Die siebte Woche des Wirkens der Impfnachweispflicht geht vorbei.
Das
schleswig-holsteinische Sozialministerium zog eine kleine Zwischenbilanz und
zeigte sich sehr zufrieden mit der bisher erreichten Impfquote. Mit einer
solchen Zufriedenheit wird somit der Weg geebnet für ein Nachlassen bei den
Kontrollen. Dass es viele andere gibt, die ein sofortiges Ende fordern, kann
man wiederum getrost abtun, weil es den strittigen § 20a IfSG sowieso nur bis
zum Jahresende gibt. Die Nachweispflicht besteht nämlich nur für die Dauer der
COVID19-Krise, und die wird vermutlich Ende 2022 zu Ende gehen. Für diejenigen
aber, die sich mit einem „zweifelhaften Impfnachweis“ durchschlagen wollten,
sieht das Ende womöglich anders aus.
Warum
man überhaupt von vulnerablen Personen spricht, klang bislang eher wie eine pauschale
Verurteilung. Dass es womöglich gute Gründe gibt, war in den Schriftsätzen
wenig zu lesen.
Die Zwischenbilanz aus Schleswig-Holstein mit einer interessanten Zahl
Am 11.4.2022 zog man eine Zwischenbilanz und zeigte sich
sehr zufrieden. Offenbar gibt es eine relativ kleine Quote von 3 bis 5 % an
Personen in den verschiedenen Einrichtungstypen, die sich nicht geimpft haben.
In den Krankenhäusern soll der Anteil der Geimpften bei 95 % liegen, in den
Pflegeeinrichtungen sind es sogar 97 %. Die Anzahl der meldenden Einrichtungen
in Bezug auf die Nicht-Geimpften oder diejenigen mit einem „zweifelhaften
Impfnachweis“ lag bei 1.307. Gemeldet wurden 5.119 Personen, die gar keinen
Impfnachweis vorlegen konnten (vermutlich befinden sich in dieser Zahl auch
diejenigen, die ein ärztliches Attest hatten), und es wurden sogar 427 Personen
genannt, die ein nicht ordnungsgemäßes Impfpapier vorbrachten.
Wie geht es also weiter? – In dem einen mir bekannten
Fall kam es zur Rückkehr an den Arbeitsplatz und einer Einsatzplanung im
gewohnten Umfeld, obwohl die Person nach wie vor als Nicht-Geimpfte anzusehen
ist. Über alles andere wurde Stillschweigen vereinbart, so dass die eigentlich
pikanten Details (u.a. Erstattung der Bezüge, ungekürzter Urlaubsanspruch) im
Dunkeln bleiben. In einem anderen Fall, bei der der Impfnachweis als höchst
zweifelhaft angesehen wurde, ist eine Anordnung des Gesundheitsamtes bislang
nicht ausgesprochen worden. Der Arbeitgeber hat sich als Beteiligter am
Verfahren mit keiner Rückfrage auseinandersetzen müssen; man wartet gelassen
ab, scheint es.
Gerade wenn es sich nun bestätigen würde, dass der
Impfnachweis gefälscht worden ist, könnte das Gesundheitsamt ein Betretungs-
und Tätigkeitsverbot anordnen und/oder sogar ein Bußgeld verhängen. Für den
nicht geimpften Arbeitnehmer hätte das wiederum zur Folge, dass das
Arbeitsverhältnis aufgrund seines Unvermögens zu einer Arbeitsleistung und/oder
des Vertrauens-Verlustes gekündigt werden müsste.
Doch es kann noch mehr passieren: Nach § 279 StGb handelt
es sich um eine Täuschung, weil von einem gefälschten Gesundheitszeugnis „Gebrauch“
gemacht wird. Ein Gericht kann in so einem Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu
einem Jahr oder eine Geldstrafe verhängen, es sei denn, es findet sich an
anderer Stelle die Androhung einer schwereren Strafe. Das würde somit bedeuten,
dass bei den 427 Personen mit einem „zweifelhaften Impfnachweis“ mindestens ein
Bußgeldverfahren eröffnet wird, egal, ob diese Mitarbeitenden vom Arbeitgeber
gebraucht werden.
Warum man von vulnerablen Personen spricht
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat es gegeben, und
wird es in einer derartigen Form wahrscheinlich immer wieder geben, weil der
Gesetzgeber sich zum Schutz der Menschen in den verschiedenen Einrichtungen und
Heilstätten veranlasst sah. Wie gesagt, COVID19 gehört zu den ansteckendsten
Infektionskrankheiten, die Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen bzw.
besonderen persönlichen Herausforderungen lebensbedrohlich gefährdet. Die
Fallzahl-Statistiken zeigten schon sehr früh, dass die Wahrscheinlichkeit an
einem tödlichen Krankheitsverlauf bei 1:20 lag; mittlerweile ist der Wert allerdings
aufgrund der dominierenden Omikron-Variante deutlich gesunken auf 1:200, aber
dieser Wert bezieht sich über die Gesamtheit der Fallzahlen und spiegelt nicht
die Risiko-Gruppen wider.
Das RKI hatte seinerzeit keinen Unterschied gemacht bei
dem Begriff der „vulnerablen Personen“. Dass man da etwas unterscheiden sollte,
zeigte sich bei der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Auf einmal
wurden Schulbegleitungen freigestellt, obwohl ihre Klienten kaum einem höheren
Risiko unterlagen. Arbeitgeber konnten einen Versuch der Risiko-Bewertung
unternehmen, wobei es aber m.W. keine Handlungsempfehlung in dieser Richtung
wirklich gab.
Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf befinden sich
zumeist in der Obhut von Anderen. Sie werden betreut und versorgt, gepflegt und
unterstützt in den verschiedensten und manchmal sogar sehr intimsten Bereichen.
Sie brauchen diese Hilfen nicht nur für den Alltag, sondern vielfach auch zum
Überleben. Wäre das nicht so, könnten sie den Kontakt beenden oder auf das
Nötigste beschränken. Weil sie aber aufgrund ihrer Einschränkungen und
Herausforderungen das nicht können, weder den Kontakt zu reduzieren oder einen
anderen Kontakt auszuwählen, sind sie ausgeliefert (man erinnere zum Beispiel
den § 124 SGB IX zur Geeignetheit von Leistenden). Sie können nicht einfach
weglaufen, sondern sind den Leistenden ausgeliefert.
Menschen mit kognitiven Einschränkungen, d.h. geistige
und/oder psychische Behinderungen, unterliegen deswegen einer höheren
Wahrscheinlichkeit, weil ihnen das Wissen zu Hygiene oder Abstandsgeboten
fehlt. Und selbst wenn sie Kenntnis darüber hätten, die richtigen Maßnahmen
anzuwenden oder vielleicht sogar richtig auf ein falsches Verhalten des
Gegenübers zu reagieren, ist für sie nicht gesichert möglich. Von daher zählt man
sie zu den „vulnerablen“ Personen, nichtsdestotrotz sollte man hin und wieder
von den Pauschalurteilen abweichen – die Pflicht des Maßvollen und die Pflicht
zur Verhältnismäßigkeit gehen diesen Ansätzen einfach vor.
CGS
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
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Die einrichtungsbezogene Impfpflicht