Wie immer beginnt es mit einer einfachen Frage (es ging um das Führungszeugnis) und dann wird einem bewusst, dass es noch viel zu verstehen gibt. Das mit dem Führungszeugnis kann als das sichtbare Zeichen verstanden werden, mit dem die Geeignetheit eines Leistungserbringers in der besonderen Arbeit mit behinderten Menschen überprüft werden kann.
In dem entsprechenden gesetzlichen Passus finden sich allerdings
noch einige andere Punkte. Ein weiteres wesentliches Merkmal liest sich gleich
am Anfang. Bei der Eingliederungshilfe handelt es sich um eine staatliche
Verpflichtung, bei verschiedenen Leistungsangeboten fällt die Wahl auf das,
welches wirtschaftlich und sparsam ist, wobei das nicht zwingend so sein muss.
Zum Ende des Paragrafen gibt es die Vorgabe, dass eine Rangfolge beachtet
werden soll bei der Auswahl der möglichen Leistungserbringer; der praktische
Nutzen ist eher ungewiss.
Geeignet ist, wer bestimmte Grundsätze einhält.
In § 124 SGB IX geht es um die Geeignetheit eines
Leistungserbringers für Leistungen der Eingliederungshilfe. Warum diese Frage
zu regeln ist, offenbart sich schon im ersten Satz des Paragrafen. Dort wird
ganz klar herausgestellt, dass ein regional zuständiger Träger von
Eingliederungshilfen (also die Kommune bzw. die staatlichen Stellen) diese Aufgabe
auf andere übertragen soll. Ein Leistungsträger soll also die staatliche
Fürsorge nicht selbst praktisch ausüben, sondern sich privater oder kirchlicher
Leistungserbringer bedienen.
Diese Einschränkung muss man jetzt nicht streng wortwörtlich
nehmen bzw. sich vorher die Frage stellen, ob das private Leistungsangebot in
der Region die Konkurrenz durch eine öffentliche Rechtsanstalt aushalten kann.
In Hamburg zumindest gibt es den Leistungserbringer „Fördern & Wohnen“.
Diese Anstalt öffentlichen Rechts (AöR)
kümmert sich um die Wohn- und Lebensbedarfe von verschiedenen
Personengruppen, die es ansonsten sehr schwer haben, „ein Dach über dem Kopf“
zu finden: Obdach- und wohnungslose Menschen, Geflüchtete, Menschen mit
Behinderung oder psychischer Erkrankung. Das Unternehmen gehört zur Freien und
Hansestadt Hamburg, und es sind rund 1.600 Personen an 150 Standorten dort
beschäftigt (siehe auch Notizen weiter unten).
Was nun die Geeignetheit anbelangt, wird im Absatz 1 auf
die Grundsätze des § 104 SGB IX verwiesen. Und dort wiederum steht an
prominenter Stelle, dass die Eingliederungshilfe sich nach den
"Besonderheiten des Einzelfalls" zu richten hat (Abs. 1 S. 1, erste
Hälfte); nach wie vor ist der personenzentrierte und individuelle Bedarf
maßgebend und nicht die monetären Zwänge eines staatlichen Haushalts, auch wenn
immer wieder die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit betont werden. Diese
Aspekte schließen sich dabei nicht aus, sondern es wird lediglich gesagt, dass
bei mehreren Lösungen für das eine Problem das Sparsamste zum Zuge kommen
sollte (Erforderlichkeitsprinzip).
Geeignet ist, wer über Kommunikationsfähigkeiten verfügt
Anstelle der sparsamsten Lösung reicht es auch, wenn in
einem Vergleich mit den anderen Lösungen sich zeigt, dass die Vergütung der
präferierten Lösung im unteren Drittel der Vergleichsgruppe liegt (externer
Vergleich). Liegen die Kosten oberhalb des unteren Drittels, also bei den
oberen Zweidrittel, kann die Lösung trotzdem als "wirtschaftlich
angemessen" betrachtet werden, wenn die Aufwendungen plausibel sind; ein
Grund dafür könnten zum Beispiel Tarifverträge sein, wie man weiß, liegt der
TVöD bei seinen Entgeltgruppen über denen des TV-L (bezogen auf den Sozial- und
Erziehungsdienst).
Geeignete Leistungserbringer müssen gemäß dem
Leistungsangebot eine entsprechende Anzahl an Fach- und anderen
Betreuungskräften beschäftigen (siehe auch Notizen weiter unten). Ein solches
Betreuungspersonal muss nach Absatz 2 S. 2 eine "Fähigkeit zur
Kommunikation mit den Leistungsberechtigten in einer für die
Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Form verfügen". Dieses Verlangen
zwingt die Leistungserbringer dazu, nach ganz bestimmten Kriterien und
persönlichen Fähigkeiten bei den Arbeitnehmern zu suchen. Und wenn im Laufe der
Zeit eine Lücke aufgedeckt wird, muss gegengesteuert werden (z.B. durch
Supervision, Fortbildungen, interne Qualitätskonferenzen). Diese Bestimmung
verlangt aber auch, dass das Beschwerdemanagement gut funktioniert. Eine
Beschwerde kann beispielsweise zum Inhalt haben, dass das Betreuungspersonal
eben nicht passgenau mit dem Leistungsberechtigten kommuniziert. Die
Kommunikation soll ja schließlich auf eine Weise erfolgen, die der Mensch mit
seinen Beeinträchtigungen verstehen kann, und das heißt: sich ein Feedback
holen, Nachfragen, aktives Zuhören, genaue Beobachtung.
Geeignet ist, wer ein Führungszeugnis besitzt
Eine weitere Besonderheit findet sich im Absatz 2 ab dem
Satz 3. Es dürfen nur solche Personen beschäftigt oder ehrenamtlich tätig sein,
die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat (aus einem Katalog an ganz
bestimmten) verurteilt worden sind. Man soll sich als Leistungserbringer vor
Beginn der Tätigkeitsaufnahme und in regelmäßigen Abständen ein erweitertes
Führungszeugnis vorlegen lassen. Die regelmäßige Wiedervorlage wird weder an
dieser Stelle noch im § 30a Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz näher
festgelegt. Das Bundeszentralregistergesetz enthält keine Regelung über eine
mögliche Gültigkeit. Vielmehr ist es als eine Stichtags-Auskunft zu betrachten,
die unter Umständen selbst zeitnahe Verurteilungen nicht berücksichtigt. Von
daher muss ein Arbeitgeber selbst entscheiden, wann eine Wiedervorlage
stattfinden soll. Das Bundesministerium für Justiz nennt einen Zeitraum von 3
Monaten, aus eigener Erfahrung ist sogar ein Zeitraum von 5 Jahren bekannt.
Die Vorlage eines Führungszeugnisses zur Einsichtnahme
ist ausreichend. Nach Satz 5 ist lediglich die Speicherung des Umstands der
Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses selber sowie die Information
darüber, „ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3
genannten Straftat [besagter Katalog, eig. Anmerkung] rechtskräftig verurteilt
worden ist“. Darüber hinaus soll nichts weiter erstellt werden. Der Arbeitgeber
muss anhand dieser Daten die Prüfung der Eignung vornehmen, was aufgrund der
Vorgabe in Satz 3 dazu führen würde, dass ein direkter Kontakt zwischen dieser
beschäftigten Person und einem Leistungsberechtigten nicht sein darf.
Nach Satz 8 sind die Daten über das Führungszeugnis
„unverzüglich zu löschen, wenn … keine Tätigkeit für den Leistungserbringer
wahrgenommen wird“. Und nach Satz 9 gibt es die zeitliche Frist, dass drei
Monate „nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den
Leistungserbringer“ ein Löschen stattfinden muss (siehe Notizen weiter unten).
Das bedeutet in seiner Konsequenz, dass ein freigestellter und dauerabwesender
Beschäftigter ab dem letzten Arbeitseinsatz, was ja noch vor dem Ende-Datum des
Arbeitsverhältnisses liegen wird, seinen Anspruch auf Löschung erwirbt. Oder
anders gesagt, ein Arbeitgeber muss nach spätestens drei Monaten ab der letzten
Tätigkeit (im Dienstplan) die Angaben gelöscht haben, die sich auf das
Führungszeugnis beziehen.
Geeignet ist, wer in der Rangfolge ganz oben steht
Nach Absatz 3 soll eine zuständige öffentliche Stelle als
Leistungsträger eine Rangfolge beachten beim Abschluss von Vereinbarungen mit
mehreren Leistungserbringern; wie gesagt, eine solche Rangfolge bezieht sich
immer auf diese Sache mit der Vergleichbarkeit in den Fragen des Inhalts,
Umfangs und der Qualität. Die Leistungsart Besondere Wohnform kann also nicht
verglichen werden mit anderen, ambulanten Leistungsarten. Von daher wird ein
Leistungsträger immer versucht sein, eine Vergleichbarkeit herzustellen,
wogegen jeder Leistungserbringer seine Besonderheiten herauszuarbeiten hat.
Beim Lesen dieser Passage kann man denken, dass die
Vergütungsangebote (über vergleichbare Leistungsangebote) von allen
potentiellen Leistungserbringern dem einen Leistungsträger zur selben Zeit
bekannt sind. Ich würde sagen, dass das ziemlich praxisfremd ist und meiner
Ansicht nach auch keinen echten Nutzen mit sich bringt; außer man wollte
seitens des Gesetzgebers noch einmal herausstellen, dass es auf diese
Vergleichbarkeit ankommt. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind nicht
entscheidend, sondern maßgebend ist das jeweilige Leistungsangebot als Lösung
des individuellen Bedarfs.
CGS
Notizen:
1.
Die F&W versteht sich nicht als Fürsorge-Anstalt und sie tritt auch nicht offensiv oder lautstark im Konzert des Forderungsreigens anderer Verbände oder Leistungserbringer auf. Von daher kann man durchaus von einem ergänzenden Angebot sprechen und weniger von einer Konkurrenz-Situation. Nichtsdestotrotz gibt es auch Fragwürdiges:
- Die AöR ist Trägerbudget-Nehmer und bekommt ein Jahresbudget zugeteilt, mit dem sie auskommen muss bei der Leistungserbringung.
- Die AöR hat sich als „Oberziel 6“ die wirtschaftliche Leistungserbringung gesetzt. Zwar bedeutet dies, dass man seine Jahresergebnisse „ausgeglichen“ erzielen möchte, doch wenn die Einnahmen so niedrig bemessen sind, dass sie die Ausgaben nicht decken, dann könnte so ein Oberziel dazu führen, dass die Ausgaben zu begrenzen sind.
2.
Was nun Fachkräfte sind, wird zwar an dieser Stelle nicht
weiter definiert, aber für Hamburg findet sich eine Definition in der Wohn- und
Betreuungspersonal-Verordnung; und damit zeigt sich, dass die Länder genau
bestimmen dürfen, wen sie alles als Fachpersonal sehen wollen. In Wohn- und
Betreuungsformen (§ 2 HmbWBG), zu denen auch Wohneinrichtungen (Abs. 4)
gehören, ist jemand dann eine Fachkraft, wenn sie über eine abgeschlossene
dreijährige Ausbildung in bestimmten Berufen verfügt (§ 5 Abs. 4 Nr. 1
WoBetrPersoVO-HH), ein mit dem Bachelor-Grad abgeschlossenes Studium ab einer
akkreditierten Schule vorweist (Nr. 2), ein abgeschlossenes Studium in einem
bestimmten Fach nachweist (Nr. 3) oder eine gleichwertige Berufsausbildung
belegen kann (Nr. 4).
3.
Diese Pflicht zur Löschung leitet sich ab aus Art. 17
DSGVO. Personenbezogene Daten sind "unverzüglich" zu löschen, sofern
bestimmte Gründe zutreffen. Einer dieser Gründe betrifft den Zweck der
ursprünglichen Datenerhebung, ein anderer Grund findet sich in der gesetzlichen
Vorgabe (§ 124 SGB IX).
Die Angaben, die über das Führungszeugnis gespeichert
werden, sind:
- der Umstand der Einsichtnahme;
- das Datum des Führungszeugnisses;
- die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer bestimmten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
Meines Erachtens wäre nur die Ja-Nein-Information aus dem dritten Spiegelstrich zu löschen. Die beiden anderen Daten könnten dagegen erhalten bleiben, wären meines Erachtens keine wirklich schützenswerten Daten.
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial-
und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die
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Beschäftigung mit § 124 SGB IX - Geeignete Leistungserbringer