In meinem zweiten Beitrag ging ich der Frage nach, welche
Überlegungen aktuell angestellt werden hinsichtlich der Verteilung finanzieller
Lasten. Der Bund soll zwar vorranging die Finanzierung eines Teilhabegeldes /
Teilhabeleistungen übernehmen und damit die Kommunen entlasten, aber die
Finanzierung solcher Leistungen müssen schließlich vorher von irgendwem eingeholt
werden (i.d.R. die Gemeinschaft der Steuerzahler).
Leistungsberechtigte könnten z.B. herangezogen werden, um
einen Eigenbeitrag zu tragen. Daneben gäbe es noch die
Kranken-Pflege-Rentenversicherungsträger sowie unterhaltspflichtige Eltern. Leider
gibt es meines Wissens noch keine EU-Ausgleichszahlungen für einen besonders
hohen Sozialmittelbedarf in einem der EU-Mitgliedsländer. Nichtsdestotrotz kann
es nicht nur um eine Erhöhung der Einnahmen gehen, sondern der Staat will das bezahlen,
was auch verbraucht wird.
Verbraucht werden Ressourcen, die einen festgestellten
Hilfebedarf abdecken sollen. Bei diesen Ressourcen handelt es sich um Sachen
oder Dienste (in der klassischen Ökonomie kennt man die drei
Produktionsfaktoren Arbeit – Boden – Kapital, aus denen die Ressourcen
bestehen). Während Sachen im Zeitablauf immer billiger werden (Skalierungs- und
Inflationseffekte), wird die Inanspruchnahme von Diensten immer teurer bzw.
bleibt teuer (Lohnkostenanstiege).
Die Inanspruchnahme von Diensten geschieht dagegen im
Wege der Planung von Maßnahmen, welche darauf hinzielen, den bedürftigen
Menschen zu fördern und zu unterstützen. Da somit die Eingliederungshilfe
vorrangig auf Maßnahmen beruht (und diese stets teuer bleiben), gilt es die
Wirksamkeit bzw. den Erfolg der Maßnahmen zu kontrollieren; schließlich sollen
keine Maßnahmen zum Einsatz kommen, welche den festgestellten Hilfebedarf nicht
oder nur ungenügend abdecken.
Es fehlt also schlicht an einem Instrument zur Kontrolle
der Ergebnisqualität.
In einer Arbeits- und Sozialminister-Konferenz (ASMK) gab
es den Vorschlag, eine „zusätzliche Wirksamkeitsprüfung“ neben den bereits
bestehenden Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen einzuführen. Dies könne
mit dem neuen Gesetz zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen erfolgen. Hierzu
muss man wissen, dass Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen eine solche
Fragestellung bisher nicht abgedeckt hatten. Ergebnisqualität wurde in der
Vergangenheit immer so verstanden, dass eine bestimmte Menge (d.h. gemäß
Leistungsvereinbarung) Personal zum Einsatz kam und dieses Personal im Rahmen
von auskömmlichen Vergütungssätzen (entsprechend der Vergütungsvereinbarung)
angemessen bezahlt wurde. Ob der Stelleneinsatz erfolgreich war, wurde nicht
erforscht.
Die Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Qualität ist
geregelt in einer eigenen, sogenannten Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3
SGB XII. Untersuchungsgegenstände sind somit immer nur die
Leistungsvereinbarungen als Soll-Größen und die Dienstpläne bzw.
Stelleneinsatzpläne als Ist-Größen. Wenn die vereinbarten Stellen in den
Dienst- und Stellenplänen umgesetzt werden, wird formal die Einhaltung der
Ergebnisqualität angenommen. Zuständig für diese Prüfungen sind dann auch nicht
die sozialen Unternehmen und Dienste, sondern regelmäßig die Heimaufsichten
bzw. Wohn-Pflege-Aufsichten (vgl. auch S. 562 f., „Sozialgesetzbuch XII, Lehr-
und Praxiskommentar, 8. Auflage“, Münder et al.).
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege
(BAGFW) ist diesem Vorschlag nachgegangen und hat in einem eigenen Projekt
versucht zu erforschen, wie ein solches Instrument aussehen muss.
Ziel des Projektes „Wie misst man Teilhabe in der
Eingliederungshilfe?“ war es, ein
„Instrument zur Bestimmung, Umsetzung und Messung von individuell definierter
Teilhabe aus Nutzerperspektive zu entwickeln“ (vgl. Kapitel 10, Resümee). Hierfür
wurde dann weiter unterschieden zwischen objektiver und subjektiver Teilhabe.
Objektive Teilhabe lässt sich anhand von
„Teilhabeindikatoren“ messen, das sind z.B. Kennzahlen zum Anteil des
Einkommens zur persönlichen Verfügung, Größe der sozialen Netzwerke, Anteil des
Zugangs zu persönlichem Wohnraum sowie Größe und Ausstattung des privaten
Wohnraums (Aufzählung nicht zwingend abschließend). Die Projektleiter weisen
allerdings darauf hin, dass die Datengenerierung mit Schwierigkeiten verbunden
ist (S. 59 des Projektberichtes).
Subjektive Teilhabe kann dagegen nicht mit „harten“
Fakten unterlegt werden, da sie von jedem Teilhabeberechtigten individuell
hergestellt wird. Es geht also um eine erlebte Teilhabe. Von daher erscheint es
zu erst einmal fragwürdig, wenn hier Ergebnisse präsentiert werden. Die Autoren
der Projektarbeit resümieren somit: „Ergebnis ist, dass die in Phase I und II
entwickelten Instrumente (Teilhabekiste) und Verfahrensanleitungen
(Teilhabeanzeiger) aus der Perspektive der Nutzer die Messung von subjektiver
Teilhabe leisten können“ ( S. 58 a.a.O.). Damit zeigt sich, dass mithilfe eines
neu entwickelten Instrumentes (Teilhabekiste) und entsprechend darauf abgestimmten
Prozessen Erkenntnisse für die weitere Maßnahmeplanung abgeleitet werden
können. Diese Erkenntnisse sind aber auf eine Population nicht ohne weiteres
übertragbar.
Das Projekt bestätigt einmal mehr, dass im Bereich der
Dienstleistungen „harte“ Kriterien schwer zu finden sind. Nachdem bereits in
der Vergangenheit andere Messinstrumente mit einem mehr oder minder großen
Erfolg versuchsweise eingesetzt und dann wieder abgesetzt wurden, stellt sich
die Frage, ob eine Wirksamkeitsprüfung sinnvoll ins Gesetzgebungsverfahren
eingebracht werden sollte. Problematisch wird es allerdings, wenn ein nicht
erprobtes System in den Gesetzestext hineingeschrieben wird, es aber dann nicht
praktikabel und umsetzbar ist (Stichwort: „vorvertragliche
Verbraucherinformationen bei anstehenden Entgeltverhandlungen“).
In BAGFW-Eckpunktepapier zum neuen Gesetz steht nun unter
Ziffer 11, dass die Wirksamkeit „nur im Kontext von Ergebnisqualitätsprüfungen“
gemessen werden kann, wobei hierfür (noch?) die „wissenschaftlichen
Voraussetzungen“ fehlen. Die Verantwortung wie auch die Durchführung wird also
bei den Heim- bzw. Wohn-Pflege-Aufsichten liegen, was zumindest die Dienste
nicht belasten sollte. Ob auf dem Weg zum Gesetz noch erkannt wird, dass
subjektive Daten kaum zu gebrauchen sind für statistische Auswertungen, muss
sich noch zeigen.
Trotzdem könnte auf gesetzgeberischer Seite die
Überlegung angestellt werden, dass eine Weiterbefürwortung von Maßnahmen nur
dann erfolgt, wenn Leistungsberechtigte oder Dienste den Nachweis der
Wirksamkeit erbringen. Nicht zuletzt würde sich aus der Anwendung eines Instrumentes
wie der Teilhabekiste für die sozialen Dienste und Einrichtungen Aufschluss
ergeben über den individuellen Erfolg des Teilhabeprozesses. Im Projektbericht
heißt es u.a.: „Die Teilhabewirkung von Diensten und Einrichtungen aus der
Nutzerperspektive zu messen heißt dann: Schaffen wir als Fachkräfte es,
Menschen mit Beeinträchtigungen so durch unseren Dienst / in unserem Haus zu
unterstützen, dass individuelle Teilhabe (überwiegend) gelingt?“ (S. 62, a.a.O.).
Im Beschluss des Bundesrates ging es um die „Stärkung der
Rechte behinderter Menschen“ und die Herauslösung aus dem bisherigen
„Fürsorgesystem“. Beides kann nur dann gelingen, wenn einerseits das
Verständnis der Beteiligten über ihre Rollen im Beziehungsgeflecht eine
Wandlung erfährt. Noch besser gelingt es, wenn ein Kontrollinstrument für die
Leistungsmessung zur Anwendung kommt. Denn wenn Teilhabe das Ziel ist, müssen
die Faktoren, die dazu hinführen, benannt, geplant, eingesetzt und in ihrer
Wirksamkeit gemessen werden.
Es bleibt somit die Frage, wie man die Ergebnisqualität
messen will.
Kritiker werden einwerfen, dass mit dem
Stärkungs-Argument nur Stellenschlüssel abgesenkt werden sollen. Denn wer in
die Unabhängigkeit entlassen wird, der wird sich selbst überlassen.
Selbstüberlassung ist aber keine befriedigende und gewollte Selbstbestimmung!
Selbstbestimmt als eigenverantwortlicher Verbraucher kann
aber jeder behinderte Mensch, der Teilhabeleistungen in Anspruch nehmen möchte,
schon jetzt. Mit dem sogenannten Persönlichen Budget nach § 17 SGB IX (bzw. §
57 SGB XII) sind rechtlich die Voraussetzungen geschaffen, im Rahmen eines
eigenen Budgets Leistungen „einzukaufen“. Der teilhabende Mensch wird zum
Einkäufer, das bekannte Dreiecksverhältnis löst sich in ein
Verbraucher-Anbieter-Verhältnis auf.
Wer soweit ist, der wird Teilhaber. Aber wahrscheinlich
trifft dies nur auf eine geringe Anzahl Leistungsberechtigter zu. Fragt man Einrichtungsträger
nach ihren Erfahrungen mit Klienten und einem Persönlichen Budget, erntet man
eher „fragende Blicke“.
Das große Ziel mit dem neu zu schaffenden Gesetz ist
dennoch beachtlich:
Absage an den Fürsorge-Gedanken
Stärkung der Rechte behinderter Menschen
Gleichstellung.
CGS