Mittwoch, 2. Januar 2019

Das ergänzte Prüfrecht im SGB IX

Am 11.11.2018 gab es einen Gesetzentwurf zur Änderung des SGB IX und des SGB XII (Drucksache 19/5456 des Deutschen Bundestags). Am 12.12.2018 folgte dann die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu eben diesem Gesetzentwurf mit wenigen Änderungen (Drucksache 19/6465). Der Gesetzentwurf wurde dann angenommen.

Im Folgenden soll es nur um das neue, ergänzte Prüfungsrecht für die Träger von Leistungen der Eingliederungshilfe gehen (Artikel 4 des Änderungsgesetzes). Diese Änderungen werden im Gegensatz zu den anderen Passagen erst zum 1.1.2020 in Kraft treten.


Das ergänzte Prüfungsrecht

§ 128 SGB IX
Fassung seit 1.1.2018
Gesetzestext
(Fettdruck von mir)
Abs. 1


Satz 1

Soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, prüft der Träger der Eingliederungshilfe oder ein von diesem beauftragter Dritter die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen des Leistungserbringers.

Neuer Satz 2

Artikel 4,
Nr. 1

Fassung ab 2020

Die Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Träger der Eingliederungshilfe auf Verlangen die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.

Satz 3
(alter Satz 2)

Zur Vermeidung von Doppelprüfungen arbeiten die Träger der Eingliederungshilfe mit den Trägern der Sozialhilfe, mit den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden sowie mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zusammen.

Neue Sätze 4 bis 6

Artikel 4,
Nr. 2

Fassung ab 2020

Der Träger der Eingliederungshilfe ist berechtigt und auf Anforderung verpflichtet, den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden die Daten über den Leistungserbringer sowie die Ergebnisse der Prüfungen mitzuteilen, soweit sie für die Zwecke der Prüfung durch den Empfänger erforderlich sind.

Personenbezogene Daten sind vor der Datenübermittlung zu anonymisieren.

Abweichend von Satz 5 dürfen personenbezogene Daten in nicht anonymisierter Form an die für die Heimaufsicht zuständigen Behörden übermittelt werden, soweit sie zu deren Aufgabenerfüllung erforderlich sind.

Satz 7
(alter Satz 3)

Durch Landesrecht kann von der Einschränkung in Satz 1 erster Halbsatz abgewichen werden.
Abs. 2


Die Prüfung nach Absatz 1 kann ohne vorherige Ankündigung erfolgen und erstreckt sich auf Inhalt, Umfang, Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der erbrachten Leistungen.

Abs. 3

Sätze 1 und 2
Der Träger der Eingliederungshilfe hat den Leistungserbringer über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu unterrichten.

Das Ergebnis der Prüfung ist dem Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.


In § 128 SGB IX hat man die Möglichkeit geschaffen, dass der Träger der Eingliederungshilfe (Leistungsträger) die im Rahmen einer Prüfung des Leistungserbringers erworbenen Daten mitsamt dem Prüfungsergebnis an die für die Heimaufsicht zuständige Behörde weitergeben kann. Dabei geht es aber nicht nur um das reine Vertragsverhältnis zwischen den beiden, also über die Dinge, die vereinbart worden sind zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer (z.B. Leistungsangebot, Personal und sonstige Besonderheiten). Es kann auch um die „Wirksamkeit der erbrachten Leistungen“ gehen, also das, was man als ein Förderziel mit dem leistungsberechtigten Mensch abgesprochen hat.

Personenbezogene Daten wären grundsätzlich zu anonymisieren, aber es muss nicht sein. Wenn es die „Aufgabenerfüllung der Heimaufsichtsbehörden“ betrifft „und der Zweck sonst nicht erfüllt werden kann“, könnte von dieser Vorgabe abgewichen werden (vgl. hierzu Begründung zu Artikel 4 Nr. 2, Drucksache 19/5456, S. 27 – da auch noch andere Stellen involviert sein können nach Abs. 1 Satz 3, ist die Begründung nicht umfassend genug).


Was es bedeuten kann – Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Gerade weil personenbezogene Daten Gegenstand einer Prüfung sein können, ist hier von allen Beteiligten eine große Sorgfalt einzufordern. Es muss genau begründet werden, warum solche Daten offengelegt werden sollen und wie man weiter damit verfährt. Die Leistungserbringer müssen wiederum ihrerseits kritisch hinterfragen, warum eine solche Prüfung die Einholung bestimmter personenbezogener Daten notwendig macht. Zwar klingt das jetzt nach viel Bürokratie und Formalismus, aber ein Verstoß gegen Vorschriften des Datenschutzes kann sehr gravierende Folgen haben.

Die Prüfungsvereinbarung, wie man sie noch aus dem bisherigen Recht her kennt (vgl. § 76 Abs. 3 SGB XII), wird obsolet. Und damit kommt den Rahmenverträgen und Leistungsvereinbarungen eine größere Bedeutung zu, ebenso den Teilhabezielvereinbarungen (vgl. § 122 SGB IX n.F.), die später zum Gegenstand einer Wirksamkeits-Prüfung werden.

Für die Leistungserbringer der Eingliederungshilfe wird offensichtlich mit keinem Erfüllungsaufwand bei der Umsetzung dieser Gesetzesänderung gerechnet, da sich die Änderungen auf die interne Arbeit der Verwaltung richten. Zugelassene Pflegeeinrichtungen (§ 76a SGB XII), die von den anderen hier nicht näher besprochenen Änderungen betroffen wären (siehe unten), werden dagegen schon mit einem höheren Erfüllungsaufwand konfrontiert; immerhin weitet sich das Prüfrecht der Pflegekassen nunmehr auch auf die Sozialhilfeträger aus. Grundsätzlich erkennt man aber an, dass die „Bürokratiekosten aus Informationspflichten im Rahmen der Mitwirkungspflichten … nicht solide quantifiziert werden können“ (vgl. hierzu Begründung in der Drucksache 19/5456, S. 19).


Erfüllungsaufwand für die Verwaltung?

Für die Leistungsträger wird dagegen mit einem höheren Erfüllungsaufwand gerechnet, weil jetzt die Zusammenarbeit mit den anderen Stellen ermöglicht worden ist. Aber ob dies zu einer höheren Prüfungsfrequenz führt, ist derzeit mehr als fraglich.

Nach einem Bericht des NDR zeigen sich nach wie vor erhebliche Lücken bei den Kontrollen von Pflegeheimen (siehe Quellenangabe weiter unten). Die sogenannte Regelkontrolle, die zumindest einmal im Jahr stattfinden soll, wird in vielen Landkreisen im Bundesland Schleswig-Holstein noch immer nicht geschafft (z.B. Landkreis Segeberg: 40 von 78 = 51 %). Die Gründe dafür liegen vorrangig in einer sehr ungenügenden Personalausstattung, die sich wahrscheinlich auch in nächster Zeit nicht wesentlich verbessert.

Die Rahmenbedingungen sind ausgestaltet worden. Die Vorstellungen allerdings recht ambitioniert. Sollte es zu einem Mehr an Prüfungen kommen, wird viel fachliche Arbeit damit verbracht. Man wird bei diesen Prüfungen immer etwas finden, man wird aber auch immer einen Mangel in der Prüfungsarbeit finden – beides wird es geben. Die Möglichkeit zur Kürzung von Vergütungen, wie es in § 129 SGB IX vorgesehen ist, muss dann noch umgesetzt werden. Die Schiedsstellen würden dann gut zu tun bekommen, was wiederum sehr viele Ressourcen binden wird.

CGS



Quellen:

Das neue Prüfungsrecht für den Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein in Sachen Eingliederungshilfe
Eigener Beitrag vom 23.4.2017

NDR 1 – Welle Nord
Beitrag vom 2.1.2019



Weiteres:

Artikel 6 zu §§ 76a und 78 SGB XII (ab 1.1.2020)
1.



2.

Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass eine zugelassene Pflegeeinrichtung ihre vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, findet § 78 entsprechende Anwendung, soweit nicht eine Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung nach § 79 des Elften Buches erfolgt oder soweit nicht ein Auftrag für eine Anlassprüfung nach § 114 des Elften Buches durch die Landesverbände der Pflegekassen erteilt worden ist. (neuer Absatz 2 in § 76a)


3a.

Die Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Träger der Sozialhilfe auf Verlangen die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. (neuer Satz 2 in § 78 Abs. 1)

3b.

Der Träger der Sozialhilfe ist berechtigt und auf Anforderung verpflichtet, den für die Heimaufsicht zuständigen Behörden die Daten über den Leistungserbringer sowie die Ergebnisse der Prüfungen mitzuteilen, soweit sie für die Zwecke der Prüfung durch den Empfänger erforderlich sind. (neuer Satz 4)

Personenbezogene Daten sind vor der Datenübermittlung zu anonymisieren. (neuer Satz 5)

Abweichend von Satz 5 dürfen personenbezogene Daten in nicht anonymisierter Form an die für die Heimaufsicht zuständigen Behörden übermittelt werden, soweit sie zu deren Aufgabenerfüllung erforderlich sind. (neuer Satz 6)






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Das ergänzte Prüfrecht im SGB IX