Sowas gibt es zur Abwechslung mal auch: ein Treffen mit Finanzexperten.
Und wenn man sich über das liebe Geld unterhält, kommen (mit
den richtigen Leuten) so einige Szenarien zur Sprache, die es durchaus in sich
haben würden, wenn sie denn Realität werden. Doch bei allem Aus-Denken landet
man letztendlich an einer Erkenntnis, die viel mächtiger ist und sich lediglich
durch den Ukraine-Konflikt beschleunigt hat.
Alles hängt irgendwie zusammen, muss man anerkennen. Von
daher wird sich der Ukraine-Konflikt auch auf die Arbeit der Leistungserbringer
auswirken und es für alle Beteiligten schwieriger machen.
+++ Nachtrag vom 5.3.2022 +++
Auch wenn die Börsen jetzt den Krieg und seine Auswirkungen in den Kursen verarbeiten, das Thema Inflation bestimmt nach wie vor das Parkett -- jetzt aber mit dem Beigeschmack der Auswirkungen des Krieges auf den gesamten Globus (siehe insbesondere das weiter unten stehende Szenario).
+++ Nachtrag vom 9.3.2022 +++
Während Schreckensszenarien die Runde machen, kehren "die Bullen" zurück an den Markt; oder anders gesagt: man wird wieder mutig und "preist" eine erwartete Friedensverhandlung in die Kurse ein. Sobald es tatsächlich dazu kommt, wird diese Angst die Geldentscheidungen nicht mehr betreffen, sondern die andere Angst vor der Inflation kehrt zurück.
+++
Der Krieg in der Ukraine als Beschleunigungs-Faktor
Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass nicht nur mit
militärischen Mitteln ein solcher geführt werden kann. Der Ausschluss aus dem
SWIFT-System und das Blockieren von Zahlungsmittel-Reserven der russischen
Banken sind anscheinend sehr mächtige Waffen, die zu einem Umdenken führen
könnten. Der Krieg zeigt allerdings auch, dass die Drohungen mit der
„Abschreckungsmacht“ der russischen Streitkräfte die Finanzmärkte kaum schockt
– es gibt zwar Markteinbrüche, aber was man von der Corona-Krise her erinnert,
ist das hier kein Vergleich; noch nicht zumindest.
Die Finanzmärkt reagierten zwar, aber die Reaktionen waren
bis jetzt (Stand 2.3.2022) eher verhalten (ändert sich momentan allerdings
wieder). Man konnte sagen, dass der Angriffskrieg für einen Anschub in einer
bestehenden Entwicklung sorgte. Und diese bestehende Entwicklung muss man als
viel mächtiger bezeichnen, als der gerade eben stattfindende Konflikt. Hier ein
paar Markt-Schnappschüsse:
Die weltweit bedeutendsten Finanzmärkte S&P500,
NASDAQ und DOW-JONES befinden sich mit Dreiviertel aller Titel an oder unterhalb
der berühmten 200-Tage-Linie. Der US-Dollar bewegt sich knapp oberhalb der
Marke von 1,11 Euro, der Goldpreis hatte kurz die Spitze von vor einem Jahr bei
1.961 US-Dollar pro Feinunze (endlich und mal wieder) überschritten, liegt
zurzeit jedoch wieder darunter. Die Anleihen-Renditen sind etwas mehr
zurückgegangen, was allerdings derzeit nicht als Hinweis auf eine großangelegte
„Flucht in den sicheren Hafen“ gewertet werden kann. Kurzum muss man
anerkennen, dass ganz andere Sorgen die Finanzmärkte fundamental belasten und
der Angriffskrieg nur einen verstärkenden Einfluss auf diese Belastungen hat.
Der deutsche Paradigmen-Wechsel als Beschleuniger
Mit Deutschlands Aufgabe von historisch bedeutsamen
Positionen in der Politik hat es tatsächlich eine Zeitenwende gegeben. Die
Waffenlieferungen in eine Krisenregion, die Ankündigungen über eine Aufrüstung
der Bundeswehr sowie das noch in diesem Jahr erreichte Ziel der „2 %“ für
Verteidigungsausgaben werden den öffentlichen Finanzhaushalt deutlich
beschränken, es sei denn, es werden neue Schulden aufgenommen und die sich im
Umlauf befindliche Liquidität weiterhin erhöht. Neue Schulden bedeuten, dass
das Anleihe-Angebot weiter zunehmen wird. Da die EZB nicht mehr als
potentieller Abnehmer am Finanzmarkt auftreten wird, entsteht auf diese Weise
ein leichtes Überangebot. Und ein Angebots-Überhang führt gezwungenermaßen zu
sinkenden Kursen (= steigenden Renditen).
Profitieren werden von dieser Zeitenwende natürlich die
deutschen Waffenschmieden (am Tag nach der Verkündigung des deutschen
Paradigmen-Wechsels gab es bei Rheinmetall einen Kurssprung zum Vortag um 30 %).
Andere erleben dagegen Kursverluste, weil für sie die Absatzmärkte nicht mehr
vorhanden sind oder durch die Aufkündigung von Joint-Ventures die Bewertungen
neu bestimmt werden müssen. Alleine schon das Aus für „Nordstream 2“ bzw. die
Insolvenz der Betreiber stellt ein gutes Beispiel dar. Trotzdem zeigen erste Analysen
über die „Russland-Engagements“ deutscher und europäischer Unternehmen, dass
diese „überschaubar“ sind und nur kurzfristig einen negativen Einfluss haben
werden (Beispiel VW: Umsatzanteil etwas über 2 %, Gewinnanteil rd. 2 %; Quelle
DB Research). Die Frage zu den Auswirkungen des Vertrauensverlustes wurde dabei
allerdings noch nicht untersucht. Russland wird von anderen Analysten als ein
Zukunftsmarkt gesehen, der sich nunmehr für immer verschlossen hat.
Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Russland lag
im Jahr 2021 bei insgesamt 59,8 Mrd. Euro (Quelle: destatis, Statistisches
Bundesamt). Die Importe hatten einen Anteil von 33,1 Mrd. Euro, die der Exporte
dagegen geringere 26,6 Mrd. Euro (Rundungen). Bei den Importen zählten Erdöl
und Erdgas mit gut 59 % zu den absolut größten Handelsgrößen. Darüber hinaus
importierte man sehr gerne noch Metalle, Mineralöl- und Kokerei-Erzeugnisse
sowie Kohle. Der Export wiederum verteilte sich eher gleichlaufend auf
Maschinen, Kraftwagen und Kraftwagenteile sowie chemische Erzeugnisse. Für ein
einzelnes Unternehmen kann der Anteil schon recht hoch ausfallen (Beispiel
Total SE: Umsatz- und Gewinnanteil jeweils 8 %; Quelle DB Research). Doch im
Vergleich zu dem Sondervermögen, was nun überraschend mit 100 Mrd. Euro ins
Leben gerufen wurde, sind das keine großen Werte. Vergleicht man diese Werte einem
Bundeshaushalt, ist das dennoch recht ordentlich (der BHH für 2021 lag bei
498,6 Mrd. Euro, aber ohne Nachtragsgrößen; im Jahr 2021 lag die Ermächtigung
für neue Kredite bei 179,8 Mrd. Euro) – eine veritable Konjunkturhilfe.
Mit den Flüchtlingen wird es ebenfalls eine höhere
Mittelaufstockung geben, die Corona-Krise ist dazu noch lange nicht vorbei, der
Impfschutz wird mehr denn je gefragt bleiben, die Hilfen für die Dritte Welt
müssten ebenso berücksichtigt werden wie auch der erneute Appell, den
Klimaschutz endlich und wirksam zu verbessern (Stichwort: IPCC-Klimabericht). *)
Die Beschleunigung abbremsen
Konjunkturhilfen zu schaffen, wenn sich die Preise gerade
erhöhen, sind gar nicht gut. Gerade die Angebotsverknappung bei den Rohstoffen,
gestörte Lieferketten vor gar nicht so langer Zeit (und wahrscheinlich erneut
aufgrund des Krieges in der Ukraine) sowie eine hohe Liquidität in den
Finanzmärkten sind starke Antreiber für Inflation. Die Finanzmärkte hatten
diese Gefahr schon sehr früh begriffen und in Erwartung einer strafferen
Notenbankpolitik sich risikoscheu verhalten. Aktien von Wachstumswerten und
langlaufende Anleihen wurden reihenweise abgestoßen. Zum Ende des ersten
Quartals 2022 erwartete man eine Leitzinsanhebung der Federal Reserve (FED) um
50 Basispunkte, für die EZB sah man ein ähnliches Verhalten aber erst zum
Jahresende. Das ändert sich gerade zumindest bei der FED, die diese Erwartung
nun halbiert hat. Das bedeutet, dass den Finanzmärkten weniger Liquidität
entzogen wird, und weil Liquidität eine Ware ist, sind die Kurse bei den Aktien
schon wieder am Steigen, bei den „sicheren Häfen“ dagegen am Sinken.
Wenn Liquidität gebraucht wird, werden die Preise
steigen: Inflation.
Inflation ist aber genau das, was überhaupt nicht
gebraucht wird. Gerade eine sich verfestigende Inflation, die sich aus einem
Wechselspiel der Verteuerung bei den Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und
Kapital ergibt, kann nicht ad hoc aufgelöst oder sogar zurückgeführt werden. Konkret
bedeutet dies, dass sich aus dem Preisanstieg bei Energie und Verbrauchsgütern
ein Verlangen nach höheren Löhnen ergibt. Die öffentlichen Arbeitgeber werden
eine harte Haltung zeigen, damit diese Preisspirale nicht ins Drehen kommt. Die
Gewerkschaften werden das wissen und gleichzeitig von einer aufgebrachten Basis
unter Druck gesetzt. Übrigens soll es schon bald zu einem ersten Treffen kommen
bei den Tarifparteien zum TVöD. Und die Refinanzierungsrunden für die
Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein verhandeln Steigerungssätze, die
geradezu bescheiden klingen.
Wenn es halt so sein muss, öffnet man die Tür zu einer
erneuten „Stellenbewirtschaftung“ und „verschleppter Ersatzinvestition“. Mal
schauen.
CGS
*) = Szenarien, denn man kann sich so vieles Ausdenken.
Zum Beispiel stand die Überlegung im Raum, dass die
Ukraine ein sehr exportorientiertes Land sein soll. In 20202 exportierte die
Ukraine im Wesentlichen Getreide (18 % Anteil), Metallerzeugnisse (17 %),
Pflanzen- und Tierfette (13 %). Vieles davon wird nun durch den Krieg nicht
mehr zu schaffen sein. Selbst wenn man sich schnell gegen Russland durchsetzen
kann, die Ukraine wird enorme Wiederaufbauhilfen benötigen; eine Chance für die
ebenfalls exportverliebten Deutschen? Durch den Wegfall der Exporte fehlt es
dann bei den importierenden Partnerländern, was ebenfalls die dortige Situation
verschlimmern kann.
Je länger der Krieg andauern wird, umso gravierender wird
der Zustrom von Flüchtlingen. Zwar sind sehr gut funktionierende Strukturen
hierzulande im Einsatz, die damit zurechtkommen können, nur wie gut wird die
Rückführung oder das Rückkehren gelingen? Vom syrischen Bürgerkrieg her kennt
man diese Flüchtlingsströme, die so manchem EU-Mitglied eine schwierige Zeit
beschert hat. Werden mit diesem Krieg Flüchtlingsströme zu einer Waffe?
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
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