Sonntag, 3. Januar 2021

Das Persönliche Budget im Sinne eines „Wer sich nicht wehrt…“ (Teil 4) oder die neue Wirksamkeit

Der Titel ist an dieser Stelle nicht wirklich korrekt, weil es im Folgenden nicht um das Persönliche Budget geht. Aber es begann mit einer Geschichte über ein „verhindertes“ Persönliches Budget, die heute eine Fortsetzung erfährt.

Was mich nun besonders interessiert, ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Verlangen nach einer Wirksamkeitskontrolle und den ungenannten Risiken bei einer Zielverfehlung. Natürlich geht es um Steuergelder, die vom Staat zur Abwendung einer sozialen Notlage eingesetzt werden müssen und nicht verschwendet oder unangemessen verwendet werden dürfen. Oberstes Ziel ist es schließlich, die Würde des in Not geratenen Menschen zu schützen. Damit die Gelder wirksam und zielgerecht zum Einsatz kommen (und keine Verschwendung passiert), muss eine Vereinbarung geschlossen werden über den wirksamen Einsatz der Mittel. Der Leistungsempfänger verpflichtet sich zu einem verantwortlichen Umgang mit den Geldern und macht sich überprüfbar.

Was aber, wenn das Ziel nicht erreicht wird oder ein (kleiner) Fehler die Wirkungslosigkeit der bezahlten Maßnahmen begünstigt hat? – Man kennt so etwas auch aus anderen Bereichen, zum Beispiel Steuererklärungen. Wenn dem „Fiskalritter“ (man liest Konz) die Begründungen nicht passen, werden die geltend gemachten Ausgaben gestrichen.

§ 1 S. 1 SGB IX

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.

 

Die „behinderte“ volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe

Ausgangspunkt war ein Streit zwischen einem sozialen Leistungsträger der Jugendhilfe (SGB VIII) und den Eltern *) eines behinderten Kindes. Das Kind brauchte eine Schulassistenz / Schulbegleitung, und die Eltern wollten sich diese im Wege eines Persönlichen Budgets selbst beschaffen (§ 29 SGB IX). Der Leistungsanspruch war allerdings nicht Streitgegenstand. Das mit dem Persönlichen Budget wurde jedoch problematisiert, ja sogar zu einem ständigen Rechtsstreit über mehrere Instanzen gebracht. Auch wenn am Ende selbst das oberste Gericht den Eltern Recht gab, die Ausführung auf Seiten des Leistungsträgers stockte.

Knackpunkt war immer wieder die Ausgestaltung einer „Zielvereinbarung“, um die Mittel wirksam und zielgerecht einzusetzen für die Schulassistenz (siehe dazu auch meine vorherigen Blog-Beiträge). Der Text dieser Zielvereinbarungen (und einem dazugehörigen Hilfeplan) soll sehr fehlerhaft gewesen (und noch immer) sein. So wurden die Eltern als Leistungsempfänger benannt und nicht das leistungsberechtigte Kind, es fanden sich Rechtschreibfehler und abweichende Datumsangaben. Daneben gab es jedoch auch das Verlangen nach „monatlichen Nachweisen über die Teilnahme [des Kindes] am Unterricht“ und eine „monatliche Darstellung der Entwicklung [des Kindes]…“ **) (S. 2 eines „Protokolls“ über diese Angelegenheit).

Ein solches Verlangen ist schon ein wenig befremdlich. Professionelle Leistungserbringer müssen in der Regel nur einmal jährlich einen „Entwicklungsbericht“ über die Klienten verfassen, aber auf keinen Fall pro Monat. Das wäre dann schon sehr diskriminierend seitens des Leistungsträgers und mehr als unangemessen. Wenn jetzt nämlich ein solcher Nachweis den Eltern nicht gelingt oder der Leistungsträger stört sich an Form und/oder Inhalt dieser Berichte, würde es sich um einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Zielvereinbarungen handeln. Und die Folge davon wäre was? – Die Gelder müssten zurückgezahlt werden, weil eine wirksame Umsetzung nicht erfolgte (siehe auch Fußnote).

In den Unterlagen zu dieser Sache finden sich noch weitere Merkwürdigkeiten, die an dieser Stelle nicht weiter gebraucht werden (siehe dazu ansonsten die Notizen weiter unten). Es soll im Weiteren um diesen Begriff der „Wirksamkeit“ gehen, da in einem (gottseidank) anderen Umfeld ebenfalls ein Streit darüber ausgebrochen ist – ein Streit, der jedoch mit ganz anderen Mitteln geführt wird und (zum Glück) nicht die Leistungsberechtigten oder deren Angehörige betrifft.

 

Der Wunsch nach Wirksamkeit für die Betroffenen

In der UN-BRK findet sich immer wieder die Forderung nach Maßnahmen oder Zugängen, die „wirksam“ („effective“) sind (siehe Art. 8, 13 und 23). Zum Beispiel haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, „… sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um … (1.) in der gesamten Gesellschaft … das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern …“ (Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 UN-BRK). Damit wird meines Erachtens nur zum Ausdruck gebracht, dass sich mit der Behindertenrechtskonvention endlich etwas tun soll – keine Symbol-Politik, sondern eine echte Gleichstellung.

Im Abschlussbericht zum neuen Bundesteilhabegesetz wurde zum Beispiel gesagt, dass zugunsten der leistungsberechtigten Menschen eine „strenge Fristenregelung und wirksame Sanktionen für den Fall der Nichtkooperation eines Trägers“ vorzusehen ist im Rahmen des Verfahrens über die Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung (S. 64, BTHG-Abschlussbericht Teil A). Wie gesagt sollte mit einem solchen Denken eine bemerkenswerte Reform im Recht der behinderten Menschen vonstattengehen. Weitere Beteiligte in den Beratungen um das BTHG, wie z.B. die DGUV, sprachen sogar die Empfehlung aus, dass die (seinerzeit) bestehenden Regelungen zur Bedarfsermittlung und Leistungserbringung „auf ihre Wirksamkeit und Optimierung hin zu überprüfen und ggf. anzupassen“ sind (S. 98).

Vermutlich hat sich in diesem Moment die Erkenntnis aufgetan, dass echte Wirksamkeit auf allen Ebenen auch die der Leistungserbringer betrifft. Zumindest schleicht sich sozusagen dieser Gedanke in die Reformziele der Arbeitsgruppe zum Bundesteilhabegesetz ein (Nr. 6, siebter und achter Punkt): „Wirksamkeitskontrolle auf Einzelfall- und Vertragsebene“ und „ Verbesserung der Steuerung der Leistungen der Eingliederungshilfe, um die Leistungen im Rahmen der begrenzten Ressourcen effektiv und effizient zu erbringen und zur Verbesserung der Situation behinderter Menschen beizutragen“ (S. 14). Wie immer also sollte es nicht nur um eine Verbesserung für die Menschen geben, sondern das alles mit „begrenzten Ressourcen“ (S. 26). Und das beweist leider, dass der unsägliche „Ressourcenvorbehalt“ aus früheren Jahren überlebt hat.

Dieser Schwenk von der „wirksamen Teilhabe“ (§ 1 S. 1 SGB IX) hin zu einer „Steuerung begrenzter Ressourcen“ schlug sich nicht überall vehement nieder. Unterscheiden kann man an diesem Punkt zwischen dem Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten (§ 8 SGB IX) und dem Vertragsrecht mit den Leistungserbringern (§ 125 SGB IX).  

 

Das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten

Im Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 8 SGB IX findet sich ein Passus, wonach ein Leistungsberechtigter eine Geldleistung anstelle der Sachleistung verlangen kann, wenn die gewünschten Leistungen nicht in Rehabilitationseinrichtungen ausgeführt werden können (Abs. 2). Eine Schulassistenz wäre so etwas, weil die Leistung natürlich außerhalb einer solchen Einrichtung erbracht werden muss. An dieser Stelle sind nun nach meinem Dafürhalten zwei nennenswerte Bedingungen enthalten: 

·         „voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit“ und

·         „wirtschaftlich zumindest gleichwertig“.

Die Wirksamkeit muss lediglich „voraussichtlich“ gleich sein. Und das heißt, dass man sich im Vorwege Gedanken darüber macht und die Wirksamkeit in einer Haltung des Erwartens beschreibt. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine bestimmte Wirksamkeit als Ziel benannt wird, sondern man vermutet, dass die Wirkung der Geldleistung der der Sachleistung gleichkommen wird. Die Wirkung der Sachleistung wird als bekannt angenommen, und es muss dann darauf verwiesen werden.

Aber das ist schon kompliziert, weil die Wirksamkeits-Kriterien, wie sie bei professionellen Leistungserbringern in sogenannten Leistungsvereinbarungen beschrieben sind (vgl. § 125 SGB IX), eigentlich unbekannt bleiben – man kann sie nicht so ohne weiteres an Fremde herausgeben. Man kann sich also nur auf etwas Unbekanntes beziehen, und das ist keineswegs zielführend.

Spricht man von „wirtschaftlich“, meint man eigentlich ein Kosten-Nutzen-Verhältnis. Man schaut sich die Kosten einer Leistung an und setzt sie in Bezug zum erzielten Nutzen. Etwas wäre also wirtschaftlich, wenn die Kosten = 1 und der Nutzen = 1 wären; würden die Kosten = 2 und der Nutzen = 2 sein, wäre ebenfalls die Wirtschaftlichkeit erreicht. Und das bedeutet, dass die Geldleistung durchaus höher ausfallen darf, wenn der erwartete Nutzen auch höher ausfällt. Weil Geldleistungen gedeckelt werden könnten, sich beispielsweise nach den (ortsüblichen) Kosten einer professionellen Leistungserbringung orientieren würden, wird der Nutzen jedoch ein ganz anderer sein und sich nicht nach den tatsächlichen persönlichen Bedarfen des leistungsberechtigten Menschen richten. Und in dem Fall müsste man konstatieren, dass das Wunsch- und Wahlrecht nicht wirksam verwirklicht wird (vgl. dazu auch in den Notizen einen Bezug auf ein Urteil des SG Detmolds).

 

Die Nachweislegung

Im Gesetz wird verlangt, dass „für die Beurteilung der Wirksamkeit […] die Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger geeignete Unterlagen zur Verfügung [stellen sollen].“ (§ 8 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Um was es dabei genau geht, ist somit persönliche Verhandlungssache.

Weil das mit der Wirksamkeit selbst so eine Sache ist, muss man sich gut fragen, wie man einen Nachweis erbringen kann. Viele Stellen verkürzen sich den Denksport damit, dass sie eine bestimmte Zielmenge (oder Zielmarke) festlegen. So eine Menge lässt sich nämlich schnell ermitteln. Wenn jetzt eine Abweichung eintritt und diese nach Auffassung der anderen Seite nicht gut begründet ist, müsste eine leistungsberechtigte Person ein Rückverlangen der erhaltenen Gelder fürchten; denn das, was in den Zielvereinbarungen nämlich fehlen kann, ist eine Regelung für genau diesen Fall. ***)

Es geht immerhin um sehr viel Geld. Eine Betreuung kann pro Monat durchaus 3000 Euro kosten. Weil bei einem Persönlichen Budget meistens die gesetzlichen Betreuer wesentlich beteiligt sind, könnte eine Forderung auf Rückerstattung sie einbeziehen (in einem mir bekannten Fall, der allerdings nicht auf einem Persönlichen Budget beruht, ist der gesetzlich bestellte Betreuer tatsächlich erfolgreich haftbar gemacht worden und musste sehr viel Schadensersatz leisten). Das Risiko ist also nicht zu verachten und muss, gerade bei Eltern, die eine bestimmte Schulassistenz / Schulbegleitung wünschen, schon ins Auge gefasst werden (vgl. dazu auch § 29 Abs. 4 SGB IX).

Das Gesetz verweist an vielen Stellen auf die Qualitätssicherung. Und weil ein Persönliches Budget nur eine andere Ausführungsform darstellt, gelten an sich die selben Bedingungen, die auch für professionelle Leistungserbringer geschrieben wurden (vgl. §§ 37, 38 SGB IX). Selbstverständlich muss man den Grundsatz der Angemessenheit anwenden und berücksichtigen, dass ein Profi wesentlich mehr falsch machen kann, als ein Budgetnehmer – darum braucht es derartige Regeln. Nichtsdestotrotz wird es einige Ähnlichkeiten geben zwischen der Zielvereinbarung aufgrund eines Persönlichen Budgets und einem Vertrag mit einem Leistungserbringer (vgl. § 38 SGB IX).

 

Die Qualität der Leistung wird um die Wirksamkeit ergänzt

Verträge mit Leistungserbringern, den Profis, müssen u.a. eine Regelung enthalten zur Qualität hinsichtlich der Leistungsausführung (vgl. § 38 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX und § 125 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX), denn schließlich steht im Vordergrund des Ganzen, die „volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“ herzustellen (§ 1 Abs. 1 SGB IX).

Qualität lässt sich nun in drei Aspekte einteilen: Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität. Mit der Strukturqualität wird eigentlich die Sammlung an Ressourcen gemeint, die man für die Leistungserbringung braucht (d.h. das behindertengerechte Auto, die barrierefreie Wohnung, ein speziell ausgebildetes Fachpersonal). Die Strukturen müssen also bedarfsgerecht und in ausreichendem Maße vorhanden sein, damit die Leistungserbringung vonstattengehen kann. Bei der Prozessqualität wird auf die einzelnen Verfahren verwiesen, die so gestaltet sein sollen, dass beispielsweise eine Berichterstattung zur richtigen Zeit oder ein Beschwerdemanagement funktioniert. Die Prozesse müssen sich allerdings auch auf die Strukturen oder Ressourcen beziehen, denn diese werden für die Aktivität der Leistungserbringung gebraucht (Stichwort am Rande: Activity-Based-Costing). Die Ergebnisqualität wird dagegen als ein wesentliches Element der Steuerung seitens des Gesetzgebers verstanden (S. 7, BR-Dr 262/04, Begründung zu § 4). Es handelt sich dabei um die Gesundung oder Güte der Behandlung (medizinisch), der Vorher-Nachher-Effekt einer Leistung, Zufriedenheit und wiedergewonnene Lebensqualität, (zählbaren) Ressourcen-Zugewinn.

Nach § 125 SGB IX ist nun in den Vereinbarungen zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe-Leistungen und einem Leistungserbringer die „Qualität einschließlich der Wirksamkeit“ zu regeln (Abs. 1 Nr. 1). Diese Neuerung hat im Bundesland Schleswig-Holstein in den Verhandlungen über (Muster-) Leistungsvereinbarungen  zu einigem Dissens geführt, denn es droht bei einem Verfehlen der Teilhabe-Zielen eine Kürzung der Vergütung – kommt bekannt vor?!

Der Qualitätssicherung kommt von daher eine ganz neue Bedeutung zu, so die Leistungserbringer und ihre Interessenvertretungen. Ein Qualitätsmanagement-System muss her, welches ganz genau das Erreichen der individuellen Ziele verfolgen muss und an die übergeordneten Hierarchien berichten muss. Von daher braucht es höhere Investitionen und eine dauerhafte Stellenbesetzung, die mit der Qualitätskontrolle beauftragt ist (Qualitätsbeauftragter).

Die Seite der Leistungsträger sieht das ganz anders. Wenn ein Leistungserbringer einen Menschen mit erklärten Teilhabe-Zielen als Klienten aufnehmen will, wird es einen Vertrag schließen und sich Zug-um-Zug zu einer ganz bestimmten Leistung gegen Zahlung eines Geldes verpflichten – so wie jeder andere Leistende im Geschäftsleben auch.

Wenn es genauso sein soll, wie bei jedem anderen Geschäft, dann steht dem sich verpflichtenden Vertragspartner auch eine Risikoprämie bzw. ein Wagniszuschlag zu. Ob ein solches Geld nun mittels eines Qualitätsbeauftragten oder Investitionsgeld in das QM-System kalkuliert wird, sei dabei völlig unerheblich; es muss aber eine höhere Vergütung dabei herauskommen.

Dieser Begriff „Wirksamkeit“ ist ein Pulverfass.

CGS

 

 

Weitere Quellen und Ressourcen:

Deutsches Institut für Menschenrechte
Link: Thema: Rechte von Menschen mit Behinderungen
 
Deutscher Bundestag
Dokumentations- und Informationssystem DIP
Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Budgetverordnung - BudgetV) (G-SIG: 15021556) 
Link: Bundesrat-Drucksache 262/04

 

Fußnoten: 

*) = Es wird unabhängig von der tatsächlichen Sachlage einheitlich auf „die Eltern“ und „das Kind“ abgestellt. 

**) = Die Quelle hiervon ist mir bekannt, wird aber mangels ausdrücklicher Freigabe der publizierenden Person hier (noch) nicht mitgeteilt. 

***) = Wenn die Zielvereinbarung „im Einzelfall den Charakter einer Auflage [enthält], dann stellt ein Handeln entgegen den Bestimmungen der Zielvereinbarung einen Verstoß gegen die Auflage dar.“ (Rz. 32 zu § 57 SGB XII-a.F., Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 8. Aufl.).

 

Notizen:

1.
Was anscheinend hinzu kam seitens der Schule, die für die Einschulung des Kindes zuständig ist: Die Kommunikation mit den Sorgeberechtigten wurde „boykottiert“ (S. 6). Und damit wurde auf einer ganz anderen Ebene zu dem Misslingen der Beschulung und dem Schulassistenz-Einsatz beigetragen. Weil sich dazu noch der Sozial-Leistungsträger nicht zuständig fühlte, um mittels Amtsintervention einzuschreiten und die Notlage abzuwenden, stellt sich zudem die Frage, inwieweit diese Erklärung der Nicht-Zuständigkeit ein Fehlverhalten darstellte und zu einer Entschädigung oder einem Schadensersatz (wie auch immer) führen könnte. Durch ein derartiges Zusammenspiel von Schule und Jugendhilfe entsteht keine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe nach den Menschenrechten, der Verfassung unseres Staates und allen Landes-Gesetzen.

Prekär wird es nun, weil das vorgenannte Zusammenspiel möglicherweise systematisch erfolgte und sogar die zuständige Ortspolizei beteiligt wurde (so zumindest weitere Unterlagen und Aussagen im besagten Fall, die aber von meiner Seite her nicht überprüft werden konnten). Von daher endet es an dieser Stelle mit dem Bezug auf den vorliegenden Fall (der mich in der Tat fassungslos macht).

2.
In einem Urteil eines Sozialgerichts in Detmold erstritten sich die Sorgeberechtigten einen auskömmlichen Geldbetrag. Der Leistungsträger glaubte nämlich, dass für eine Schulbegleitung auch „sogenannte 400-Euro-Kräfte“ ausreichend seien (SG Detmold, Urteil vom 25.2.2015, Az. S 8 SO 328/12). Das Sozialgericht stellte in dem Verfahren heraus, dass mit dem Persönlichen Budget ein Antragsteller die Hilfen bedarfsgerechter organisieren und gestalten kann. Von daher wäre es als ein angemessener Bestandteil des Wunsch- und Wahlrechts nach § 17 Abs. 2 SGB IX a.F.) anzuerkennen und die Kosten zu übernehmen. Weil die geltend gemachten Kosten sogar etwas niedriger lagen als die Vergütung von professionellen Anbietern, sah man diese als Obergrenze an und urteilte für die leistungsberechtigte Person.

3.
Menschen mit einem Hilfebedarf können nur solche sozialen Leistungen beanspruchen, die geeignet und bemessen sind zur Überwindung der Notlage. Genau deswegen spricht man von zielgerichteten Leistungen, und zwar immer, auch im Fall der Ausführung als Persönliches Budget. Das bedeutet, dass die Ziele (zum Beispiel die Teilhabe am Schulunterricht in einer Regelschule) sowie die Leistungserbringung an sich (zum Beispiel mit Hilfe einer bekannten Person als Schulbegleitung) klar benannt und beschrieben werden in einer Zielvereinbarung (Leistungsvereinbarung).

Mit dem Recht auf Persönliches Budget kommt ebenfalls die Pflicht zur Berichterstattung. Die zweckentsprechende Verwendung der erhaltenen Mittel muss nachgewiesen werden, zum Beispiel anhand eines Zahlungsbelegs für die Schulbegleitung. Ebenso muss über die Arbeit an sich, was also die Leistungserbringung in ihrer Art, Umfang und Inhalt betrifft, eine Unterlage vorgebracht werden; das könnte man mit einer chronologischen Aufzählung der Schultage mit kurzer Beschreibung erreichen. Mit diesen Dingen kann der Leistungsträger jedenfalls dem gesetzlichen Gebot der Zielgerichtetheit und der Beobachtung des Rehabilitationsverlaufs nachkommen (vgl. S. 429, Rz. 11 zu § 57 SGB XII in Bieritz Harder, LPK-SGB XII, 8. Aufl.; neu wäre § 29 SGB IX).

4.
Activity-Based-Costing ist ein Gedankenmodell im Controlling. Man erkennt an, dass Aktivitäten einen Verbrauch von Ressourcen bedeuten. Ressourcen kosten Geld. Wenn man also etwas tut bzw. aktiv ist, wird Geld verbraucht. Durch die Verknüpfung von Ressourcen und Aktivitäten mit dem Ergebnis entsteht ein komplexes Kostenmodell, welches aber sehr genau nach dem Verursacher-Prinzip den Verbrauch der Gelder darstellt. Auf diese Weise können Verantwortlichkeiten sehr gut modelliert werden.

 

 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? 

Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich reihum auf die übrigen Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren und ist ein guter Motivator für mich.

Möchten Sie was sagen?

Schreiben Sie mir eine E-Mail – Ihre Meinung hilft mir, meine Sichtweise neu zu überdenken. Meine E-Mail-Adresse finden Sie auf der Seite Über mich.

 

Das Persönliche Budget im Sinne eines „Wer sich nicht wehrt…“ (Teil 4) oder die neue Wirksamkeit