine Änderung beim Verhalten gegeben, die diese Verbesserung wesentlich gefördert hat. Von daher kann eine Rückkehr zur Normalität stattfinden. In Schleswig-Holstein wird derzeit eine stufenweise Wieder-Eröffnung der Tagesstätten diskutiert. Man möchte zuerst nur 25 % der Beschäftigungsplätze in den Werkstätten und anderen Arbeitsprojekten besetzen, eine bis zwei Wochen später dann 50 %, und schließlich die Vollbeschäftigung wagen. Das alles könnte Mitte Juni vorbei sein, so dass man später von einem pandemischen Schock über 3 Monate Dauer sprechen kann.

Vermutlich wird man gegen Ende des Sommers auch so wirklich wissen, wie teuer es war mit allem. Die Leistungserbringer werden mit Mehrkosten argumentieren, die Leistungsträger werden von ihrer Geber-Laune deutlich abrücken. Bevor es aber wieder in „Grabenkämpfe“ endet, sollten sich alle Beteiligten noch einmal die Frage stellen nach einer möglichen zweiten Welle: der „Winter-Welle“.

Das RKI veröffentlichte schon vor einiger Zeit Empfehlungen für Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen sowie für den öffentlichen Gesundheitsdienst (u.a. Version 0.3 vom 17.4.2020). Zwar geht es primär um die Gefahren von nCoV / COVID-19 / Corona-Virus, aber die einzelnen Empfehlungen sind für jede Epidemie nutzbar; der nächste Ausbruch kann ein neues Virus sein, oder auch nur eine mutierte Form des bereits bekannten SARS-Cov-2 (amerikanische, europäische Form oder auch die asiatische Stamm-Variante). Die bisherigen Hygienekonzepte werden nicht reichen, sondern die sozialen Unternehmen müssen Rücklagen und Pläne für den Ernstfall ausarbeiten. Wenn sie versagen, wird der Staat, so wie bei der Commerzbank während der Finanzkrise 2009 und wahrscheinlich jetzt bei der Lufthansa, die ins Straucheln geratenen Leistungserbringer übernehmen!


Empfehlungen des RKI, Seminare bei der WHO

Vielleicht ja auch nicht. Aber es muss was unternommen werden – primär von den sozialen Unternehmen, bestenfalls mit Hilfe der Verbände.

In einer betrieblichen Pandemieplanung (BPP) können Maßnahmen und Verantwortlichkeiten ausgeführt werden, damit eine Vorbereitung auf den nächsten Ernstfall (V-Fall) passiert. Die letzten Wochen können ein unschätzbarer Wissensgewinn sein, der lediglich dokumentiert und weitergegeben werden muss. Spezielle Teams können intern benannt werden, die als Krisenstab oder als eine Task Force sich um die Problemlösung kümmern. Und dazu gehört: eine Informierung von Betroffenen und Angehörigen sowie des eigenen Personals, Schulungen über die Anwendung von Best Practices, Planung der effektiven Arbeitsorganisation und Aufgabenerledigung. Und noch viel mehr.

Den Hygiene- und Infektionskontrollmaßnahmen fällt ein besonderer Stellenwert zu. In den RKI-Empfehlungen finden sich dazu noch weitere Verweise, die man schon jetzt lesen könnte (z.B. KRINKO-Empfehlungen und solche des paritätischen Gesamtverbands). Generell geht es natürlich darum, dass neben der Basishygiene auch das Tragen von Schutzbekleidung noch einmal wiederholt wird. Und es soll sich ein gutes Verständnis vertiefen darüber, dass ein Infizierter durchaus einen Krankheitsverlauf ohne Symptome erleben kann und damit zu einem gefährlichen Krankheits-Verbreiter wird.

Einen ganz anderen Weg bietet die WHO mit ihrer Kursreihe zu verschiedenen Gesundheitsthemen. Zwar sind die vielen Seminare in anderen Sprachen, nicht in Deutsch, aber es wird mit Folien-Präsentationen, Videos und kleinen Übungen ein sehr effektiver Wissenstransfer betrieben. Ein besonderes Augenmerk zum Beispiel hat man dabei auf räumliche Strukturen für den Einsatz als Isolationszentrum (SARI-Treatment-Facility). Gerade wenn man solche Räumlichkeiten vorhalten möchte, sollte eine Trennung von Nicht-Fällen, Verdachtsfällen (Warteraum, Triage) und bestätigten Fällen (Isolation, Kohortierung) bedacht werden. Für Personal wird es zudem Rückzugsbereiche geben müssen, ja sogar von den übrigen Eingängen getrennte Zuwegungen.


Neue Schulden machen, um die Haushalte zu decken, das gilt auch für Arbeitnehmer

Das alles sind Überlegungen, die sehr viel Zeit verbrauchen und vielleicht sogar von externen Fachleuten initiiert oder begleitet werden müssen. An dieser Stelle würde es sich anbieten, wenn vom Staat eine Beratungsarbeit ausgeht. Sehr wahrscheinlich wird es das nicht geben, weil es ja Geld kostet – Geld, das man nicht hat. Die Leistungserbringer wiederum würden dafür wieder höhere Vergütungen verlangen, wie schon zuvor bei den Themen Qualitätssicherung, Wohnbeiräte, Beschwerdemanagement, Gesundheitsschutz. Und es wäre doch auch verständlich.

Hinzukommen wird auch das Thema Personalschutz. Gerade jetzt erlebten Pflegekräfte besonders stark die Risiken des Berufs, aber auch die weit verbreitete Dankbarkeit der hilfebedürftigen Menschen. Abseits der steuerfreien Pauschalzuschläge, die jetzt in aller Munde sind, man wird noch mehr (monetäre) Wertschätzung verlangen – doch das kostet Geld, was man im Haushalt nicht hat. Der Bundesfinanzminister Scholz sprach davon, dass der Bund mit „98,6 Mrd. Euro“ weniger auskommen müsste. Von den Ländern war dabei bislang noch nicht die Rede!

Deutschland steht im Vergleich zu den anderen europäischen Nationen im Ranking der Schuldner im Mittelfeld. Würde man die Schuldenlast noch einmal um diesen Betrag aufstocken, so dass man auf 2.154 Mrd. Euro kommen würde, könnte bei einem um 3 % reduzierten BIP die relative Schuldenlast bei knapp 65 % des Bruttoinlandsprodukts einordnen. Das wäre noch immer Mittelfeld; es würde gehen. Aber, wie gesagt, das sind nur die Zahlen des Bundes und nicht der Länder. Viel komplizierter wird es, wenn man eine Vermögenssteuer erfinden will und gleichzeitig Anleihen begeben muss. Die Finanzmärkte werden weltweit ins Rotieren kommen und zu einem Zinssprung ansetzen, der die Inflation in Deutschland (und sehr wahrscheinlich auch überall auf der Welt) deutlich über die eiserne Grenze von 2 % hieven wird.

Nochmal – die Corona-Krise kostet uns jetzt schon eine Menge Geld. Und wenn es um die nächsten Schritte geht, wird man auf diese Haushaltslücken verweisen und kein Geld bereitstellen für kommende Kompensationsverlangen Dritter. Und die wird es geben, weil man seine Pandemie-Sonderkosten refinanziert haben will, und weil Gewerkschaften eine entgeltliche Wertschätzung einfordern. Wird es das geben? Wer, meinen Sie, wird die Fortsetzung der Tarifverhandlungen, die ja wegen Corona ins Eisfach gelegt wurden, verlangen? Mit welchen Forderungen wird man überhaupt in die Verhandlungen gehen?

Null-Runden jetzt und bis ins nächste Jahr, ist meine Vermutung. Faktisch wird es dann auch bei den Arbeitnehmern so sein, wie beim Staat: Schulden machen müssen, weil das Einkommen für die Ausgaben nicht reicht.

CGS




Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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