Freitag, 9. Mai 2014

Fachtag der Sozialpsychiatrie in Hamburg (Artikel aus „Eppendorfer“)

Im Magazin „Eppendorfer“, der „Zeitung für Psychiatrie“, las ich einen Artikel über eine Veranstaltung im Rauhen Haus. Die Überschrift des Artikels lautete: „Sozialpsychiatrie im Umbruch“.

Offensichtlich waren die Experten geladen und das Interesse sehr groß. Der Schwerpunkt der Diskussion lag auf der Einführung des Trägerbudgets in Hamburg, allerdings ging es vornehmlich um das Leistungsspektrum Sozialpsychiatrie (z.B. PPM) finanziert aus Mitteln der Eingliederungshilfe (6. Kapitel SGB XII).

Der Hilfebedarf sei in den letzten Jahren wohl enorm gestiegen und es droht eine Ausuferung, wenn nicht irgendwie gesteuert wird, so zumindest die Sichtweise der Hamburger Behördenvertreter.

Es handelt sich um einen „Paradigmen-Wechsel“, wird Anneke Wiese zitiert. Damit ist wohl ein Wandel grundlegender Rahmenbedingungen in der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung gemeint, der sich mit den „Stichworten“ Inklusion, Gleichberechtigte Teilhabe, Umsetzung der UN-BRK, Personenzentrierung und Sozialraum beschreiben lässt. Mir fällt hierzu spontan ein, dass vor über zehn Jahren ebenfalls ein sogenannter Paradigmen-Wechsel in der Diskussion war: weg von der Einrichtungsfinanzierung und hin zur Personenzentrierung. Man sieht, was daraus geworden ist.

Staatsrat Jan Pörksen wird im Artikel ebenso zitiert, wonach es sich beim Trägerbudget nicht um ein „Sparmodell“ handeln soll. Und doch ist es das Steuerungsinstrument, mit dem der vorgenannte Paradigmen-Wechsel gelingen soll. Tatsächlich gibt es keine Kürzung der Gesamtvergütungen an die Leistungserbringer, den die Budgets werden ja eingefroren. Es wird allerdings die Leistungsmenge angehoben, ohne dass es dafür einen finanziellen Ausgleich gibt. Mehr leisten bei gleicher Bezahlung?

Bei den ehemals neu eingeführten gestuften Maßnahmenpauschalen sollte es ja auch eine Umverteilung von Stellen geben. Diese Umverteilung sollte „budgetneutral“ zwischen allen beteiligten Leistungserbringern vollzogen werden. Doch die abgebenden (großen) Leistungserbringer verweigerten sich, und so blieben Arbeitsdichte und Vergütungsniveaus weiterhin ungleich verteilt.

Nun handelt es sich wieder um ein Wagnis, steht im Artikel, wobei sich mir die Frage stellt: Für wen?

Es ist schon richtig, wenn von Axel Georg-Wiese festgestellt wird, dass jedes System seine eigenen systembedingten Kosten erzeugt. Es scheint aber dahinter die Überzeugung zu stehen, dass solche Kosten nur das System am Leben erhalten und keinen verbessernden Effekt ausüben. An einer solchen Stelle müssten Beispiele genannt werden, denn Systeme bestehen ja, um eine Versorgung systematisch zu ermöglichen und mithin Skalierungseffekte zu nutzen. Um ein System zu steuern, benötigt man wiederum Kontrollinstrumente, die natürlich Ressourcen verbrauchen. Also hat man einerseits Einsparungseffekte aufgrund des Systems (Skalierungseffekte) und andererseits systembedingte Mehrkosten. Wenn jetzt die Einsparungseffekte nicht mehr vorhanden sind oder geringer ausfallen als die systembedingten Mehrkosten, dann muss das System ganz richtig auf den Kopf gestellt werden. Doch davon habe ich bislang nichts gehört.

Es wird auch von einem Mehr an Verantwortung gesprochen und es soll auch einen größeren Gestaltungsspielraum geben – doch für wen?

Natürlich zwingt die Haushaltslage die Politik dazu, ungewöhnliche Schritte zu gehen. Dass dies aber nun mit einem Paradigmen-Wechsel begründet wird, erscheint sehr fragwürdig und erinnert an eine ehemalige Zielvereinbarung, in der von „Umwandlung“ gesprochen wurde, aber „Platzabbau“ gemeint war.

An dem Fachtag nahmen noch andere Fachleute teil, die ihre Sichtweisen beschrieben und einige interessante Punkte aufmachten.

Es wird beispielsweise angemerkt, dass ein Verlust von „sozialem Kapital“ droht, wenn ein Leistungsberechtigter seinen Stadtteil, d.h. sozialen Lebensraum und Wirkungskreis, verlassen muss.

Jemand anderes weist darauf hin, dass im Trägerbudget keine Anreize vorhanden sind für eine sogenannte „Schnittstellenbearbeitung“ (d.h. „Pflege von Kontakten mit Kliniken o.ä.“) oder die „Präventionsstärkung“.

Und es wird noch etwas betont: Durch den Ausstieg der beiden großen Träger BHH Sozialkontor und der Evangelischen Stiftung Alsterdorf wird die Initiative zur Entwicklung einer gemeinsamen Integrierten Teilhabeplanung (ITP) aufgegeben. Eben an diesem Leistungsbemessungssystem wurde in der Vergangenheit hart gearbeitet und verhandelt. Durch das Trägerbudget scheint sämtliche Energie verschwunden zu sein.

Zum Schluss wird noch von einer weiteren Teilnehmerin herausgestellt, dass man mit den Trägerbudgets in einem „institutionellen Denken“ verharrt.

Für mich sieht es alles nach einer „Rolle rückwärts“ aus.




CGS