Dienstag, 29. März 2022

Schulbegleitungen freistellen aufgrund des § 20a IfSG? – kleine Fortsetzung

Woche 2 des Wirkens der Impfnachweispflicht.

Das schleswig-holsteinische Sozialministerium veröffentlichte eine neue Handlungsempfehlung, unter anderem auch für Schulbegleitungen. Betont wurde darin, dass die Teilhabe-Leistungen zur Bildung gem. § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX bzw. über § 35a SGB VIII nicht gefährdet werden dürfen. Vorrang hat nun mal die erfolgreiche Schulbegleitung. Und die wird mit einer ordentlichen Unterweisung in Bezug auf den Arbeitsschutz gesichert.

Es gibt aber auch Gründe dafür, warum Assistenzkräfte freigestellt werden. Ein Grund beruht auf den Gleichheitsgrundsatz, ein anderer dagegen auf haftungsrechtliche Bedenken.


Eine Handlungsempfehlung des Sozialministeriums-SH

Die Teilhabe der Schülerinnen und Schüler mit Behinderung am Schulleben steht an erster Stelle. Das schleswig-holsteinische Sozialministerium veröffentlichte nun diverse Handlungsempfehlungen für den Personenkreis der Menschen mit Behinderung, die eine Schulbegleitung brauchten oder eine andere Leistungsform der Eingliederungshilfe beanspruchten. Kinder und Jugendliche mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung erhalten Leistungen gem. § 112 Abs. 1 Nr. SGB IX, diejenigen mit einer seelischen Behinderung begründen ihren Anspruch gem. § 35a SGB VIII.

Das Ministerium sagt folgendes:

Um nicht unangemessen benachteiligt zu werden und schulische Ziele nicht oder nur eingeschränkt zu erreichen, sind Leistungen zur Teilhabe an Bildung für Schüler*innen mit Behinderungen auch unter den Einschränkungen der Schulen-Coronaverordnung zu erbringen.

Im Rahmen der erforderlichen Arbeitsschutzunterweisung werden die Personen, die die Schulbegleitung erbringen, von den Leistungserbringern über die notwendigen hygienischen Maßnahmen, insbesondere das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, belehrt bzw. sie haben sich zu informieren. Bei Bedarf stellt der Leistungsbringer der Schulbegleitung Sachmittel zur Einhaltung von Hygiene zur Verfügung bzw. hält sie vor, wenn diese im Einzelfall in Schulen nicht verfügbar sein sollten.

Damit werden eigentlich zwei Dinge bestimmt: erstens steht die schulische Teilhabe bei allen Entscheidungen im Vordergrund; zweitens soll eine Arbeitsschutzunterweisung erfolgen und der Leistungserbringer ggf. die erforderlichen Sachmitteln zur Verfügung stellen. Das bedeutet also nicht, dass nicht geimpfte Betreuungskräfte einfach nur freigestellt werden sollen oder müssen. Eine Begründung für ein solches Handeln eines Arbeitgebers besteht darin nicht.

Nun kann das Ministerium eine Freistellung auch nicht verbieten. Sofern die Leistungserbringung nicht gefährdet ist, wenn ein Arbeitgeber nahtlos eine neue Betreuungskraft im gleichen qualitativen Leistungs- und quantitativen Zeitumfang (uneingeschränkt) einsetzt, ist wohl nichts einzuwenden. Die Gründe für eine Freistellung, insbesondere dann, wenn sie ohne Bezüge passiert, liegen ganz allein beim Arbeitgeber.

 

Das Ministerium empfiehlt die Mund-Nasen-Bedeckung sowie den Abstand

Auch im häuslichen Umfeld sind die Empfehlungen zu gebrauchen. Dort wären sowohl von Schulbegleitung als auch der Schülerin oder dem Schüler mit Behinderung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen sowie der erforderliche Abstand von 1,5 Metern einzuhalten. Nichtsdestotrotz, so die Handlungsempfehlung, kann die Schulbegleitung „situationsabhängig vorübergehend [darauf] verzichten“ und ein Kind im Bedarfsfall ganz und gar davon ausgenommen werden. Das Ministerium ist an dieser Stelle eigentlich sehr deutlich, weil es die Erleichterungen herausstellt und an die Eigenverantwortung der Beteiligten appelliert. Wie gesagt steht im Vordergrund die Teilhabe zur Bildung.

Dass es dennoch Freistellungen gibt, mag vielleicht dem Gleichheitsgrundsatz geschuldet sein. Eine Lebenshilfe in NRW hatte für sich bestimmt, dass jede Assistenzkraft, die nicht geimpft ist, unabhängig von ihren Fähigkeiten und ihrer besonderen Tätigkeit freizustellen war. Man wollte sich nicht in eine Situation begeben und unterschiedliche Begründungen suchen, warum jemand weiter beschäftigt werden sollte und ein anderer nicht. Die persönliche Entscheidung eines Nicht-Geimpften würde man in jedem Fall respektieren, doch weil es auch die „vulnerablen Behinderten“ zu betreuen gibt, geht man einheitlich vor.

Bei einem Alten- und Pflegeheim kann diese Sachlage in der Tat so ausfallen. Würde es zu einem Ausbruchsgeschehen kommen, könnte ein Leistungserbringer zur Verantwortung gezogen werden. Ob nun die Ansteckung durch den einen „Ungeimpften“ verursacht worden ist oder nicht, spielt an der Stelle keine besondere Rolle. Die Hygienestandards sind streng und müssen eingehalten werden, so dass jeder Ausbruch sofort ein Haftungsrisiko bedeutet – und gerade weil es nun diese Pflicht zur Impfung für diese Berufstätigen gibt, erlebt der Arbeitgeber eine erhöhte Sorgfaltspflicht.

Kommt es zum Ausbruchsgeschehen, an dem jetzt die „Ungeimpften“ selbst zu Geschädigten werden, verstößt ein Arbeitgeber gegen seine Arbeitsschutz-Pflichten, meinen Arbeitsrechtler. Ein Arbeitgeber darf also nicht einfach so weitermachen, als ob nichts passieren wird, er muss eigentlich konsequenterweise eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und dann nach erfolgloser Abmahnung (weil die 2G-Nachweise fehlen) eine ordentliche Kündigung aussprechen; bedenkt man nun, dass viele Arbeitsverhältnisse schon seit Jahren bestehen, wird die Kündigung vermutlich erst dann wirksam, wenn dieser Paragraf aus dem Impfschutzgesetz seine Gesetzeskraft verliert.

Es sind jetzt schon zwei Wochen ins Land gegangen. Die Entscheidung zur Freistellung von Nicht-Geimpften ist bereits gefallen. Die Arbeitgeber werden nun das Weitere abwarten oder – wenn es eine Gefährdung in der Leistungserbringung gibt und die Leistungsberechtigten bzw. ihre Angehörigen Druck machen – die Freistellungen rückgängig machen.

Der eine, mir bekannte Fall hat bislang noch keine arbeitsrechtlichen Schritte unternommen.

CGS

 

 

 

 

Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich reihum auf die übrigen Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren und ist ein guter Motivator für mich.

Möchten Sie was sagen?

Schreiben Sie mir eine E-Mail – Ihre Meinung hilft mir, meine Sichtweise neu zu überdenken. Meine E-Mail-Adresse finden Sie auf der Seite Über mich.

 

Schulbegleitungen freistellen aufgrund des § 20a IfSG? – kleine Fortsetzung