Freitag, 18. Dezember 2020

Vergütungen verhandeln für 2021 (Teil 2)

Wie so eine Vergütungsverhandlung vor sich geht, konnte man aktuell ganz gut für Hamburg erleben. So ganz einfach ist es nämlich nicht, auch wenn die Hamburger sehr zum Vereinfachen neigen.

Man nimmt die Tarifabschlüsse von drei oder vier Tarifen (TV-L, TVöD, KTD und anderen) und errechnet sich eine Steigerungsrate für das kommende Wirtschaftsjahr. Man schaut sich eine Prognose zur Inflation an, und glaubt, dass sich damit die Sachkosten angemessen verteuern. Die Steigerung der Mieten muss dagegen im Einzelfall nachgewiesen werden.

Von der Steigerung der Personalkosten werden 80 % verwendet, von denen der Sachkosten die 20 %, und so bekommt man eine allgemeine Steigerung, die auf alle übrigen Verhandlungsbestandteile und Leistungsarten gerechnet wird – es sei denn, man hat es mit einigen Besonderheiten zu tun, die sich auf diese Weise nicht abbilden lassen. Und genau diese Besonderheiten können ihre „Tücken“ aufweisen, wie es sich nun zeigte.

 

Personalkosten

Die Einführung eines neuen Bereichs Sozial- und Erziehungsdienst im TV-L hatte schon eine ungeheure Herausforderung für die einzelnen Tarifteilnehmer mit sich gebracht. Die Anhebung der Entgelte bei den Beschäftigten war individuell sehr unterschiedlich, so dass man sich letztendlich in Hamburg mit einer Strukturanpassung in Höhe von 6 % zufriedengab; dazu wurde dann auch noch eine vereinbarte, tarifliche Entgeltanpassung gewährt.

Leistungserbringer, die aber dem TV-L nicht angehörten, ihn aber „analog“ anwendeten in Bezug auf die tarifliche Entgeltanpassung, sollten nur diese Steigerung erhalten. Und die Nicht-Anwender bekamen lediglich ein Drittel anerkannt. Die sich daraus ergebende Spreizung bei den durchschnittlich gezahlten Jahresgehaltskosten ist allerdings beträchtlich. Im Vorjahr reichte sie bei einer Vollzeitstelle von 51,3 bis 65,8 Tsd. Euro, wobei die Nicht-Tarifanwender den untersten Wert einnahmen. Die Tarifanwender nehmen in diesem Jahr eine Spanne ein, die von 60,7 bis 67,1 Tsd. Euro reicht. Es handelt sich, wie gesagt, um Durchschnitte in den jeweiligen Tarifklassen, aber sie verdeutlicht schon mal, wie attraktiv die Gehaltslage sein kann zwischen den einzelnen Tarifklassen.

Für den TVöD gab es dann noch einen Tarifvertrag zu einer Corona-Sonderzahlung, die jetzt im Dezember 2020 zur Auszahlung kommt. Eine Vollzeitstelle erhält somit 600 Euro ohne darauf Sozialabgaben und Steuern zu bezahlen; Teilzeitbeschäftigte erhalten das Geld natürlich anteilig, wobei der Stichtag 1.10.2020 dafür maßgeblich ist. Zusatzversorgungspflichtig ist dieses Geld auf jeden Fall nicht, so die Tarifparteien, und es könnte zudem sogar pfändbar sein – zumindest gehen an dieser Stelle die Meinungen auseinander. Dass die Verbände dieses Geld als pandemiebedingte Mehrausgaben geltend gemacht haben bzw. die Zahlung als einen Grund für eine wesentliche Vertragsänderung nach § 127 SGB IX behandelt sehen wollten, ist nicht geschehen. Dafür aber zeigte man ein Entgegenkommen und gab bei den Steigerungsraten für 2021 etwas mehr hinzu.

 

Zu- und Abschläge

Weil es für die Einführung des BTHG eine einmalige Verwaltungskostenpauschale von 150 Euro gab in 2020, musste dieser Geldbetrag in 2021 natürlich wieder herausgerechnet werden in der Vergütung der besonderen Wohnformen (bWF, ehemals stationäre Wohneinrichtungen). Dies geschah in einer Pauschale für die übrigen Personalkosten und Sachkosten je Platz; übrige Personalkosten deswegen, weil die Personalkosten für das pädagogische Betreuungspersonal an anderer Stelle (siehe oben) kalkuliert worden war. Und da es sich um einen Mischbetrag handelte, wurde die allgemeine Steigerungsrate aus den 80%-PK% und den 20%-SK% darauf gerechnet.

Gleichzeitig hatte man im Landesrahmenvertrag eine Absenkung von Nettojahresarbeitszeiten (NJAZ) beschlossen. Bei dieser NJAZ handelt es sich um die Zeit, die eine Betreuungskraft tatsächlich mit der Leistungserbringung am anspruchsberechtigten Menschen verbringt. Man rechnet also von der arbeitsvertraglichen Wochenarbeitszeit die Urlaube, Feiertage und sonstige Ausfallzeiten (z.B. Arbeitsunfähigkeiten) herunter, so dass man auf diese besagte NJAZ kommt. Da man in Hamburg im Landesrahmenvertrag eine Absenkung der NJAZ vereinbart hatte, wurde diese prozentuale Anpassung in den anderen Leistungsbereichen (stundenweise) Assistenz und Tagesförderung auf die allgemeine Steigerungsrate draufgesetzt.

Beispiel:

  • Gruppe 1 „Tarife TV-L / TVöD / TV-AVH“ = allg. Steigerungsrate 1,40 %
  • Zzgl. der Absenkung der NJAZ um 0,32, 0,33 oder sogar 0,38 %.
  • Die Vergütungen steigen um 1,72 / 1,73 oder sogar um 1,78 %.

Bei den besonderen Wohnformen brauchte das nicht unternommen werden, weil die Kalkulation der Vergütungssätze ohnehin mit dem jeweiligen Stundenanteil erfolgt. Es wurde also die neue NJAZ für das Jahr 2021 gem. der LRV-Anlage 5.4 verwendet, so dass der sich erhöhende Effekte letztlich auf die Entgelte durchschlug; und da muss man wissen, dass diese Kalkulation einen Stundensatz ergibt, der mittels verschiedener Leistungsstunden zu einem Wochen und Monatswert hochgerechnet werden (klingt kompliziert, ist aber wirklich eine Vereinfachung des Ganzen).

 

Fehler im Detail

Kompliziert wurde es nun, weil man zwei Fehler in der besagten Anlage 5.4 entdeckte. Zum einen hatte man sich in der Kategorie für die „38,5-Stunden“ komplett verrechnet und einen viel zu hohen Abschlag für die sonstigen Fehlzeiten verwendet. Die anderen Kategorien hatten 18,49 % als Abschlag, diese Kategorie aber rechnete mit 19,00 %. Im Ergebnis kamen somit 10 Stunden weniger heraus, die eine doppelte Ersparnis mit sich gebracht hätte – dieser Fehler wurde aber im letzten Moment entdeckt.

Im aller-letzten Moment stellte sich zudem heraus, dass zum Vorjahr die Absenkung der NJAZ nicht, wie behauptet 0,32, 0,33 oder sogar 0,38 % ausmachte, sondern 0,62 %. Das bedeutete nun, dass die Leistungserbringer in Wirklichkeit ein viel höheres Stundenkontingent einsetzen, aber nur einen (leicht geringeren) Teil nicht refinanziert bekommen. Pikanterweise sollten lt. VK-SGB-IX-Beschluss vom 13.11.2020 die Leistungserbringer in Höhe der NJAZ-Absenkung mehr Personal einsetzen. Da man das nicht klären konnte, wurde diese Frage auf die nächste Sitzung in 2021 verschoben.

Wo.Std.

2020

2021

in Std.

in %

38,50

1.586,40

1.566,67

19,73

1,24

38,20

1.586,40

1.576,53

9,87

0,62

38,72

1.594,64

1.584,72

9,93

0,62

39,00

1.607,00

1.597,00

10,00

0,62

40,00

1.648,21

1.637,95

10,26

0,62

 

Rundungsfehler

Wenn große Zahlen heruntergerechnet werden müssen, und sie dann wieder zu einer weniger großen Zahl hoch, dann entstehen immer Rundungsfehler. Auf dem Papier werden immer nur zwei Nachkommastellen angezeigt. Bei einem Tagessatz, den man beispielsweise für den Eintritt oder Austritt eines Klienten in einem Monat braucht, kann man nicht so einfach auf den Monat hochrechnen; also der Tagessatz entspricht nicht einem kalendertäglichen Monatsanteil. In Hamburg hatte man sich dazu aus Gründen der (angeblichen) Vereinfachung das Jahr mit 365,25 Tagen errechnet, so dass man keine großen Anpassungen vornehmen muss in Schaltjahren.

Ebenfalls aus Gründen der Vereinfachung hatte man sich gedacht, Monatspauschalen zu verwenden, um die Berechnung für die einzelnen Monate zu vereinfachen. Ein Januar kostet somit bei Vollauslastung das gleiche Geld wie ein Februar. Und von daher sollten die 365,25 Tage, die man für die Jahreskosten verhandelt hat und für einen Tagessatz braucht, zu 30,4375 Tagen pro Monat verwendet werden – tut man aber nicht, weil an dieser Stelle gerundet wird auf 30,44.

Das alles bedeutet, dass innerhalb der Kalkulationsblätter und am Ende in den Vereinbarungen ganz eigene Beträge stehen, die nur in etwa miteinander verknüpft sind, aber für die Berechnung untereinander nicht stimmig sind.

 

Für die Zukunft

Die nächsten Verhandlungen werden natürlich erst in einem Jahr möglich sein. Doch es gibt für die Vertragskommission nichtsdestotrotz schon jetzt viel zu klären:

  • Absenkung der NJAZ spiegelt sich nicht in den Vergütungen wieder.
  • Vereinheitlichung der NJAZ-Anwender (Abschaffung von Sonderrollen)
  • Rundungsfehler ausmerzen (Rechenwege einfacher gestaltet)

Beide Seiten könnten sich jetzt auch dem Thema Bedarfsfeststellungsinstrumente widmen, damit die Kalkulation der Leistungsstufen nachvollziehbarer wird. Das würde dann aber dazu führen, dass auf der Grundlage der NJAZ ein Kontingent an Vollzeitstellen errechenbar wäre, welches immer präsent sein müsste; in früheren Jahren konnten sich Leistungserbringer auf den hohen Krankenstand zurückziehen, wenn mal die Heimaufsichten den Mangel an Personal kritisierten. Weil die NJAZ den Krankenstand berücksichtigen sollte, würde das nicht mehr gehen.

Da man aber die Leistungsstufen in den besonderen Wohnformen (nicht für die ambulant zu betreuenden Menschen) nur als Kalkulationsgröße verstanden hatte, um ein vorher festgelegtes Budget zu verteilen, gibt es an dieser Stelle wieder eine Schwierigkeit. So lange diese Frage nicht beantwortet ist, wäre es für Leistungserbringer vorteilhafter, sich in die unterste Kategorie mit der niedrigsten NJAZ zu begeben, weil das das Stundenentgelt erhöht.

CGS

 

 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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