Samstag, 26. September 2020

Das Persönliche Budget im Sinne eines „Wer sich nicht wehrt…“ (Teil 1)

Das Thema Persönliches Budget scheint manchmal ziemlich unbekömmlich zu sein. Im Folgenden berichte ich über eine Auseinandersetzung, die mir freundlicherweise von einer Sorgeberechtigten belegt worden ist. Nicht alle Details sind mir bekannt, aber die gerichtlichen Beschlüsse sprechen für sich. Was da nun geschehen ist, entspricht ganz einer Erfahrung, die leider viele Eltern durchmachen müssen: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.

Dass das nun so gekommen ist, ist sehr bedauerlich. Nicht nur, dass einfach Zeit und Ressourcen vergeudet wurden, grundgesetzlich geschützte Rechte wurden meiner Ansicht nach missachtet. Dabei hatte der Gesetzgeber mit dem Persönlichen Budget ein Hilfsmittel geschaffen, damit es mit der Eigenständigkeit und Selbstverantwortung probiert werden kann. Würde der Versuch schiefgehen, könnte man seitens der Behörde immer noch kündigen. Das ist ein Vertrauensvorschuss, der von einem Leistungsträger zugelassen werden muss, bevor die „ganze Härte“ des Sozialgesetzes zur Anwendung kommt.

Wie gesagt, das nachfolgend Gesagte ist meine Sicht auf die Dinge.


Ein paar Vorbemerkungen, bevor es streitig wird

Über das Persönliche Budget hat es in der Vergangenheit immer wieder Streit gegeben. Schwierig war es insbesondere in der Zeit, als mit der UN-BRK die Forderung nach einer inklusiven Gesellschaft entstand und das Fürsorgesystem abgeschafft werden sollte. Noch vor sechs, sieben Jahre war der unbedenkliche Einsatz von Freiwilligen (FSJ, BFD) und „Billiglohnkräften“ als Schulassistenten üblich. Das verstand man als angemessen, entsprach aber keinesfalls der UN-Konvention, die 2009 von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden war.

(Sarkasmus ist eingeschaltet) Schulbegleitungen brauchte man nicht, weil es schließlich die Sonderschulen gab; Behinderte wären dort viel besser aufgehoben und müssten schließlich nicht mit  Hochbegabten konkurrieren; womöglich sogar die beim Lernen behindern (Sarkasmus ist ausgeschaltet).

Dann hörte man von Fällen, bei denen Schulbegleitungen zu Hilfslehrern berufen wurden und sonderpädagogisch mitwirkten. Die Schulen begrüßten das und nutzten diese Personalien, da es an den Schulen einfach an den Ressourcen mangelte. Inklusion wurde auf diese Weise zu einem guten Vorsatz degradiert.

In den letzten Jahren änderte sich dann viel. Aber noch in 2014 gab es in Schleswig-Holstein einen sehr unsäglichen Beschluss des Landessozialgerichts zu Schulbegleitungen (zwei Jahre später wurde er jedoch umformuliert). Der „Kernbereich der pädagogischen Arbeit“ sei jedenfalls den Lehrkräften vorbehalten, befand man damals. Und weil es zudem Aufgabe der Schulen war, für Inklusion zu sorgen (das stand im Landesschulgesetz und wurde auch so von der BAR Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation in einer Handlungsempfehlung zum Persönlichen Budget behauptet), sollte die Eingliederungshilfe die Kosten überhaupt nicht zu tragen. Also im Ergebnis sagte man, die Lehrer sollten die Begleiter der behinderten Kinder sein – Punkt.

In einem Urteil eines Sozialgerichts in Detmold erstritten sich wiederum die Sorgeberechtigten einen auskömmlichen Geldbetrag. Der Leistungsträger glaubte nämlich, dass für eine Schulbegleitung auch „sogenannte 400-Euro-Kräfte“ ausreichend seien (SG Detmold, Urteil vom 25.2.2015, Az. S 8 SO 328/12). Das Sozialgericht stellte in dem Verfahren heraus, dass mit dem Persönlichen Budget ein Antragsteller die Hilfen bedarfsgerechter organisieren und gestalten kann. Von daher wäre es als ein angemessener Bestandteil des Wunsch- und Wahlrechts nach § 17 Abs. 2 SGB IX a.F.*) anzuerkennen und die Kosten zu übernehmen. Weil die geltend gemachten Kosten sogar etwas niedriger lagen als die Vergütung von professionellen Anbietern, sah man diese als Obergrenze an und urteilte für die leistungsberechtigte Person.


Bremen: eine erste Auseinandersetzung

Einen ganz anderen Ausgang nahm ein Fall aus dem Verwaltungsgerichtsbezirk von Bremen (sozialgerichtliche Verfahren sind seit dem 1.1.2009 nur noch beim Sozialgericht Bremen anhängig zu machen, wobei aber beim Verwaltungsgericht die Kammer für Sozialgerichtssachen verortet ist).

Aufgrund einer früheren Familientherapie, die mittels eines Persönlichen Budgets umgesetzt werden konnte, hatte man offenbar gute Erfahrungen gemacht. Verständlicherweise wünschten sich die Sorgeberechtigten **) somit für das Kind bei Einschulung im Herbst 2018 wieder eine derartige Leistungsform. Dass eine Schulassistenz (Schulbegleitung, Integrationshilfe oder auch Integrationsassistenz) benötigt wurde, schien bereits drei Tage später klar zu sein. Es wurde von den Sorgeberechtigten ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt mit dem Ziel eines Persönlichen Budgets (die Jugendhilfe als zuständiger Leistungsträger gab zu Gerichts-Protokoll, ein Antrag auf ein Persönliches Budget im Rahmen einer Schulassistenz wäre erst 14 Tage nach Einschulung eingegangen).

Die Grundschule stellte einen Monat später das Kind vom Schulbesuch frei, da es eindeutige Überforderungen gab, die eine Teilnahme am Unterricht unmöglich machten. In einer Stellungnahme bestätigte die Schule den Bedarf für eine Schulbegleitung. Und damit wurde eigentlich behauptet, dass eine Beschulung des Kindes mithilfe einer Schulassistenz gelingen würde. Der Leistungsträger verneinte dies nicht, aber in einer eigenen Stellungnahme erklärte die Jugendhilfe, dass eine Schulassistenz gar nicht sinnvoll sei. Statt der Grundschule (als Regelschule) wäre alternativ der Besuch einer in der Nähe befindlichen Tagesschule mit besonderem Unterricht (Förderschule / Förderzentrum) ausreichend.

Dass ein Hilfebedarf vorlag, schien allen Beteiligten klar zu sein, lediglich die Beschulung war strittig. Das Persönliche Budget wäre dagegen nur dann strittig gewesen, wenn es Zweifel an der zielgerichteten Leistungsausführung gegeben hätte. Das Verwaltungsgericht fasste daraufhin einen Beschluss ***) – zwei Monate nach der Einschulung.

1. 

Das Verwaltungsgericht erkannte zuerst einmal an, dass vorrangig die Schule die erforderliche Eingliederungshilfe leisten muss und damit das Leistungsrecht aus dem Rechtsbereich der Jugendhilfe zurückzustehen hat (Nachrangprinzip). Doch es ergibt sich „ein ergänzender Anspruch auf Eingliederungshilfe neben dem schulischen Förder- und Entwicklungsbedarf, wenn die notwendigen und angemessenen Maßnahmen der Eingliederungshilfe von den Schulträgern nicht erbracht werden (LSH Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 31.1.2011, L 8 SO 366/10 B ER, Rn. 13, juris)“ (II. 3. c) im Beschluss des VG Bremen, Az. 3 V 1875/18). Mit anderen Worten, die Leistungen der Jugendhilfe springen dort ein, wo die Leistungen der Schule nicht wirken.

2. 

Das Verwaltungsgericht erkannte ebenfalls an, dass die Rückkehr zum Schulunterricht zügig erfolgen musste. Man sah den Leistungsträger in der Lage, eine persönliche Assistenz wenigstens „vorübergehend“ zu gewähren. Weil es keine explizite Feststellung zum Besuch der Regelschule gab, hätte man darauf vertrauen können, dass diese Schulform als angemessen verstanden wird.

Da jedoch der Hilfeplan knapp zwei Monate nach Antragseingang noch immer fehlte, sah sich das Gericht nicht in der Lage, weiter zu entscheiden. Im Hilfeplan sollten nämlich der konkrete Bedarf dem Grunde und dem Umfang nach ermittelt und es sollte eine Art Zeithorizont eingearbeitet werden, um die Fristigkeit der Hilfen zu bestimmen. Obwohl im Verfahren selber eigentlich alle Fragen geklärt waren, das Dokument „Hilfeplan“ sollte von den Beteiligten erst einmal erstellt werden.

3. 

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass gem. § 4 Abs. 1 BudgetV (Budgetverordnung; bis zum 31.12.2017 in Kraft) eine Zielvereinbarung benötigt wird. Diese sei „zwingend“ für den Abschluss eines Persönlichen Budgets und enthält „mindestens Regelungen über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, über die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie über die Qualitätssicherung“ (II. 3. d), a.a.O.).

Die Zielvereinbarung folgt dem Hilfeplan – und weil es diesen nicht gab, konnte eine Entscheidung letztendlich nicht gefällt werden über die Leistungsform Persönliches Budget.

 

Erst den Hilfeplan, dann die Zielvereinbarung und schließlich ein Persönliches Budget

Die Zielvereinbarung ist in der Tat entscheidend, da mit ihr die Sicherung möglich wird der sogenannten Ergebnisqualität. Eingliederungshilfe ist zielgerichtet. Es handelt sich um Leistungen, aus Steuermitteln wohlgemerkt, die einen Nachteil ausgleichen sollen. Dann erst kann der Mensch mit Behinderung erfolgreich in die Gesellschaft eingegliedert werden.

Sobald die Zielvereinbarung steht, ist der Verwaltungsakt abgeschlossen und es kann mit den Zahlungen im Voraus losgehen (§ 3 Abs. 5 BudgetV, außer Kraft ab 2018; dafür nun § 29 SGB IX).

Bevor es aber die Zielvereinbarung gibt, braucht es allerdings einen fertigen Hilfeplan, denn dieser ist das Ergebnis aus dem Bedarfsfeststellungsverfahren. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Bedarfsfeststellung mit Hilfeplan schnell erledigt werden konnte, damit es noch bis zum Beginn der Weihnachtsferien eine Zielvereinbarung geben würde. Hinsichtlich des Verfahrens zur Bedarfsfeststellung hätte der Jugendhilfeträger einen Beurteilungsspielraum, welcher „nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt“ (II. 3. d), a.a.O), so das Gericht.

Doch der Knackpunkt lag an dieser Stelle in der Sichtweise des Jugendhilfeträgers, dass die Tagesschule mit besonderem Unterricht die richtige Schulform für das leistungsberechtigte Kind wäre. Dann nämlich bräuchte es auch keine Schulassistenz. Und auf dieser Grundlage konnte es schlichtweg keinen Hilfeplan geben. Dass in diesem Moment das Elternrecht nach Art. 6 GG verletzt wurde, blieb unbemerkt. Dass zudem das Recht des behinderten Kindes auf gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Teilhabe verletzt wurde nach Art. 24 UN-BRK, blieb ebenfalls unbemerkt – und das im Jahr 2018, nachdem schon zwei Jahre zuvor diese Sache mit dem Bundesteilhabegesetz beschlossene Sache war.

Damit ergeben sich schon ein paar Erkenntnisse:

  • Nicht immer kann man es richtig machen, auch wenn alle Tatsachen bekannt sind und eine Person mit Fachkenntnissen ein geschultes Auge darauf wirft. Das Verwaltungsgericht hatte den Fokus nur auf die Zielvereinbarung, die wiederum den Hilfeplan brauchte, damit es zum Persönlichen Budget kommen konnte. Die Formalien wurden verfolgt, nicht aber die übergeordneten Rechte geprüft.
  • Eine Behörde möchte die vorhandenen Angebote besser ausgenutzt sehen und rein wirtschaftlich handeln. Es mag sein, dass das Angebot das genau richtige gewesen wäre für das (schwer-mehrfach-behinderte) Kind. Aber in unserem Rechtssystem wird das Elternrecht etwas höher angesiedelt. Und wenn es nicht schwerwiegende Zweifel gibt, die jedoch im gerichtlichen Verfahren nicht zur Sprache kamen und von daher als nicht vorhanden vermutet werden dürfen, muss die Behörde gemäß der Gesetze weiter verfahren; alle Menschen in diesem Land sollen schließlich auf die Gesetzmäßigkeit der Behörden vertrauen dürfen.

Zum Zeitpunkt des Beschlusses konnten die Sorgeberechtigten sich glücklich schätzen. Dass es aber dann einfach nur schwierig wurde und alles einfach nur misslang, war unvorstellbar zu der Zeit. Hätte man es geahnt, hätte man sicherlich im Verfahren den Punkt mit dem Elternrecht und dem Beharren auf die Wirtschaftlichkeit der Leistungen etwas mehr geklärt. So ging es dann aber in die zweite Runde.

CGS


PS: 

Zum Schluss noch ein „Disclaimer“. Nicht alles Wissen über Persönliche Budgets liegt mir vor und ist von mir gelesen worden. Dass es jetzt zum Thema geworden ist, hängt sehr mit Zielvereinbarungen zusammen und den Verhandlungen um einen Landesrahmenvertrag in Schleswig-Holstein.

 

Fußnoten:

*) = Ausführung von Leistungen als Persönliches Budget; in Satz 1 heißt es: Auf Antrag können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

**) = es wird von mir die Plural-Form verwendet.

***) = das Geschäftszeichen des Gerichts ist bekannt.

 

Quellen:

Bundesrat-Drucksache 262/04
Herausgegeben am 2.4.2004
Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX

UN-Behindertenrechtskonvention
Herausgegeben vom LWL
Artikel 24

(letzter Aufruf für alle Quellen am 26.9.2020)

 

Notizen:

§ 4 Zielvereinbarung, Budgetverordnung (BudgetV), gültig bis 31.12.2017

 

(1) Die Zielvereinbarung wird zwischen der Antrag stellenden Person und dem Beauftragten abgeschlossen. Sie enthält mindestens Regelungen über

 

1.   die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele,

 

2.   die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie

 

3.   die Qualitätssicherung.

 

(2) Die Antrag stellende Person und der Beauftragte können die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann für die Antrag stellende Person insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen. Für den Beauftragten kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die Antrag stellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht einhält. Im Falle der Kündigung wird der Verwaltungsakt aufgehoben.

 

(3) Die Zielvereinbarung wird im Rahmen des Bedarfsfeststellungsverfahrens für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des Persönlichen Budgets abgeschlossen, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt.

 

§ 29 Persönliches Budget SGB IX

In Kraft seit dem 1.1.2020

 

(1) 1Auf Antrag der Leistungsberechtigten werden Leistungen zur Teilhabe durch die Leistungsform eines Persönlichen Budgets ausgeführt, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. 2Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt. 3Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. 4Das Persönliche Budget kann auch nicht trägerübergreifend von einem einzelnen Leistungsträger erbracht werden. 5Budgetfähig sind auch die neben den Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. 6An die Entscheidung sind die Leistungsberechtigten für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

 

(2) 1Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. 2In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben. 3Mit der Auszahlung oder der Ausgabe von Gutscheinen an die Leistungsberechtigten gilt deren Anspruch gegen die beteiligten Leistungsträger insoweit als erfüllt. 4Das Bedarfsermittlungsverfahren für laufende Leistungen wird in der Regel im Abstand von zwei Jahren wiederholt. 5In begründeten Fällen kann davon abgewichen werden. 6Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach Kapitel 4 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. 7Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen nicht überschreiten, die ohne das Persönliche Budget zu erbringen sind. 8§ 35a des Elften Buches bleibt unberührt.

 

(3) 1Werden Leistungen zur Teilhabe in der Leistungsform des Persönlichen Budgets beantragt, ist der nach § 14 leistende Rehabilitationsträger für die Durchführung des Verfahrens zuständig. 2Satz 1 findet entsprechend Anwendung auf die Pflegekassen und die Integrationsämter. 3Enthält das Persönliche Budget Leistungen, für die der Leistungsträger nach den Sätzen 1 und 2 nicht Leistungsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Leistungsträger nach § 15 zu.

 

(4) 1Der Leistungsträger nach Absatz 3 und die Leistungsberechtigten schließen zur Umsetzung des Persönlichen Budgets eine Zielvereinbarung ab. 2Sie enthält mindestens Regelungen über

 

1.     die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele,

2.     die Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs,

3.     die Qualitätssicherung sowie

4.     die Höhe der Teil- und des Gesamtbudgets.

 

3Satz 1 findet keine Anwendung, wenn allein Pflegekassen Leistungsträger nach Absatz 3 sind und sie das Persönliche Budget nach Absatz 1 Satz 4 erbringen. 4Die Beteiligten, die die Zielvereinbarung abgeschlossen haben, können diese aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung der Vereinbarung nicht zumutbar ist. 5Ein wichtiger Grund kann für die Leistungsberechtigten insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen. 6Für den Leistungsträger kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die Leistungsberechtigten die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht einhalten. 7Im Fall der Kündigung der Zielvereinbarung wird der Verwaltungsakt aufgehoben. 8Die Zielvereinbarung wird im Rahmen des Bedarfsermittlungsverfahrens für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen in Form des Persönlichen Budgets abgeschlossen.

 

 



Projekt „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz“
c/o Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.
Umsetzungsbegleitung zum BTHG 

Frage: Budgetverordnung außer Kraft?

Mit Einführung des Paragrafen 29 SGB IX wurde die bislang geltende Budgetverordnung außer Kraft gesetzt. Die Inhalte der Budgetverordnung wurden in den § 29 SGB IX übernommen. Nicht übernommen wurde allerdings der Satz „Laufende Leistungen werden monatlich im Voraus ausgezahlt“. Dies wird von manchen Kostenträgern (Sozialämtern) nun dahin ausgenutzt, dass das persönliche Budget für den laufenden Monat erst am Ende des Monats ausgezahlt wird, oftmals wird zunächst auch noch eine Vorlage der Nachweise gefordert, welche die Auszahlung noch weiter verzögert. Der Sinn eines persönlichen Budgets wird hierdurch ad absurdum geführt. Für Nutzer des Persönlichen Budgets (beispielsweise behinderte Arbeitgeber) führt dies zu massiven finanziellen Engpässen, da beispielsweise Sozialversicherungsbeiträge bereits am drittletzten Arbeitstag des laufenden Monats von Seiten der Krankenkasse abgebucht werden. Da das persönliche Budget für diesen Monat aber noch gar nicht zur Verfügung steht, kann die Krankenkasse nicht abbuchen, was Strafzahlungen und weitere bürokratische Schwierigkeiten auslöst. Frage: Soll der Wortlaut des § 29 SGB IX noch dahingehend verändert werden, dass der Satz „Laufende Leistungen werden monatlich im Voraus ausgezahlt“ wieder aufgenommen wird, um den dadurch entstandenen Spielraum der Kostenträger wieder einzuschränken, sodass ein persönliches Budget auch tatsächlich als solches im laufenden Monat verwendet werden kann, ohne dass am Monatsende zunächst die entsprechenden Nachweise vorgelegt werden müssen und somit der Sinn eines persönlichen Budgets völlig entstellt ist?

Antwort: Fälligkeit der Zahlungen im Persönlichen Budget

Nein. Es ist zutreffend, dass die angesprochene Regelung zum Auszahlungszeitpunkt aus der früheren Budgetverordnung nicht in den § 29 SGB IX übernommen wurde. Allerdings ist damit seitens des Gesetzgebers keine Änderung der Verwaltungspraxis in Bezug auf den Auszahlungszeitpunkt bei laufenden Geldleistungen, die in Form eines Persönlichen Budgets gewährt werden, beabsichtigt. Es besteht aus Sicht des BMAS keine Grundlage für eine Änderung der Verwaltungspraxis der Sozialhilfeträger mit Blick auf die allgemeinen und besonderen sozialrechtlichen Regelungen zur Fälligkeit von laufenden Geldleistungen (§§ 41, 47 SGB I; § 41 SGB II) und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach bei laufenden Geldleistungen im Sozialrecht von einer Fälligkeit zum Monatsbeginn auszugehen ist, soweit nichts Abweichendes geregelt ist (BSG v. 25.10.1994 - 3/1 RK 51/93 - juris Rn. 22-24).

 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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Das Persönliche Budget im Sinne eines „Wer sich nicht wehrt…“ (Teil 1)