Montag, 27. April 2020

Den Schutzschirm für SoD soll es auch in Schleswig-Holstein geben

Im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) hatte man einen Zuschuss als Strukturhilfe im Rahmen eines Sicherstellungsauftrags definiert. Die Stadt Hamburg hatte sehr schnell reagiert und konnte schon vor zwei Wochen mit einer Sondervereinbarung aufwarten. Das Bundesland Schleswig-Holstein zieht dagegen erst jetzt nach.

Und gleichzeitig diskutiert man schon über Möglichkeiten, in der Behindertenhilfe wieder zurück zur Normalität zu kehren. Doch was ist denn „Normalität“? Wie gelangt man da überhaupt wieder hin?

Schaut man sich die Vorschläge an, klingt es wie ein erster Aufschlag, aber ohne Retournierung. Viele Fragen ergeben sich und können an diesem Punkt nicht geklärt werden. Vielmehr müssen sie jetzt diskutiert werden, auch wenn man an anderer Stelle die „Öffnungsdiskussionsorgien“ kritisiert. Doch dabei geht es nicht in den Papieren, die jetzt im Umlauf sind. Vielmehr will man einen Fahrplan hinbekommen, an den sich alle halten können. Sowas bietet Orientierung und Planungssicherheit; das eliminiert das wilde Spekulieren, was es noch Anfang März gegeben hatte.

Das ist Umsichtigkeit.


Arbeitsstand mit dem SodEG in Hamburg

Am 23.4.2020 vermeldete die Hamburger Sozialbehörde, dass nun „mit fast allen Hamburger Leistungserbringern der Eingliederungshilfe eine Vereinbarung gem. Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) geschlossen hat“. In diesen Fällen wird es zur Zahlung eines Zuschusses kommen:

-          für Betreuungsangebote in besonderen Wohnformen (ehem. Stationäre Wohneinrichtungen),
-          für Einrichtungen nach § 134 SGB IX (Einrichtungen für Minderjährige),
-          für ambulante Wohnangebote (jetzt Wohnen mit Assistenzbedarf),
-          und für die Leistungen „Ambulante Sozialpsychiatrie (ASP)“ und „Teilhabe im arbeitsrechtlichen Kontext (TaK)“.
Der Zuschuss basiert auf den „laufenden Bewilligungen mit den für 2020 vereinbarten Kostensätzen“, so dass die Leistungserbringung abgesichert ist. Das bedeutet aber auch, dass jeglicher Mehrbedarf damit nicht abgerechnet werden kann. Und das Ganze bekommt den Hauch eines „Trägerbudgets“.

Im Falle der teilstationären Hilfen (z.B. WfbM, Tagesförderstätte und Beschäftigungsprojekte) sowie allen ambulanten Leistungen (aber nicht die Monatspauschalen der AWG-Leistungen) beläuft sich der Zuschuss auf einen Durchschnitt der geleisteten Zahlungen des Jahres 2019. Man schaut hier nicht auf die jetzige Leistungserbringung, sondern rein auf die Beträge des Vorjahres.

Diese Regelungen greifen auch für „auswärtige Leistungsberechtigte, die Angebote eines Hamburger Leistungserbringes wahrnehmen“, erklärt die Hamburger Sozialbehörde, da die Hamburger Vereinbarungen für „alle übrigen Träger der Eingliederungshilfe bindend“ sind (§ 123 Abs. 2 S. 1 SGB IX).


Arbeitsstand mit dem SodEG in Schleswig-Holstein

Im nördlichsten Bundesland geht es jetzt ein wenig mehr zur Sache. Aktuell ist ein Entwurf für ein Gesetz im Umlauf, dass unter anderem das „Finanzausgleichsgesetz aufgrund der Corona-Pandemie“ einführen will (es werden übrigens sehr viele Themen in diesem Entwurf behandelt, aber es geht an dieser Stelle um das Gesetz zur Ausführung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes, nachfolgend auch als SodEG-Ausführungsgesetz bzw. SodEG-AusfG abgekürzt).

In § 1 werden die Zuständigkeiten und die Aufgabenwahrnehmung bestimmt. Wesentlicher Punkt ist hier, dass nach Abs. 2 S. 2 bei der Ausführung des Gesetzes „Einvernehmen“ hergestellt werden muss zwischen den Kommunen und dem Sozialministerium. Damit soll dem Ideenreichtum und der Verschiedenartigkeit mancher Vorschriften-Auslegungen in den Kreisen, wie man es schon in der Vergangenheit immer mal wieder erleben musste, ein Riegel vorgeschoben werden. Oberstes Ziel ist nun mal die Krisenbewältigung. Und somit kann das Sozialministerium (erneut) „im Einvernehmen“ mit dem Finanzministerium „abweichende Höchstgrenzen“ für soziale Dienstleistungen in der Eingliederungshilfe bestimmen (§ 2).

In § 3 SodEG-AusfG ist klar geregelt, dass das Land den Kreisen und kreisfreien Städten für die Zeit ab dem 16.3.2020 die Ausgaben für Zuschüsse erstattet. Die Erstattungen beziehen sich auf Leistungen nach dem SGB IX und SGB XII. Zuschüsse nach dem SGB VIII (Jugendhilfe) finanzieren die „örtlichen Träger in eigener Zuständigkeit“. Erstattet werden vom Land nur die Mehrausgaben, weil die Erstattungsansprüche, die sich aus § 4 dann ergeben würden, nicht erstattungsfähig sind. Diese Krux löste man in Hamburg damit, dass man eine Trägervereinbarung über bereitzustellende Räumlichkeiten, Sachmittel und sogar Personal formulierte. Durch die erklärte Eigenverpflichtung der Leistungserbringer konnten diese teilweise abschlagsfrei Zuschüsse gewinnen.

Die Kreise und kreisfreien Städte sollen ihre Ausgaben nun differenziert nachweisen und die Richtigkeit durch die örtliche Rechnungsprüfung bestätigen lassen (§ 12b Abs. 3 Ausführungsgesetz SGB IX bzw. § 8a Ausführungsgesetz SGB XII und weitere Änderungen im KiTaG / KiTa-Reform-Gesetz, aber mit anderslautenden Vorgaben mit Einbeziehung des Finanzausgleichsgesetzes-SH).

Damit verbleibt jetzt die Frage, zu welchen Mehrausgaben es kommen wird.


Zurück zur (neuen) Normalität in Schleswig-Holstein

Die Fallzahlen entwickeln sich stetig zurück. Und schon seit einiger Zeit kann man sehen, dass die Zahl der Genesenen die der Neu-Infizierten deutlich übersteigt. Man kann also davon sprechen, dass die Krise sich einem Ende nähert, auch wenn mancherorts noch mit einer „zweiten Welle“ gerechnet wird. Das verstehen die Beteiligten und wollen auch nicht die Schutzmaßnahmen wieder ganz abschaffen. Vielmehr will man überlegen, wie eine Öffnungsphase und die „neue“ Normalität gestaltet werden können.

Die Öffnungsphase soll einen Vorlauf von zwei Wochen beanspruchen. In diesem Zeitraum soll die Informierung sachte und zuvorkommend passieren, gleichzeitig braucht man diese Zeit für eine umfassende Vorbereitung im Hinblick auf Hygiene-Planung, Personaleinsatz-Planung und Absprachen mit anderen Stellen. Zu bedenken ist nämlich, dass in vielen Fällen Kurzarbeit (z.B. Schulbegleiter) beantragt wurde und damit die Kapazitäten abgesenkt wurden. Dies muss schrittweise rückgängig gemacht werden.

Während in den Tagesangeboten die Kapazitäten wieder gestärkt werden, muss in den besonderen Wohnformen, in denen man zuletzt die leistungsberechtigten Personen ganztägig betreute, ein Kapazitäts-Abbau erfolgen. Bei einer schnellen Umstellung können Ermattungstendenzen eintreten, ebenso ist ein geregelter Abbau von Mehrarbeitsstunden erforderlich („nicht alle gleichzeitig“).

Die Öffnungsphase selbst könnte sechs Wochen Zeit beanspruchen. Überlegt wird, ob man hier eine flexible, einrichtungsindividuelle Gestaltung vornimmt. Denkbar wäre aber auch, dass ein Zeitfenster von zwei Wochen vereinbart wird, in denen die Rückkehr zur Normalität geschehen muss.

Die altbekannte Normalität wird es vielleicht nicht mehr geben. Gerade weil es jetzt enorme Anstrengungen kostete, die Leistungserbringung zu sichern, müssen Einrichtungen und das Bundesland für den nächsten Fall Vorsorge treffen. Und das bedeutet, dass sämtliche Hygiene- und Schutzpläne überarbeitet werden müssten (siehe dazu auch meinen Beitrag zur betrieblichen Pandemieplanung). Um also dahin zu kommen, dass man vorbereitet ist für eine mögliche zweite Welle oder eine erneute pandemische Erkrankungswelle, werden Investitionen nötig sein. Als Zeitrahmen werden im Moment „mindestens“ 12 Monate angedacht, doch eigentlich müsste schon in sechs Monaten der Entwicklungsprozess abgeschlossen sein.


Viele Fragen, die noch zu klären sind

Was es bisher so nicht gab, waren spezielle Quarantäne- und Isolationslösungen auf breiterer Fläche. Gerade weil die Ansteckungsgefahr in den alten Heimen aufgrund der Nähe zueinander sehr groß ist, müssten einerseits Wohnräume „entzerrt“ und weiter „verzweigt“, andererseits das ambulante Wohnen viel stärker gefördert werden. Dort, wo das nicht möglich ist, wären isolierende Strukturen einzubauen (Beispiel: Feuerschutztüren). Dass das aber sehr stark an dem Schutz der Menschen-Würde kratzt, müsste im Einzelfall gut überlegt und besprochen werden. Von daher ist dringend die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen und Interessenverbänden angeraten.

Denkt man das jetzt weiter, wird man sicherlich auf den Moment der „Auslösung“ kommen. Was wäre also, wenn ein Verdachtsfall ausgesprochen wird und die Schutzkonzepte ausgelöst werden? Was würde sein, wenn die isolierenden Strukturen plötzlich aktiviert werden? Wer würde das tun, wer würde reagieren müssen, wie schnell würde man reagieren und würde man die Angehörigen der isolierten Menschen informieren? – Die Einrichtungsleitungen wären wahrscheinlich diejenigen, die die Isolation nach bestimmten Kriterien veranlassen. Die Gesundheitsämter müssten dann entsprechend ausgestattet sein mit Personal und anderen Ressourcen, um die Veranlassungsgründe zu prüfen. Die Angehörigen müssten sofort Bescheid erhalten und in Kontakt treten können mit dem eingesperrten Menschen.

Und wenn jemand keine Angehörigen mehr hat? Wer kümmert sich dann?

Wird es wieder zu Betretungs- und Besuchsverboten kommen, wenn den betroffenen Menschen ihre grundgesetzlich geschützten, aber nicht mehr gewährten, Freiheitsrechte entzogen wurden?

Ist es richtig, sterbenden Menschen ihren letzten Willen zu verweigern? Den letzten Blick auf die Liebenden zu verwehren?

CGS



SoD = Soziale Dienstleister




Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

Hat Ihnen aber der Beitrag gefallen?

Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich reihum auf die übrigen Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren und ist ein guter Motivator für mich.

Möchten Sie was sagen?

Schreiben Sie mir eine E-Mail – Ihre Meinung hilft mir, meine Sichtweise neu zu überdenken. Meine E-Mail-Adresse finden Sie auf der Seite Über mich.

Den Schutzschirm für SoD soll es auch in Schleswig-Holstein geben