Freitag, 14. Mai 2021

Neue Mustervereinbarung zu Leistungen der Eingliederungshilfe in Hamburg – zweite Fortsetzung

Einige Punkte konnten geklärt werden – zum Beispiel ist diese Sache mit der Kapazität nicht mehr so brennend. Auch die Unklarheiten zum Begriff der qualifizierten Assistenz sind nicht mehr von gravierender Bedeutung, doch weil es bei der Fachkraftquote gewichtiger geworden ist, wird man dennoch an der Formulierung über die „Fachkräfte“ basteln müssen.

Das Folgende ist die Fortsetzung eines früheren Beitrags inklusiver eines weiteren Punktes, der vielleicht mitbedacht werden sollte.

 

Punkt 1: Eine Entkopplung der Verträge ist beim Wohnen mit Assistenz nicht zulässig.

Die Behörde hat zu dieser Problematik bisher nicht reagiert. Es gibt allerdings eine Stellungnahme des Gesamtverbands zum Thema Koppel-Verträge, welche die Seite der Leistungserbringer bestätigt. Und es gibt zudem eine juristische „Handreichung zum Bundesteilhabegesetz für Leistungserbringer von besonderen Wohnformen“ aus dem Jahr 2019, die ebenfalls auf das Problem der Koppel-Verträge eingeht. Eine Entkopplung kann von daher gar nicht geschehen, so der Landesverband.

Der Entwurf soll angeblich von einer Einzelnen aus der Behörde gekommen sein, die mit dem Thema noch nicht viel zu tun hatte. Sehr wahrscheinlich wird man sich verständigen können.

 

Punkt 2: Der Leistungsvereinbarung liegt eine Kapazität von <<xx>> Plätzen vor.

Eine Neuformulierung könnte es geben, obwohl so eindeutig es nicht ist. Manche Leistungserbringer zeigen sich verständnisvoll, andere sehen keinen Grund für so eine Form der Restriktion. Die Festlegung von Kapazitäten bzw. Platzzahlbegrenzung dient nach Meinung der ersten Gruppe nicht dazu, den Zugang zum Markt, wenn man sich das so vorstellen mag, zu versperren. Natürlich wird es damit eine Barriere geben, die jeden zuerst einmal daran hindert, auf Kosten der Allgemeinheit die Kapazitäten auszuweiten. Aber es stellt keine Ausschlussformel dar. Leistungserbringer und Leistungsträger können ins Gespräch gehen und die berechtigten Interessen verteidigen. Daran zweifeln wiederum die Vertreter der zweiten Gruppe.

 

Punkt 3: Fachkräfte als qualifizierte Assistenz

Zwei Personengruppen sollen zu den Fachkräften zählen:

-        solche, die mindestens eine dreijährige abgeschlossene Fach- oder Hochschulausbildung vor allem in den Bereichen Sozialpädagogik, Sozialarbeit bzw. Soziale Arbeit, Psychologie sowie Pflege- und Heilberufe aufweisen; und

-        solche, die über eine mindestens zweijährige Ausbildung (z. B. als sozialpädagogische Assistenten) sowie einschlägige Fort- und Weiterbildungen verfügen. Die Sozialbehörde hat in diesen Fällen eine Überprüfung vorzunehmen, bevor die Anerkennung als Fachkraft erfolgt.

Besser wäre es, wenn man auf die landesrechtlichen Vorgaben eingehen würde.

„Die Assistenzleistungen zur Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung, insbesondere das Anleiten und Übungen, werden von Fachkräften als qualifizierte Assistenz erbracht. Zu den Fachkräften zählt ein Personal mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung bzw. einem höheren beruflichen Abschluss. Personal mit einer mindestens einjährigen Ausbildung (z. B. als sozialpädagogische Assistenten) sowie einschlägiger Fort- und Weiterbildung wird gemäß den Bestimmungen in § 5 WBPersVO landesrechtlich anerkannt und zählt ebenfalls zu den Fachkräften. Die Sozialbehörde kann im Einzelfall eine Überprüfung vornehmen.“

Die Unterstreichung ist an dieser Stelle entscheidend, da man zwischen vier Berufsgruppen unterscheiden muss. In welchen Anteilen die Leistungserbringung geschehen soll, wird mit der Fachkraftquote im Vereinbarungstext bestimmt.

3-jährige Ausbildung

Fachkraft bzw. Assistenzfachkraft

Qualifizierte Assistenz

§ 78 Abs. 2 SGB IX, § 5 Abs. 4 WBPersVO

1-jährige Ausbildung in einem fachbezogenen Helfer-Beruf mit Fort- und Weiterbildungen

Landesrechtlich anerkannte Assistenz

(Einfache) Assistenz

§ 5 Abs. 5 WBPersVO

1-jährige Ausbildung in einem fachbezogenen Helfer-Beruf

Assistenzkraft

(Einfache) Assistenz

Indirekt: § 5 Abs. 3 S. 3 WBPersVO

Sonstige Berufe, die nicht gleichwertig sind

Beschäftigte in der Betreuungstätigkeit

Un- oder angelerntes Personal

Keine Bestimmung

Daneben enthält der Entwurf eine Regelung zum Leitungspersonal, der allerdings bis jetzt nicht in die Beratungen gelangt ist.

 

Punkt 4: Beschäftigungsquote von Fachkräften

Vereinbart werden soll dieser Text in der Leistungsvereinbarung zum Wohnen mit Assistenz:

„Die Beschäftigungsquote von Fachkräften beträgt mindestens 90%. Un- und angelerntes Personal kann mit einer Beschäftigungsquote von bis zu 10% eingesetzt werden.“

In § 5 Abs. 3 S. 1 WBPersVO wird eine Quote von mindestens 50 % bestimmt (auch wenn das jetzt ein Paragraf aus dem Passus für Wohneinrichtungen ist, die übrigen Teile beziehen sich ohne Abweichung ebenfalls darauf). Eine solche Quote an Fachkräften kann man nun mit den jeweiligen Leistungsvereinbarungen sozusagen individuell festlegen, um das übergeordnete Ziel besser verwirklicht zu bekommen; wie gesagt, nach Satz 3 wird zwischen Fachkräften und landesrechtlich anerkannten Assistenten differenziert. Von daher wäre eine Gewichtung im Text der Vereinbarung entscheidend.

Für den jetzt zu verhandelnden Entwurf wäre eine hohe Quote an fachlich qualifiziertem Personal ganz sinnvoll.

Im Übrigen sollte statt des Begriffs der „Beschäftigungsquote“ viel lieber der aus der WBPersVO verwendet werden: Fachkraftquote.

 

Neuer Punkt 5: Assistenz im Krankenhaus

Eine Neuerung, die so gar nicht neu ist. Die sogenannte „Krankenhausbegleitung“ gab es schon bei manchen Leistungserbringern mit „vollstationären“ Wohneinrichtungen. Immer dann, wenn ein Mensch mit Behinderungen einen Krankenhausaufenthalt hatte, gab es sozusagen eine „Übergabe“ des Betreuten mit Hinweisen für eine bessere Verständigung und regelmäßigen Besuchen.

Einige Leistungserbringer sahen so etwas als eine nicht finanzierte, freiwillige Leistung, andere wiederum sahen mit dem Platzfreihaltegeld diese Besuche abgegolten. Mit der Corona-Krise kam es jedenfalls vermehrt zu einem Bedarf der Betreuung des vertrauten Menschen im Hospital. Die Finanzierung war nie gut geregelt bzw. es wurde sogar von den Leistungsträgern bestimmt, dass solche Bedarfe von den Krankenkassen zu übernehmen sind. Dieses Manko kritisieren die Bundesverbände und machen mobil. Mit Beschluss vom 22.4.2021 verlangte nun auch der Bundestag, dass die Bundesregierung sich mit der Frage beschäftigt.

Im Entwurf fehlt es an einem entsprechenden Passus. Die Leistung soll sich nur auf das Wohnen beziehen, aber nicht auf andere Bereiche wie zum Beispiel das Krankenhaus. Fehlt es nach wie vor daran, ist das für die Leistungserbringer kein Problem – nur für den Menschen mit Behinderung.

CGS

 

 

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