Haben
Sie schon Ihren Wunsch nach einem Anstieg bei den Vergütungen dem
Leistungsträger mitgeteilt? Wenn nicht, dann mal los. Hier ein paar
Gedanken-“Schnipsel” vom eigenen Schreibtisch.
Personalkosten im TVöD sind eigentlich schon gestiegen
Die Personalkosten werden steigen. Gerade im öffentlichen
Dienst wird es unter dem Motto “Zusammen geht mehr…” in der Tarifrunde 2023 für
rund 2,3 Mio. Beschäftigte von Bund und Kommunen um ein deutliches Mehr beim
Gehalt gehen. Zurzeit müssen die Gewerkschafter ihre Forderungen ein wenig
konkretisieren, aber schon am 11.10.2022 wird die Bundestarifkommission dazu
etwas entscheiden.
Nicht zu vergessen ist, dass es am 1.7.2022 eine
Tarifeinigung im Sozial- und Erziehungsdienst gab, die sich durchaus als sehr
üppig erwiesen hat. Die damaligen Steigerungen konnten von vielen
Leistungserbringern in ihren Vergütungsverhandlungen zum Jahresanfang nicht
vorausgesehen werden. Da der Kostenanstieg in dieser Größenordnung dennoch
nicht als “wesentlich” eingestuft werden kann, gibt es somit keine Grundlage
für Nachverhandlungen.
Die Personalkosten machen im Setting einer besonderen
Wohnform, ehemals stationäre Einrichtung, rd. 70 % der Kosten aus. In einem
Nachrichtendienst wurde die Forderung der Gewerkschaft VERDI mit 15 Prozent
über 12 Monate mindestens kolportiert, aber das war zu dem Zeitpunkt ja noch gar
keine Pressemeldung der Gewerkschaft. Diesen Wert jetzt schon zu verwenden,
wäre schwierig, lieber ein paar Tage warten. Der Arbeitgeberverband wird sich
übrigens erst im Anschluss positionieren. Ob es dann schon ein Gegenangebot
gibt, ist eher zweifelhaft.
Sachkosten und Mieten in Zeiten von Inflation
Die Sachkosten wiederum sind dank der hohen
Inflationsraten von mittlerweile 10 % ggü. dem Vorjahr exorbitant hoch
ausgefallen. Das "Herbstgutachten" geht für das kommende Jahr von
einer Inflation in Höhe von 8,8 % aus. Andere Fachleute taxieren die Inflation
für 2023 auf 8,0 % (Euroraum dagegen 8,3 %) und 2024 auf 7,2 % (Euroraum dann
nur noch 5,2 %). Man kann diese Einschätzung aus der Gemeinschaftsdiagnose von daher
als belastbar und begründet ansehen.
Vor einem Jahr noch titelte man seitens der
Bundesregierung, dass die Wirtschaft sich auf dem “Wachstumspfad” befinden
würde. Im Untertitel hieß es: “Im nächsten Jahr rechnet die Bundesregierung mit
einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 4,1 Prozent. 2021 wird ein
Wachstum der Wirtschaft von 2,6 Prozent erwartet.” Und weiter: “Die deutsche
Wirtschaft habe dann schon zum Ende des ersten Quartals 2022 die
Leistungsstärke auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie erreicht, so
Bundeswirtschaftsminister Altmaier.” Zur Inflation wurde sogar das hier gesagt:
“In der Herbstprojektion erwartet die Bundesregierung Inflationsraten von 3,0 %
im Jahr 2021, 2,2 % im Jahr 2022 und 1,7 % im Jahr 2023.” – Man darf nicht
vergessen: vor einem Jahr gab es noch keinen Ukraine-Krieg, und (fast) alle
gingen noch von einem “Soft Landing” bei den anstehenden Entscheidungen zum
Leitzins der Notenbanken aus.
Die Investitionskosten werden sich, wenn sie mit dem
Preisindex gekoppelt sind, ebenfalls um die hohe Inflationsrate steigen. Und
vermutlich dann sogar auf dem Niveau verharren,
wenn eine Rückentwicklung zwischen Mieter und Vermieter vertraglich
nicht vereinbart worden ist.
Die Kosten der Unterkunft sind ein anderer wunder Punkt
Ab dem 1.1.2023 vermindern sich in Hamburg die Leistungen
zu den Kosten der Unterkunft (vgl. § 35 SGB XII und § 42a SGB XII) von 488,00
Euro auf 478,00 Euro (100 %) bzw. von 610,00 Euro auf 597,50 Euro (125 %);
diese Beträge können woanders wiederum sehr unterschiedlich ausfallen (vgl.
dazu auch § 35 Abs. 3 SGB XII und folgende oder § 42a Abs. 7 S. 1 SGB XII). Das
bedeutet für die Empfänger von Grundsicherungen in besonderen Wohnformen in
Hamburg, dass ein vermietender Leistungserbringer dieser Wohnstätte maximal nur
den Betrag der 125%-Grenze einfordern darf. Da Leistungsberechtigte ohnehin das
Forderungsschreiben an das Grundsicherungsamt geben müssen, denn schließlich
wollen sie das Wohngeld, würde es sich um ein Null-Summen-Spiel handeln.
Würde man als Leistungserbringer die Absenkung nicht
fristgerecht nachvollziehen, würde die weiterhin hohe Miete vom
Leistungsberechtigten eingefordert werden. Und das würde diesen Personenkreis
gewissermaßen unter Druck setzen. Somit muss ohnehin eine Absenkung
vonstattengehen, was wiederum einen zeitgleichen Ausgleich bei der
EGH-Vergütung erforderlich macht.
Würde man sich der 125%-Grenze nur nähern, braucht es ein
Mieterhöhungsverlangen nach § 9 WBVG. Damit kann man sich im Gegensatz zu den
Fristen über die Vergütungen allerdings Zeit lassen; statt der drei Monate
(siehe folgend) sind es nur vier Wochen (vgl. Abs. 2 S. 4 WBVG), wobei aber vom
mietenden Leistungsberechtigten eine Zustimmung eingeholt werden muss (ob
konkludent, fiktiv oder schriftlich wäre an anderer Stelle ein Thema).
Zuwarten oder sich auf den Verhandlungsweg machen
Wie auch immer die nächsten Kostensteigerungen in der
Wirtschaft aussieht, ein Leistungserbringer, der weiterhin zuwartet, um etwas
“Belastbares” anzubieten, wird kostbare Zeit vertun. Nach § 126 Abs. 2 SGB IX
kann man erst dann zu den noch strittigen Punkten die Schiedsstelle anrufen,
wenn drei Monate nach schriftlicher Aufforderung zu Verhandlungen ins Land
gegangen sind. Die 3-Monats-Frist beginnt nach herrschender Meinung nicht zum
Monatsanfang, sondern sie ist wörtlich zu nehmen (vgl. dazu Bieritz-Harder in
LPK-SGB IX 6. Auflage, S. 628).
Nach Abs. 1 S. 4 sind aber erst dann Nachweise
vorzubringen, wenn es von der anderen Partei so verlangt wird. Ein Zuwarten
dieser Partei würde zulasten der Frist gehen. Das bedeutet aber nicht, dass
damit der Vorteil bei der auffordernden Seite liegt. Die Nachweise müssen
“geeignet” sein, was bedeutet, dass man sich beiderseitig verständigen muss
über die erforderlichen Unterlagen. Und es bedeutet auch, dass man sich um
einen Vertragsabschluss bemüht. Nur über die noch strittigen Punkte wird die
Schiedsstelle entscheiden, basierend auf der Mitwirkung der Beteiligten, auf
der Grundlage der vorgebrachten Gegenstände.
Für die Personalkosten könnte man die Forderungen der
Gewerkschaften vorbringen. Die andere Seite würde dann zwar verlangen, dass man
die Auswirkungen nachvollziehbar kalkuliert; nicht alle Bestandteile der
Personalkosten werden sich linear verändern. Für die Sachkosten wiederum könnte
man auf das Herbstgutachten verweisen, wobei auch hier die andere Seite die
neuen Gestehungskosten anhand der vereinbarten Struktur errechnet haben möchte.
Einfach so hochrechnen geht nicht. Man muss sich um eine ernsthafte Klärung
bemühen, bevor man die Differenzen zur Schiedsstellen-Sache macht.
Kein Weg ist selbstverständlich.
CGS
Quellen:
Die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022 wird vom RWI organisiert und am 29. September 2022 veröffentlicht.
Altmaier stellt Herbstprojektion vor:
Veröffentlichung am 27.10.2021; letzter Stand 4.10.2022
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
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Vergütungen für 2023 verhandeln – ein paar Überlegungen