Im Magazin „Eppendorfer“, der „Zeitung
für Psychiatrie“, las ich einen Artikel über eine Veranstaltung im Rauhen Haus.
Die Überschrift des Artikels lautete: „Sozialpsychiatrie im Umbruch“.
Offensichtlich waren die Experten
geladen und das Interesse sehr groß. Der Schwerpunkt der Diskussion lag auf der
Einführung des Trägerbudgets in Hamburg, allerdings ging es vornehmlich um das
Leistungsspektrum Sozialpsychiatrie (z.B. PPM) finanziert aus Mitteln der
Eingliederungshilfe (6. Kapitel SGB XII).
Der Hilfebedarf sei in den letzten
Jahren wohl enorm gestiegen und es droht eine Ausuferung, wenn nicht irgendwie
gesteuert wird, so zumindest die Sichtweise der Hamburger Behördenvertreter.
Es handelt sich um einen „Paradigmen-Wechsel“,
wird Anneke Wiese zitiert. Damit ist wohl ein Wandel grundlegender
Rahmenbedingungen in der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung gemeint, der
sich mit den „Stichworten“ Inklusion, Gleichberechtigte Teilhabe, Umsetzung der
UN-BRK, Personenzentrierung und Sozialraum beschreiben lässt. Mir fällt hierzu
spontan ein, dass vor über zehn Jahren ebenfalls ein sogenannter Paradigmen-Wechsel
in der Diskussion war: weg von der Einrichtungsfinanzierung und hin zur
Personenzentrierung. Man sieht, was daraus geworden ist.
Staatsrat Jan Pörksen wird im
Artikel ebenso zitiert, wonach es sich beim Trägerbudget nicht um ein „Sparmodell“
handeln soll. Und doch ist es das Steuerungsinstrument, mit dem der vorgenannte
Paradigmen-Wechsel gelingen soll. Tatsächlich gibt es keine Kürzung der Gesamtvergütungen
an die Leistungserbringer, den die Budgets werden ja eingefroren. Es wird allerdings
die Leistungsmenge angehoben, ohne dass es dafür einen finanziellen Ausgleich
gibt. Mehr leisten bei gleicher Bezahlung?
Bei den ehemals neu eingeführten
gestuften Maßnahmenpauschalen sollte es ja auch eine Umverteilung von Stellen
geben. Diese Umverteilung sollte „budgetneutral“ zwischen allen beteiligten
Leistungserbringern vollzogen werden. Doch die abgebenden (großen)
Leistungserbringer verweigerten sich, und so blieben Arbeitsdichte und
Vergütungsniveaus weiterhin ungleich verteilt.
Nun handelt es sich wieder um ein
Wagnis, steht im Artikel, wobei sich mir die Frage stellt: Für wen?
Es ist schon richtig, wenn von Axel
Georg-Wiese festgestellt wird, dass jedes System seine eigenen systembedingten Kosten
erzeugt. Es scheint aber dahinter die Überzeugung zu stehen, dass solche Kosten
nur das System am Leben erhalten und keinen verbessernden Effekt ausüben. An
einer solchen Stelle müssten Beispiele genannt werden, denn Systeme bestehen
ja, um eine Versorgung systematisch zu ermöglichen und mithin
Skalierungseffekte zu nutzen. Um ein System zu steuern, benötigt man wiederum
Kontrollinstrumente, die natürlich Ressourcen verbrauchen. Also hat man
einerseits Einsparungseffekte aufgrund des Systems (Skalierungseffekte) und
andererseits systembedingte Mehrkosten. Wenn jetzt die Einsparungseffekte nicht
mehr vorhanden sind oder geringer ausfallen als die systembedingten Mehrkosten,
dann muss das System ganz richtig auf den Kopf gestellt werden. Doch davon habe
ich bislang nichts gehört.
Es wird auch von einem Mehr an Verantwortung
gesprochen und es soll auch einen größeren Gestaltungsspielraum geben – doch für
wen?
Natürlich zwingt die Haushaltslage
die Politik dazu, ungewöhnliche Schritte zu gehen. Dass dies aber nun mit einem
Paradigmen-Wechsel begründet wird, erscheint sehr fragwürdig und erinnert an
eine ehemalige Zielvereinbarung, in der von „Umwandlung“ gesprochen wurde, aber
„Platzabbau“ gemeint war.
An dem Fachtag nahmen noch andere
Fachleute teil, die ihre Sichtweisen beschrieben und einige interessante Punkte
aufmachten.
Es wird beispielsweise angemerkt,
dass ein Verlust von „sozialem Kapital“ droht, wenn ein Leistungsberechtigter
seinen Stadtteil, d.h. sozialen Lebensraum und Wirkungskreis, verlassen muss.
Jemand anderes weist darauf hin, dass
im Trägerbudget keine Anreize vorhanden sind für eine sogenannte „Schnittstellenbearbeitung“
(d.h. „Pflege von Kontakten mit Kliniken o.ä.“) oder die „Präventionsstärkung“.
Und es wird noch etwas betont: Durch
den Ausstieg der beiden großen Träger BHH Sozialkontor und der Evangelischen
Stiftung Alsterdorf wird die Initiative zur Entwicklung einer gemeinsamen Integrierten
Teilhabeplanung (ITP) aufgegeben. Eben an diesem Leistungsbemessungssystem
wurde in der Vergangenheit hart gearbeitet und verhandelt. Durch das
Trägerbudget scheint sämtliche Energie verschwunden zu sein.
Zum Schluss wird noch von einer
weiteren Teilnehmerin herausgestellt, dass man mit den Trägerbudgets in einem „institutionellen
Denken“ verharrt.
Für mich sieht es alles nach einer „Rolle
rückwärts“ aus.
CGS