Rendite
und Sozialhilfe? Wie kann das gehen? Dürfen gemeinnützige Unternehmen überhaupt
einen Gewinn erwirtschaften?
Häufig
genug wird sozialen Unternehmen in Vergütungsverhandlungen der Vorwurf gemacht,
sie würden auf Kosten der Sozialhilfe Gewinne machen. In der Tat weisen einige
Kapitalgesellschaften in ihren jährlichen Rechnungslegungsberichten einen
Jahresüberschuss aus, der, wenn sie gemeinnützig sind, regelmäßig den
Gewinnrücklagen zugeführt wird. Wenn dieselben Unternehmen dann höhere
Vergütungen fordern, weil die prospektiven Gestehungskosten gestiegen sind, fühlen
sich Sozialhilfeträger „an der Nase“ geführt und verweigern die Verhandlungen.
Stattdessen verlangt man, dass Gewinnrücklagen eingesetzt werden, bis eine
Verlustsituation eintritt – jetzt schon höhere Vergütungen zu fordern, sei
unangemessen.
(1)
Vergütungen
müssen immer für die Zukunft verhandelt werden, da nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB
XII „nachträgliche Ausgleiche“ nicht zulässig sind. Einrichtungsträger müssen
von daher immer so kalkulieren, dass sie voraussichtlich mit den erzielten
Einnahmen auskommen. Ist dies nicht der Fall, geht dies zu ihren Lasten –
Unternehmerrisiko!
Umgekehrt
erlaubt diese Regelung, dass Einrichtungsträger Überschüsse behalten dürfen: §
77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sagt nichts über die Unzulässigkeit von Ausgleichen
nur bei Verlusten aber doch wiederum bei Überschüssen. Das steht dort nicht!
Die
Vertragsparteien verhandeln und können auf Basis der vorgebrachten Argumente
abwägen, ob eine Vergütungsanhebung plausibel begründet worden ist. Zum Problem
wird es allerdings, wenn sich aufgrund vorjähriger positiver Jahresergebnisse
offenkundig ständige Einnahmeüberschüsse herausbilden. Dann muss ein
Sozialhilfeträger durchaus skeptisch reagieren, dies gibt ihm aber nicht das
Recht, Verhandlungen gänzlich zu verweigern; im Gegenteil: Verhandlungen sind
zu führen, weil eine Vertragspartei die andere zu Verhandlungen auffordert
(vgl. auch die Bestimmungen in den jeweiligen Landesrahmenverträgen nach § 79
SGB XII). Vielmehr muss die angegangene Vertragspartei kritisch die
vorgebrachten Argumente prüfen und dann auf die einzelnen Forderungen
inhaltlich eingehen.
Wenn
also z.B. der Einrichtungsträger konkrete Forderungen stellt, der
Sozialhilfeträger mit Blick auf den vorjährigen Jahresabschluss die
Angemessenheit pauschal in Frage stellt und die Verhandlungen nicht führen
möchte, dann bleibt nur noch die Anrufung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII.
Mangels vorgebrachter konkretisierter Streitpunkte seitens des
Sozialhilfeträgers, müsste das Votum eindeutig zugunsten des vortragenden Einrichtungsträgers
ausgehen (das sieht in der Praxis manchmal ganz anders aus, aber es gibt wieder
ein – für mich – neueres Schiedsstellenurteil, welches nach Umweg über das LSG,
seine Entscheidung zugunsten des antragsstellenden Einrichtungsträgers änderte.
Der Entscheidungsgegenstand war seinerzeit nicht Bestandteil des eingereichten
Schiedsstellenantrags war und somit nicht Befassungsgegenstand. Die
Schiedsstelle hätte nur über solche Gegenstände entscheiden müssen, die konkret
strittig und im Schiedsstellenantrag als Streitgegenstand benannt worden
waren).
Dreh-
und Angelpunkt für Fehlbeträge oder Überschüsse waren bislang die Vergütungen,
welche die Aufwendungen des Unternehmens überdeckten oder auch nicht. Hinzu kam
dann noch eine Auslastungsquote, mit der die Unternehmen mögliche
Auslastungsschwankungen kompensiert haben wollten. Während Sozialhilfeträger
immer in Richtung einer 100 %igen Auslastung verhandeln wollen, argumentieren
Einrichtungsträger damit, dass die Vorhaltung von 100 % der Ressourcen (d.h.
Personal, Räumlichkeiten, usw. = Fixkosten) im Jahresdurchschnitt mit einer
z.B. 97 %igen Belegung erreicht werden muss. Von daher wurden die Vergütungen
um den Faktor 100/97 = 1,03 angehoben. Wenn dann im Jahresverlauf tatsächlich
100 % Auslastung erreicht werden, erzielt der Einrichtungsträger i.d.R. einen
Überschuss. Würde die Auslastung z.B. auf 90 % zurückgehen, dann würde diese
Verlustsituation aufgrund der o.g. Vorschrift nach § 77 SGB XII zum
Unternehmerrisiko zählen: „nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig“!
Als
Zwischenfazit bleibt vorerst festzustellen, dass ein soziales Unternehmen
durchaus Gewinne erzielen kann und darf!
(2)
Das Gutachten
beginnt seine Analyse damit, dass es eine Entscheidung des
Bundessozialgerichtes vom 16.5.2013 (Az. B 3 P 2/12 R) heranzieht. Dort heißt
es im zweiten Leitsatz:
„Soll der mit der Pflegevergütung zu
erzielende Gewinn einer Pflegeeinrichtung über die Auslastungsquote gesteuert
werden, muss die Quote so realistisch angesetzt sein, dass sie bei
ordnungsgemäßer Betriebsführung zu einem angemessenen Überschuss führen kann.“
Es
geht zwar vordringlich um ein Unternehmen der Altenpflege, die Systematik der
Vergütungsverhandlungen und Kalkulation sind sich so ähnlich, dass viele
Fachleute eine Übertragbarkeit auf den Bereich der Eingliederungshilfe für
möglich halten.
Bemerkenswert
ist nun der Denkansatz, dass ein Gewinn erzielt werden soll, und zwar
„angemessen“ mit Hilfe der „Auslastungsquote gesteuert“ bei „ordnungsgemäßer
Betriebsführung“. Die letztgenannten Begriffe sind klar und müssen nicht weiter
ausgelegt werden. Was nun zu prüfen gilt ist die Frage der „Angemessenheit“;
oder anders die Frage gestellt: Wenn ein Gewinn (wie auch immer) eingeplant
werden kann, wie hoch darf dieser Gewinn ausfallen, um als angemessen zu
gelten?
Das Gutachten
hat nun diese Frage versucht zu klären. Da die Unterlagen vermutlich nur für
einen kleinen Leserkreis gedacht sind, wird nachfolgend auf eine passagenweise
Wiedergabe verzichtet. Es sollte reichen, wenn man sich die Schlussfolgerung im
Ergebnis ansieht und von dort ausgehend verschiedene Überlegungen anstellt.
Im
Gutachten wird geschlussfolgert, dass eine Umsatzrendite von „4 %“ als
angemessen erachtet werden kann (vgl. Ziff. 10, S. 12 des Gutachtens). Die Umsatzrendite
ist eine Kennziffer, die sich aus dem Verhältnis des Jahresüberschusses zu den
Umsatzerlösen ergibt. Die Prozentzahl wiederum ergibt sich aus den
Überlegungen, dass auch ein gemeinnütziges Unternehmen nachhaltig wirtschaften
muss und andere Unternehmen (Branchenfremde Unternehmen wie auch andere
Pflegeeinrichtungen) eine entsprechende Rentabilität erzielen. Leider wird der
Begriff „nachhaltiges Wirtschaften“ nicht weiter erläutert im Gutachten, wo
doch das Fortführungsprinzip („Going
Concern“) gemeint ist. Daraus folgt, dass ein auf Dauer ausgerichtetes
Überleben des Unternehmens am Markt eine positive Prozentzahl erforderlich
macht. Der verwendete Begriff der Nachhaltigkeit wie auch das
Fortführungsprinzip korrelieren ganz stark mit dem im Sozialrecht verankerten
Begriff der Leistungsfähigkeit (vgl. § 75 Abs. 2 SGB XII).
Problematisch
erscheint dagegen die Höhe der als angemessen erachteten Umsatzrendite. Ein
soziales Unternehmen wird in der Regel mit einem hohen Anteil an Eigenkapital
ausgestattet sein (durchaus 70 bis 80 % der Bilanzsumme). Würde man hier den
Vergleich zu privatwirtschaftlichen Banken führen, hätte man die Endpunkte
zweier Extreme gegenübergestellt, da Banken notorisch unterkapitalisiert sind
mit Eigenkapital (derzeit wird eine Mindestkernkapitalrate von 4,5 % bis 2019
nach Basel III angestrebt).
Wenn
man die Annahme trifft, dass soziale Unternehmen lediglich das zwei- oder
dreifache der Bilanzsumme als Umsatzerlöse erreichen, dann bedeutet dies bei
einer Umsatzrendite von 4 % bei dreifachen Umsatzerlösen und einer EK-Quote von
80 % eine EK-Rentabilität von à 100 * 3 * 4 % / 80 % = 15 %.
Die
Deutsche Bank AG erreichte in 2013 mit einem bilanziellen Eigenkapital von 54.719
Mio. EUR bei einer Bilanzsumme von 1.611.400 Mio. EUR in 2013 eine EK-Quote von
3,4 %. Der Jahresüberschuss lag dagegen bei „mageren“ 666 Mio. EUR, was einer
EK-Rentabilität von 1,2 % entsprach (Quelle: FWB, Kennzahlenübersicht)
Die
Allianz SE schaffte dagegen mit einem bilanziellen Eigenkapital von 50.084 Mio.
EUR und einer Bilanzsumme von 711.530 Mio. EUR eine EK-Quote von 7,0 %. Der
Jahresüberschuss betrug 5.996 Mio. EUR und das entsprach einer EK-Rentabilität
von 11,9 % (Quelle: FWB, Kennzahlenübersicht).
Können
gemeinnützige Unternehmen wirklich auf eine Stufe gestellt werden mit profitorientierten,
börsennotierten Kapitalgesellschaften? Die propagierte Angemessenheit von „4 %
Umsatzrendite“ erscheint im Vergleich zu den beiden o.g. DAX-Schwergewichten
eher unangemessen, zumal diese sehr danach bestrebt sind, einen Leverage-Effekt zu erzielen, indem die
EK-Quote nach Möglichkeit optimiert wird. Soziale Unternehmen streben dies
nicht an.
Darum
kann man nicht ohne weiteres schlussfolgern, dass eine Umsatzrendite eine bestimmte
Höhe haben darf. Wollte man dann daraus weiter folgern, dass Vergütungen mit
einem Umsatzzuschlag von „4 %“ oder einer Auslastungsquote von 96 statt 100 % kalkuliert
werden müssen, dann geht dies m.E. auch am BSG-Urteil vorbei.
(3)
Das
BSG bejaht die Steuerungsmöglichkeit über die Auslastungsquote und verneint die
Kalkulation einer Eigenkapitalverzinsung. Beides zusammen wäre auch verkehrt,
denn die aktiv vorgenommene EK-Verzinsungskalkulation würde bei einer höheren
tatsächlichen im Vergleich zur kalkulierten Auslastungsquote einen sehr hohen „Gewinnzuschlag“
bedeuten. Doch erst einmal die Begründung im Einzelnen:
In
Randziffer 26 heißt es:
„…Umgekehrt muss die
Pflegevergütung dem Pflegeheim aber auch die Möglichkeit bieten, Gewinne zu
erzielen, die ihm iS von § 84 Abs 2 S 5 Halbs 1 SGB XI als Überschuss
verbleiben können. Wie diese Gewinnchance zu bemessen ist, hat der Gesetzgeber
nicht vorgezeichnet, sondern der Aushandlung der Vertragspartner und im
Streitfall der Entscheidung der Schiedsstelle im Verfahren nach § 85 Abs 5 S 1
SGB XI überlassen. …“
Zum
Glücke für Pflegeheime gibt es tatsächlich in § 84 Abs. 2 SGB XI einen Passus,
wonach es Pflegeheimen gestattet ist, Überschüsse zu erzielen. Warum dies im
Bereich der Eingliederungshilfe ausgelassen wurde, bleibt unverständlich.
Weiter
heißt es:
„…Dies kann entweder über einen
festen umsatzbezogenen Prozentsatz geschehen oder auch - wie
hier - über die Auslastungsquote
gesteuert werden; das ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. …“
Auf
keinen Fall kann es sich um einen Zuschlag handeln. In Randziffer 27 wird
entschieden:
„… Damit hat der Senat - anders als die Klägerin möglicherweise
meint - keine besonders zu ermittelnde Rechnungsposition umschrieben, die wie
die Gestehungskosten einer Einrichtung zu behandeln wären. Schon mit der Bezeichnung als "Vergütung" ist vielmehr
zum Ausdruck gebracht, dass dieser Zuschlag dem Vergütungsinteresse der
Einrichtung und damit ihrer Gewinnchance zuzurechnen ist. Das folgt auch aus
der Sache selbst, weil der Unternehmergewinn die Kehrseite der
unternehmerischen Wagnisse eines Pflegeheimträgers ist: Realisiert sich keines
der allgemeinen unternehmerischen Risiken etwa infolge der
gesamtwirtschaftlichen Lage, der Nachfrageentwicklung oder von unternehmerischen
(Fehl-)Entscheidungen, kann die Einrichtung bei ausreichend
bemessener Pflegevergütung einen
ihr verbleibenden Überschuss erzielen (§ 84 Abs 2 S 5 Halbs 1 SGB XI);
andernfalls hat sie den Verlust zu tragen (§ 84 Abs 2 S 5 Halbs 2 SGB XI). Muss
in der Pflegevergütung schon nach den allgemeinen Grundsätzen Raum sein für die
Realisierung von Unternehmensgewinnen, besteht deshalb für weitere Zuschläge
zur Abgeltung der mit dem Betrieb von Pflegeeinrichtungen getragenen allgemeinen
unternehmerischen Risiken kein Anlass. “
In
Randziffer 29 wird dann noch einmal klar gestellt, dass auch etwaige
Eigenkapital-Verzinsungen nicht zulässig sind.
Dass
das BSG dennoch weiter oben einen „festen umsatzbezogenen Prozentsatz“ als
Gewinn anerkannt hat, erscheint m.E. irreführend. Wie sollte so ein Prozentsatz
Berücksichtigung finden? Es bleibt nach meinem Dafürhalten nur die Aushandlung
einer kalkulatorischen Auslastungsquote unter 100 %, die der Unternehmer dann
nach bestem Unternehmertum bis 100 % ausfüllen darf.
CGS
PS:
Eine
interessante Diskussion über dieses Urteil findet sich im Rechtsdienst der
Lebenshilfe, Ausgabe 4/2013, S. 179 f.