Und an dieser Stelle tun sich vier Rückfragen auf.
Grundsätzlich ja. Doch aufgrund
der akuten Krisenbewältigung kann kein Leistungsträger erwarten, dass jetzt
entsprechende Aktivitäten zur Sicherung solcher Leistungen von dritter Seite
her verfolgt werden. Das Versäumen von Fristen wäre von daher durchaus
begründet.
Ein Leistungsträger könnte von
sich aus auf die Einholung solcher vorrangigen Mittel hinweisen und damit einem
späteren „Das haben wir nicht wissen können“ begegnen können. Das wäre dann
rechtssicherer für den Leistungsträger. Und es wäre hilfreich für den
Leistungserbringer, denn er kann dann ganz gezielt, ohne weitere Recherche, die
vorgetragenen Quellen abfragen.
Wichtig ist aber, dass man
aufgrund der Landeserlasse und Rechtsverordnungen Einnahmeausfälle hat und zur
Bewältigung der Krise etwas beitragen will. Was beizutragen wäre, muss für den
sozialen Dienstleister zumutbar und rechtlich zulässig sein. Man müsste konkret
benennen, wie man unterstützen will, z.B. mit Arbeitskräften, Sachmitteln und
Räumlichkeiten. Und mit der konkreten Benennung würde man die Glaubhaftmachung
fördern, die dann von einem Leistungsträger nicht penibel überprüft werden
soll.
Muss man Kurzarbeit anmelden, um diese Strukturhilfen
zu erhalten?
Ein sozialer Dienstleister kann
bei einem Arbeitsausfall einen „Kurzantrag auf Kurzarbeitergeld (Kug) und
pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Bezieher von
Kug für die Geltungsdauer der Kurzarbeitergeld-VO“ bei der Bundesagentur für
Arbeit stellen. Dies würde insbesondere dann schon möglich sein, wenn ein
Beschäftigungsprojekt oder eine Tagesförderstätte komplett geschlossen wären
aufgrund der staatlichen Schutzmaßnahmen. Doch Voraussetzung für die
Antragstellung sind folgende Bedingungen:
- In einem Tarifvertrag
findet sich eine Regelung zur Kurzarbeit. Fehlt es dagegen an einer solchen
Regelung oder unterliegt der soziale Dienstleister nicht unmittelbar einem
Tarifvertrag, braucht es…
- eine
Betriebsvereinbarung (§§ 77 Abs. 2 und 4, 87 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG), damit eine
einheitliche Regelung zur Anordnung von Kurzarbeit im Betrieb erfolgen kann.
Der Betriebsrat ist hier mitbestimmungspflichtig. Fehlt es an einer solchen
Grundlage, braucht es…
- eine Vereinbarung mit
dem einzelnen Arbeitnehmer. Dieser müsste also der Kürzung der Arbeitszeit und
der damit verbundenen Lohnkürzung zustimmen. Wenn eine solche Vertragsänderung
aber nicht möglich ist, muss …
- die Änderungskündigung
ausgesprochen werden. Doch in einem solchen Fall sind die üblichen
Kündigungsfristen zu beachten, wenn nicht sogar noch weitere Besonderheiten,
wie zum Beispiel bei schwerbehinderten Arbeitnehmern.
Es kann zwar nun sein, dass der
Zuschuss einen möglichen Zufluss an Kurzarbeitergeld berücksichtigt und
deswegen gemindert worden ist. Doch wenn es zum Zeitpunkt der Antragstellung
die o.g. Hinderungsgründe gibt, wäre es eine unzulässige Kürzung. Oder
drastischer gesagt: Die Kürzung des Zuschusses ohne Anerkennung der
Hinderungsgründe des sozialen Dienstleisters wäre nicht im Sinne des
Sicherstellungsauftrages, der mit Hilfe des SodEG bewerkstelligt werden muss.
Das BMAS hatte bereits mit der
Festlegung der „75 %“ im § 3 SodEG pauschal die Inanspruchnahme von anderen,
vorrangigen Mitteln unterstellt. Die Länder können jedoch von dieser
Höchstgrenze abweichen, wenn „bestimmte typisierend Annahmen“ oder „die
Kenntnis der örtlichen Umstände“ eine ganz andere Entschädigungshöchstgrenze
nahelegen. In Hamburg war es das Fehlen einer tariflichen Einigung zur
Kurzarbeit.
Strukturhilfen sind aber nicht
zwingend an einen Antrag auf Kurzarbeit gekoppelt. In § 1 SodEG heißt es:
„Die Gewährung von Zuschüssen nach diesem Gesetz ist davon
abhängig, dass der soziale Dienstleister mit der Antragstellung erklärt, alle
ihm nach den Umständen zumutbaren und rechtlich zulässigen Möglichkeiten auszuschöpfen,
um Arbeitskräfte, Räumlichkeiten und Sachmittel in Bereichen zur Verfügung zu
stellen, die für die Bewältigung von
Auswirkungen der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise geeignet sind. In der
Erklärung nach Satz 1 hat der soziale Dienstleister Art und Umfang dieser
zumutbaren und rechtlich zulässigen Unterstützungsmöglichkeiten anzuzeigen und
seine tatsächliche Einsatzfähigkeit glaubhaft zu machen.“ (Fettdruck von mir)
Was wäre, wenn das eigene Personal sich weigert,
mitzuwirken bei der Krisenbewältigung?
Man muss schon zuerst einmal hinterfragen,
ob das eigene, frei einsetzbare Personal verfügbar, qualifiziert und nicht selbst
Teil einer Risikogruppe wäre für den Einsatz an einem anderen Ort. Wenn dies
alles kein Problem ist, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer das
überhaupt will. Zwingen kann man die Menschen ja nicht.
Der Einsatz in anderen
Bereichen oder sogar bei ganz anderen Unternehmen wäre im Öffentlichen Dienst
keine Versetzung, sondern eine Abordnung. Gemäß TVöD-VKA wäre eine Abordnung „die
Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle
oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen Arbeitgebers unter
Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses“ (Protokollerklärung zu § 4
Abs. 1). Der Arbeitnehmer würde weiterhin sein Entgelt erhalten (dazu aber
gleich noch ein Wort), der abgebende Arbeitgeber würde entweder den Zuschuss
nach §§ 3 und 4 SodEG erhalten, der annehmende Arbeitgeber hätte seine Krise
damit bewältigt.
Und daran sieht man schon, dass
ein Arbeitsverhältnis, welches unter dem Dach dieses Tarifvertrags geschlossen
wurde, genau diese Direktive gegenüber dem Arbeitnehmer ermöglicht. Der
Arbeitgeber könnte es so bestimmen, dass beispielsweise ein Mitarbeiter der
Tagesförderstätte nunmehr in einer stationären Einrichtung (vielleicht sogar eines
anderen Arbeitgebers) zum Einsatz kommt. Es sei denn, es gibt besondere Gründe,
die das verhindern (siehe oben noch einmal).
Das Arbeitsverhältnis würde
fortgesetzt werden, die Bezüge des Arbeitnehmers dürften sich nicht
verschlechtern. Man könnte jetzt sogar behaupten, dass sich die Bezüge
verbessern würden, weil erstens nach dem Tarifvertrag (aber nur für TVöD-VKA
bzw. TV-L) eine Heimzulage zu gewähren ist, wenn in einer stationären
Einrichtung die Tätigkeit fortgesetzt wird. Und zweitens ein Tag-Dienstler bei
einer Tätigkeit im Schichtbetrieb einen Anspruch auf Wechselschicht- oder
Schichtzulage hätte. Dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag
mit Tarifbindung hat.
Muss man als überlassender Arbeitgeber nicht doch ein
Entgelt verlangen?
Arbeitnehmerüberlassungen sind
eigentlich eine umsatzsteuerpflichtige Leistung. Selbst wenn die Überlassung
entgeltfrei vereinbart worden ist, handelt es sich um eine Wertabgabe, die
umsatzsteuerrechtlich zu berücksichtigen ist (Ziffer 10 der Häufigen Fragen zum
SodEG, BMAS, vom 30.3.2020). Und weil sich die Umsatzsteuerpflicht auch auf den
leistenden Unternehmer erstreckt, entsteht an dieser Stelle ein potentielles,
weiteres Schadensereignis, welches den Zuschuss des Leistungsträgers erhöhen
müsste.
Gemeinnützige Unternehmen, die
dagegen steuerbefreit sind, könnten sich auf die Befreiung in § 4 Nr. 18 UStG
berufen, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht systematisch erfolgte und eine
Gewinnerzielungsabsicht nicht zu vermuten ist. Die erbrachten Leistungen
richten sich ja schließlich auf die Sozialfürsorge und die soziale Sicherheit von
hilfebedürftigen Menschen, so dass mit einer umsatzsteuerlichen Behandlung von
Entschädigungsleistungen nicht auszugehen ist.
CGS
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die
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