Dienstag, 3. Juni 2014

Messbarkeit des Erfolgs von Maßnahmen (Teil 3, Serie Bundesteilhabegesetz)

In meinem zweiten Beitrag ging ich der Frage nach, welche Überlegungen aktuell angestellt werden hinsichtlich der Verteilung finanzieller Lasten. Der Bund soll zwar vorranging die Finanzierung eines Teilhabegeldes / Teilhabeleistungen übernehmen und damit die Kommunen entlasten, aber die Finanzierung solcher Leistungen müssen schließlich vorher von irgendwem eingeholt werden (i.d.R. die Gemeinschaft der Steuerzahler).

Leistungsberechtigte könnten z.B. herangezogen werden, um einen Eigenbeitrag zu tragen. Daneben gäbe es noch die Kranken-Pflege-Rentenversicherungsträger sowie unterhaltspflichtige Eltern. Leider gibt es meines Wissens noch keine EU-Ausgleichszahlungen für einen besonders hohen Sozialmittelbedarf in einem der EU-Mitgliedsländer. Nichtsdestotrotz kann es nicht nur um eine Erhöhung der Einnahmen gehen, sondern der Staat will das bezahlen, was auch verbraucht wird.

Verbraucht werden Ressourcen, die einen festgestellten Hilfebedarf abdecken sollen. Bei diesen Ressourcen handelt es sich um Sachen oder Dienste (in der klassischen Ökonomie kennt man die drei Produktionsfaktoren Arbeit – Boden – Kapital, aus denen die Ressourcen bestehen). Während Sachen im Zeitablauf immer billiger werden (Skalierungs- und Inflationseffekte), wird die Inanspruchnahme von Diensten immer teurer bzw. bleibt teuer (Lohnkostenanstiege).

Die Inanspruchnahme von Diensten geschieht dagegen im Wege der Planung von Maßnahmen, welche darauf hinzielen, den bedürftigen Menschen zu fördern und zu unterstützen. Da somit die Eingliederungshilfe vorrangig auf Maßnahmen beruht (und diese stets teuer bleiben), gilt es die Wirksamkeit bzw. den Erfolg der Maßnahmen zu kontrollieren; schließlich sollen keine Maßnahmen zum Einsatz kommen, welche den festgestellten Hilfebedarf nicht oder nur ungenügend abdecken.

Es fehlt also schlicht an einem Instrument zur Kontrolle der Ergebnisqualität.

In einer Arbeits- und Sozialminister-Konferenz (ASMK) gab es den Vorschlag, eine „zusätzliche Wirksamkeitsprüfung“ neben den bereits bestehenden Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen einzuführen. Dies könne mit dem neuen Gesetz zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen erfolgen. Hierzu muss man wissen, dass Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen eine solche Fragestellung bisher nicht abgedeckt hatten. Ergebnisqualität wurde in der Vergangenheit immer so verstanden, dass eine bestimmte Menge (d.h. gemäß Leistungsvereinbarung) Personal zum Einsatz kam und dieses Personal im Rahmen von auskömmlichen Vergütungssätzen (entsprechend der Vergütungsvereinbarung) angemessen bezahlt wurde. Ob der Stelleneinsatz erfolgreich war, wurde nicht erforscht.

Die Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität ist geregelt in einer eigenen, sogenannten Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Untersuchungsgegenstände sind somit immer nur die Leistungsvereinbarungen als Soll-Größen und die Dienstpläne bzw. Stelleneinsatzpläne als Ist-Größen. Wenn die vereinbarten Stellen in den Dienst- und Stellenplänen umgesetzt werden, wird formal die Einhaltung der Ergebnisqualität angenommen. Zuständig für diese Prüfungen sind dann auch nicht die sozialen Unternehmen und Dienste, sondern regelmäßig die Heimaufsichten bzw. Wohn-Pflege-Aufsichten (vgl. auch S. 562 f., „Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar, 8. Auflage“, Münder et al.).

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) ist diesem Vorschlag nachgegangen und hat in einem eigenen Projekt versucht zu erforschen, wie ein solches Instrument aussehen muss.


Ziel des Projektes „Wie misst man Teilhabe in der Eingliederungshilfe?“  war es, ein „Instrument zur Bestimmung, Umsetzung und Messung von individuell definierter Teilhabe aus Nutzerperspektive zu entwickeln“ (vgl. Kapitel 10, Resümee). Hierfür wurde dann weiter unterschieden zwischen objektiver und subjektiver Teilhabe.

Objektive Teilhabe lässt sich anhand von „Teilhabeindikatoren“ messen, das sind z.B. Kennzahlen zum Anteil des Einkommens zur persönlichen Verfügung, Größe der sozialen Netzwerke, Anteil des Zugangs zu persönlichem Wohnraum sowie Größe und Ausstattung des privaten Wohnraums (Aufzählung nicht zwingend abschließend). Die Projektleiter weisen allerdings darauf hin, dass die Datengenerierung mit Schwierigkeiten verbunden ist (S. 59 des Projektberichtes).

Subjektive Teilhabe kann dagegen nicht mit „harten“ Fakten unterlegt werden, da sie von jedem Teilhabeberechtigten individuell hergestellt wird. Es geht also um eine erlebte Teilhabe. Von daher erscheint es zu erst einmal fragwürdig, wenn hier Ergebnisse präsentiert werden. Die Autoren der Projektarbeit resümieren somit: „Ergebnis ist, dass die in Phase I und II entwickelten Instrumente (Teilhabekiste) und Verfahrensanleitungen (Teilhabeanzeiger) aus der Perspektive der Nutzer die Messung von subjektiver Teilhabe leisten können“ ( S. 58 a.a.O.). Damit zeigt sich, dass mithilfe eines neu entwickelten Instrumentes (Teilhabekiste) und entsprechend darauf abgestimmten Prozessen Erkenntnisse für die weitere Maßnahmeplanung abgeleitet werden können. Diese Erkenntnisse sind aber auf eine Population nicht ohne weiteres übertragbar.

Das Projekt bestätigt einmal mehr, dass im Bereich der Dienstleistungen „harte“ Kriterien schwer zu finden sind. Nachdem bereits in der Vergangenheit andere Messinstrumente mit einem mehr oder minder großen Erfolg versuchsweise eingesetzt und dann wieder abgesetzt wurden, stellt sich die Frage, ob eine Wirksamkeitsprüfung sinnvoll ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden sollte. Problematisch wird es allerdings, wenn ein nicht erprobtes System in den Gesetzestext hineingeschrieben wird, es aber dann nicht praktikabel und umsetzbar ist (Stichwort: „vorvertragliche Verbraucherinformationen bei anstehenden Entgeltverhandlungen“).

In BAGFW-Eckpunktepapier zum neuen Gesetz steht nun unter Ziffer 11, dass die Wirksamkeit „nur im Kontext von Ergebnisqualitätsprüfungen“ gemessen werden kann, wobei hierfür (noch?) die „wissenschaftlichen Voraussetzungen“ fehlen. Die Verantwortung wie auch die Durchführung wird also bei den Heim- bzw. Wohn-Pflege-Aufsichten liegen, was zumindest die Dienste nicht belasten sollte. Ob auf dem Weg zum Gesetz noch erkannt wird, dass subjektive Daten kaum zu gebrauchen sind für statistische Auswertungen, muss sich noch zeigen.

Trotzdem könnte auf gesetzgeberischer Seite die Überlegung angestellt werden, dass eine Weiterbefürwortung von Maßnahmen nur dann erfolgt, wenn Leistungsberechtigte oder Dienste den Nachweis der Wirksamkeit erbringen. Nicht zuletzt würde sich aus der Anwendung eines Instrumentes wie der Teilhabekiste für die sozialen Dienste und Einrichtungen Aufschluss ergeben über den individuellen Erfolg des Teilhabeprozesses. Im Projektbericht heißt es u.a.: „Die Teilhabewirkung von Diensten und Einrichtungen aus der Nutzerperspektive zu messen heißt dann: Schaffen wir als Fachkräfte es, Menschen mit Beeinträchtigungen so durch unseren Dienst / in unserem Haus zu unterstützen, dass individuelle Teilhabe (überwiegend) gelingt?“ (S. 62, a.a.O.).

Im Beschluss des Bundesrates ging es um die „Stärkung der Rechte behinderter Menschen“ und die Herauslösung aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“. Beides kann nur dann gelingen, wenn einerseits das Verständnis der Beteiligten über ihre Rollen im Beziehungsgeflecht eine Wandlung erfährt. Noch besser gelingt es, wenn ein Kontrollinstrument für die Leistungsmessung zur Anwendung kommt. Denn wenn Teilhabe das Ziel ist, müssen die Faktoren, die dazu hinführen, benannt, geplant, eingesetzt und in ihrer Wirksamkeit gemessen werden.

Es bleibt somit die Frage, wie man die Ergebnisqualität messen will.

Kritiker werden einwerfen, dass mit dem Stärkungs-Argument nur Stellenschlüssel abgesenkt werden sollen. Denn wer in die Unabhängigkeit entlassen wird, der wird sich selbst überlassen. Selbstüberlassung ist aber keine befriedigende und gewollte Selbstbestimmung!

Selbstbestimmt als eigenverantwortlicher Verbraucher kann aber jeder behinderte Mensch, der Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen möchte, schon jetzt. Mit dem sogenannten Persönlichen Budget nach § 17 SGB IX (bzw. § 57 SGB XII) sind rechtlich die Voraussetzungen geschaffen, im Rahmen eines eigenen Budgets Leistungen „einzukaufen“. Der teilhabende Mensch wird zum Einkäufer, das bekannte Dreiecksverhältnis löst sich in ein Verbraucher-Anbieter-Verhältnis auf.

Wer soweit ist, der wird Teilhaber. Aber wahrscheinlich trifft dies nur auf eine geringe Anzahl Leistungsberechtigter zu. Fragt man Einrichtungsträger nach ihren Erfahrungen mit Klienten und einem Persönlichen Budget, erntet man eher „fragende Blicke“.

Das große Ziel mit dem neu zu schaffenden Gesetz ist dennoch beachtlich:

Absage an den Fürsorge-Gedanken
Stärkung der Rechte behinderter Menschen
Gleichstellung.



CGS