Mittwoch, 30. Juni 2021

Strafzinsen und Kontoführungsgebühren

Dieser Beitrag betrifft eher Privatleute und hat eigentlich gar nichts mit Eingliederungshilfe zu tun. Weil aber an anderer Stelle das Thema aufkam, werden hier jetzt ein paar Gedanken veröffentlicht.

Es fing zwar nicht mit dem BGH-Urteil zur sogenannten „Zustimmungsfiktion“ an, aber angesichts dieser Sichtweise wird das seit einiger Zeit fragwürdige Verhalten einiger Geldhäuser im Umgang mit Geldeinlagen auf den Konten nun auch angreifbar. Eine Vereinbarung über die Verwahrung von Geldern kann wiederum für Rechtssicherheit sorgen, wenn es aber in dieser Vereinbarung Lücken gibt in den Bestimmungen, geht das nicht.

+++ Nachtrag vom 27.1.2022 +++

Nun hat ein zweites Landgericht eine verbraucherfreundliche Entscheidung getroffen. Das LG Düsseldorf entschied, dass ein kein Verwahrentgelt berechnen darf, wenn es gleichzeitig eine Kontoführungsgebühr vereinbart hat. Um eine Sonderleistung würde es sich bei der Verwahrung nicht handeln. Ein Verwahrentgelt würde eine doppelte Gegenleistung bedeuten für die im Girovertrag vereinbarte „eine Leistung“ der Bank. 

Landgericht Düsseldorf
Aktenzeichen 12 O 34/21
Urteil verkündet am 22.12.2021 (per 27.1.2022 noch nicht rechtskräftig)

Würde man die Argumentation der Banken nun auf Darlehensverträge anwenden, müsste ein Kreditinstitut seinem Darlehensnehmer für die Annahme des Darlehens ein Verwahrentgelt zahlen (§ 484 BGB). 

+++ Nachtrag vom 9.7.2021 +++

Banken dürfen Negativzinsen verlangen, urteilte jetzt das Landgericht Leipzig. Doch so etwas geht nur für Neuverträge, wurde klargestellt. 

Inwieweit es noch einer weiteren Klarstellung braucht, wird jetzt auf beiden Seiten wohl geprüft. Bestandskunden, die das Kontomodell wechseln, müssten vermutlich auf diese Möglichkeit, wie auch den Mechanismus zur Akzeptanz höherer Gebühren, ganz besonders hingewiesen werden; so, wie man es auch mit dem Mindest-Geldeingang pro Monat gemacht hat in vielen Fällen. Preiserhöhungen stellen ein wesentliches Vertragselement dar. Ein Verweis auf die AGB wäre von daher unwirksam. Mit Negativ-Zinsen (a.k.a. Strafzinsen oder Verwahrentgelt-Zinsen) verhält es sich ebenso. 

Übrigens hatte die beklagte Sparkasse den Versuch unternommen, ganze "0,7 %" Zinsen zu verlangen zusätzlich zur monatlichen Kontoführungsgebühren, so ein Bericht. Das alleine zeigt schon, dass es nicht um eine Kostendeckung aufgrund der negativen Einlagenzinsen bei der EZB geht, sondern man will schlichtweg Geld verdienen und nutzt die Diskussion (und evtl. sogar das Verständnis der Kunden) einfach aus. 

Und eine zweite Erkenntnis, die man eigentlich als Kaufmann oder Unternehmenslenker von Grund auf beherrschen sollte: Preiserhöhungen müssen immer kritisch geprüft werden.

+++

Ein Paukenschlag des BGH

Am 27.4.2021 gab der Bundesgerichtshof dem Verbraucherzentralen Bundesverband (VZBV) Recht und bestätigte, dass die von der Postbank verwendeten, offenen AGBs zu offen formuliert worden waren. Der Bundesverband fasste das so zusammen:

„Klauseln zu möglichen Vertragsänderungen, die so formuliert sind, dass die Bank sich eine fingierte Zustimmung einholen kann, um ihre AGB uneingeschränkt zu verändern, benachteiligen Verbraucher:innen unangemessen und sind unzulässig.“ (Quelle siehe unten).

Die sogenannte Zustimmungsfiktion bzw. das Stillschweigen des Verbrauchers (der Privatkunde der Bank) auf eine angekündigte Vertragsänderung kann nicht unterstellt werden. Von daher wären alle Änderungen, die es in den letzten Jahren (seit 2018) auf diese Weise gegeben hat, nichtig. In fast jedem Fall sind von daher Preisänderungen und der Wegfall von Leistungen zum jeweiligen Vertrag mit der Bank nicht begründet und könnten nun zu einer Rückerstattung bei zu viel gezahltem Geld oder die Einforderung der vermissten Leistungen führen. Es muss nur gefordert werden vom Kunden, so die Empfehlung.

Dieses Urteil bringt allerdings noch eine andere Sache zu Fall bei den Banken, mit denen man bis vor kurzem gar nicht rechnete: Strafzinsen bzw. Guthaben-Verwahrentgelte.

 

Strafzinsen ohne Vereinbarung geht nicht

Weil alle Banken auf ihre Einlagen bei der EZB einen Negativ-Zins bezahlen müssen von zzt. 0,5 % im Jahr, begannen viele damit, einen solchen Zins ebenfalls von ihren Kunden einzufordern. Begründet wurde dies damit, dass das Horten von Geldern auf den Sparbüchern, Girokonten und Tagesgeld-Konten zu immensen Kosten bei den Banken führen. Bei Geschäftskunden fing man an (aber nicht immer!), Ende 2020 begannen einige Institute dies auch mit ihren Privat-Kunden zu tun.

Zwar gestattet man einen Freibetrag und belastet den darüber hinausgehenden Saldo aller Einlagen mit dem Strafzins, aber wenn ein solches Verhalten ohne ausdrückliche Anerkennung des Kunden stattfindet bzw. es wurde erneut die Zustimmung des Verbrauchers lediglich fiktiv unterstellt nur weil dieser aufgrund der Ankündigung schwieg, wäre das BGH-Urteil ebenfalls anwendbar. Einige Banken erkannten dieses Problem und haben bereits eine Guthaben-Verwahrentgelt-Vereinbarung an die privaten Bank-Kunden geschickt.

Eine solche Vereinbarung muss vorrangig regeln, wie das Verwahrentgelt ermittelt wird. Man kann zum Beispiel einen Monats-Durchschnittsbetrag errechnen aus der Summe aller Einlagen in der Euro-Währung (im Falle eines Fremdwährungskontos wäre eine gleichlautende Regelung denkbar). Sofern ein Kunde unter seiner Stammnummer verschiedene Konten mit Einlagen führt, werden ggf. die Tagessalden zusammengezählt und durch eine Anzahl Tage geteilt – sind es dann aber die Kalendertage, Werk- und Bankarbeitstage in dem Monat? Und spricht man von Buchungstagen oder den Wertstellungen? Wenn eine solche Definition nicht auffindbar ist und sich ein verständiger Dritter das nicht denken kann, entsteht eine Regelungslücke.  

Vom Durchschnitt zieht man den Freibetrag ab und multipliziert den Rest mit dem „Kostensatz“ bzw. Zinssatz (Strafzinssatz); sehr wahrscheinlich wird dieser Zinssatz mit dem der EZB-Einlagenfazilität gekoppelt, so dass es an diesem Punkt einen Automatismus gibt, auf den man sich verlassen könnte. Nur was passiert, wenn dieser Zinssatz am letzten Tag des Berechnungsmonats auf Null Prozent gesetzt wird von der EZB, kann noch etwas gerechnet werden? Oder gilt für die Berechnung des Verwahrentgelts der Zinssatz am ersten Tag des Monats? Auch diese Fragen müssen in der Vereinbarung angesprochen werden, damit es nicht wieder zu einer Regelungslücke kommt.

Auch wenn die Vereinbarung keine Vertragslaufzeit aufweist und damit unbefristet ist, sollte eine Ausstiegsklausel formuliert werden. Diese Vereinbarung fügt sich der über die Kontenführung unter oder wird ihr womöglich sogar angehängt – alles machbar. Möglich, dass es in 2024 mit den Strafzinsen aufhören wird. Von heute an betrachtet wären es jedoch ganze zwei bis drei Jahre dahin. Und dank der Erfahrungen, die mit diesen negativen Zinsen auf Guthaben-Salden gesammelt worden sind, kann eine Rückkehr immer mal wieder stattfinden.

 

Was tun?

Es kommt darauf an. Schweigen wäre eine Option, einfach nur unterschreiben, da der Freibetrag vermutlich das Sparguthaben abdecken wird oder es sowieso um nicht viel Geld geht eine andere Alternative (Beispiel: reguläre Kontoführungsgebühren z.B. 10 Euro pro Monat = 120 Euro im Jahr; Strafzins von 0,5 % auf ein Durchschnittsguthaben von 100 000 Euro abzgl. 50 000 Euro Freibetrag = 250 Euro im Jahr).

Eine kürzlich veröffentlichte Meldung in der Tagesschau behauptete, dass bereits „fast 350 Banken“ negative Zinsen berechnen würden (gelesen am 30.6.2021 mit Bezug auf eine Erhebung des Vergleichsportals Verivox). Die Verbraucherzentralen werden sich deswegen wahrscheinlich bald schon an die Gerichte wenden. Doch es gibt wohl auch Fälle, bei denen die Bank die Kontenführung gekündigt hatte ohne Angaben von Gründen; man vermutet, dass die Banken mit diesen Kunden einfach kein Geld verdienen konnten – weder mit dem Verkauf von Finanzprodukten noch mit einem Kredit. Diese Kündigungen ohne Angabe von Gründen waren anscheinend legitim und sogar vertraglich geregelt, somit wäre es möglicherweise fatal, den Anbahnungsversuch der Bank zu ignorieren.

Der Privat-Kunde könnte sich verständig zeigen und das Angebot prüfen. Einerseits sollten die Regeln in der Vereinbarung verständlich sein, andererseits sollte nachgefragt werden, wie die Bank um die Gunst des Kunden werben will – also wie lautet das Gegenangebot?

Sich dem Ansinnen der Bank zu widersetzen, halte ich nicht für klug. Gerade weil die EZB nun Erfahrungen gesammelt hat mit diesem Mechanismus, wird eine Rückkehr dazu immer denkbar sein. Man sollte allerdings bedenken, dass der negative Zinssatz für die Einlagefazilität nur dann anfällt, wenn eine Geschäftsbank ein Vermögen bei der EZB anlegt. Sie muss es zwar tun mit einer Mindestreserve (momentan zinsfrei?), doch den Strafzins selbst zahlt sie für Einlagen, die darüber hinausgehen: die Überschussreserve.

Von daher ist der Mechanismus der gleiche, wenn Bank und Kunde Überschüsse beim jeweiligen Geldhaus im gleichen Verhältnis parken. Doch eine derartig gut funktionierende Abhängigkeit gibt es nicht. Die Bank könnte anstelle der EZB ihre Überschüsse auch an andere geben kann, oder sogar selbst Wertanlagen einkaufen. Die Argumente der Geldhäuser können also angezweifelt werden, nichtsdestotrotz muss das Risiko der Kündigung von beiden Seiten beachtet werden.

Andere Banken haben auch schöne Kontoführungen.

CGS

 

 

 

Quellen:

Verbraucherzentralen Bundesverband (VZBV)

BGH-Urteil: Postbank kann Zustimmung nicht uneingeschränkt einholen

Herausgegeben am 4.5.2021

 

Verivox Vergleichsportal

https://www.verivox.de/geldanlage/verbraucheratlas/minuszinsen-deutschland/

Stand der Erhebung 26.11.2020

 

letzter Aufruf aller Quellen am 30.6.2021

 

 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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