Samstag, 30. April 2022

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht

Die siebte Woche des Wirkens der Impfnachweispflicht geht vorbei.

Das schleswig-holsteinische Sozialministerium zog eine kleine Zwischenbilanz und zeigte sich sehr zufrieden mit der bisher erreichten Impfquote. Mit einer solchen Zufriedenheit wird somit der Weg geebnet für ein Nachlassen bei den Kontrollen. Dass es viele andere gibt, die ein sofortiges Ende fordern, kann man wiederum getrost abtun, weil es den strittigen § 20a IfSG sowieso nur bis zum Jahresende gibt. Die Nachweispflicht besteht nämlich nur für die Dauer der COVID19-Krise, und die wird vermutlich Ende 2022 zu Ende gehen. Für diejenigen aber, die sich mit einem „zweifelhaften Impfnachweis“ durchschlagen wollten, sieht das Ende womöglich anders aus.

Warum man überhaupt von vulnerablen Personen spricht, klang bislang eher wie eine pauschale Verurteilung. Dass es womöglich gute Gründe gibt, war in den Schriftsätzen wenig zu lesen.

 

Die Zwischenbilanz aus Schleswig-Holstein mit einer interessanten Zahl

Am 11.4.2022 zog man eine Zwischenbilanz und zeigte sich sehr zufrieden. Offenbar gibt es eine relativ kleine Quote von 3 bis 5 % an Personen in den verschiedenen Einrichtungstypen, die sich nicht geimpft haben. In den Krankenhäusern soll der Anteil der Geimpften bei 95 % liegen, in den Pflegeeinrichtungen sind es sogar 97 %. Die Anzahl der meldenden Einrichtungen in Bezug auf die Nicht-Geimpften oder diejenigen mit einem „zweifelhaften Impfnachweis“ lag bei 1.307. Gemeldet wurden 5.119 Personen, die gar keinen Impfnachweis vorlegen konnten (vermutlich befinden sich in dieser Zahl auch diejenigen, die ein ärztliches Attest hatten), und es wurden sogar 427 Personen genannt, die ein nicht ordnungsgemäßes Impfpapier vorbrachten.

Wie geht es also weiter? – In dem einen mir bekannten Fall kam es zur Rückkehr an den Arbeitsplatz und einer Einsatzplanung im gewohnten Umfeld, obwohl die Person nach wie vor als Nicht-Geimpfte anzusehen ist. Über alles andere wurde Stillschweigen vereinbart, so dass die eigentlich pikanten Details (u.a. Erstattung der Bezüge, ungekürzter Urlaubsanspruch) im Dunkeln bleiben. In einem anderen Fall, bei der der Impfnachweis als höchst zweifelhaft angesehen wurde, ist eine Anordnung des Gesundheitsamtes bislang nicht ausgesprochen worden. Der Arbeitgeber hat sich als Beteiligter am Verfahren mit keiner Rückfrage auseinandersetzen müssen; man wartet gelassen ab, scheint es.

Gerade wenn es sich nun bestätigen würde, dass der Impfnachweis gefälscht worden ist, könnte das Gesundheitsamt ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot anordnen und/oder sogar ein Bußgeld verhängen. Für den nicht geimpften Arbeitnehmer hätte das wiederum zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund seines Unvermögens zu einer Arbeitsleistung und/oder des Vertrauens-Verlustes gekündigt werden müsste.

Doch es kann noch mehr passieren: Nach § 279 StGb handelt es sich um eine Täuschung, weil von einem gefälschten Gesundheitszeugnis „Gebrauch“ gemacht wird. Ein Gericht kann in so einem Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe verhängen, es sei denn, es findet sich an anderer Stelle die Androhung einer schwereren Strafe. Das würde somit bedeuten, dass bei den 427 Personen mit einem „zweifelhaften Impfnachweis“ mindestens ein Bußgeldverfahren eröffnet wird, egal, ob diese Mitarbeitenden vom Arbeitgeber gebraucht werden.

 

Warum man von vulnerablen Personen spricht

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat es gegeben, und wird es in einer derartigen Form wahrscheinlich immer wieder geben, weil der Gesetzgeber sich zum Schutz der Menschen in den verschiedenen Einrichtungen und Heilstätten veranlasst sah. Wie gesagt, COVID19 gehört zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten, die Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen bzw. besonderen persönlichen Herausforderungen lebensbedrohlich gefährdet. Die Fallzahl-Statistiken zeigten schon sehr früh, dass die Wahrscheinlichkeit an einem tödlichen Krankheitsverlauf bei 1:20 lag; mittlerweile ist der Wert allerdings aufgrund der dominierenden Omikron-Variante deutlich gesunken auf 1:200, aber dieser Wert bezieht sich über die Gesamtheit der Fallzahlen und spiegelt nicht die Risiko-Gruppen wider.

Das RKI hatte seinerzeit keinen Unterschied gemacht bei dem Begriff der „vulnerablen Personen“. Dass man da etwas unterscheiden sollte, zeigte sich bei der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Auf einmal wurden Schulbegleitungen freigestellt, obwohl ihre Klienten kaum einem höheren Risiko unterlagen. Arbeitgeber konnten einen Versuch der Risiko-Bewertung unternehmen, wobei es aber m.W. keine Handlungsempfehlung in dieser Richtung wirklich gab.

Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf befinden sich zumeist in der Obhut von Anderen. Sie werden betreut und versorgt, gepflegt und unterstützt in den verschiedensten und manchmal sogar sehr intimsten Bereichen. Sie brauchen diese Hilfen nicht nur für den Alltag, sondern vielfach auch zum Überleben. Wäre das nicht so, könnten sie den Kontakt beenden oder auf das Nötigste beschränken. Weil sie aber aufgrund ihrer Einschränkungen und Herausforderungen das nicht können, weder den Kontakt zu reduzieren oder einen anderen Kontakt auszuwählen, sind sie ausgeliefert (man erinnere zum Beispiel den § 124 SGB IX zur Geeignetheit von Leistenden). Sie können nicht einfach weglaufen, sondern sind den Leistenden ausgeliefert.

Menschen mit kognitiven Einschränkungen, d.h. geistige und/oder psychische Behinderungen, unterliegen deswegen einer höheren Wahrscheinlichkeit, weil ihnen das Wissen zu Hygiene oder Abstandsgeboten fehlt. Und selbst wenn sie Kenntnis darüber hätten, die richtigen Maßnahmen anzuwenden oder vielleicht sogar richtig auf ein falsches Verhalten des Gegenübers zu reagieren, ist für sie nicht gesichert möglich. Von daher zählt man sie zu den „vulnerablen“ Personen, nichtsdestotrotz sollte man hin und wieder von den Pauschalurteilen abweichen – die Pflicht des Maßvollen und die Pflicht zur Verhältnismäßigkeit gehen diesen Ansätzen einfach vor.

CGS

 

 

  

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