Eine Pandemieplanung bzw. eine jegliche Planung zur
Bewältigung von Krisen muss her. Von daher geht es in diesem Beitrag um eine
Matrix, mit der die einzelnen Phasen einer Krisenbewältigung aufgezeigt werden –
dies ist aber als ein Entwurf zu verstehen, noch keine fertige Pandemieplanung.
+++ Nachtrag vom 4.5.2020 +++
In den Arbeitshilfen ist jetzt eine weitere Matrix für eine betriebliche Pandemieplanung (BPP) vorhanden: einmal für Wohnstätten und einmal für Tagesstätten.
+++ Nachtrag vom 20.4.2020 +++
In den Arbeitshilfen findet sich jetzt eine Matrix über die betriebliche Pandemieplanung. Wenn Sie die Unterlage nutzen möchten, schicken Sie mir bitte kurz eine Anmeldung dazu.
Weiteres Material und/oder Verbesserungen wird es sicherlich in den nächsten Tagen geben.
+++
War die Krisenbewältigung zu COVID-19 vielleicht nicht
übertrieben?
Waren diese vielen
Schutzmaßnahmen übertrieben, weil ja immerhin die ganz normale Grippe viel mehr
Menschen versterben lässt? Das ist vielleicht ein wenig „Äpfel mit Birnen“
vergleichen. Die Sterblichkeit der einen saisonalen Grippe-Welle kann nicht unbedingt
mit der Sterblichkeit der Corona-Virus-Influenza gleichgesetzt werden. Um einen
solchen Vergleich vorzunehmen, ist es noch viel zu früh. Das Corona-Virus
entstammt jedenfalls dem Virus-Typ A und wurde vom Tier auf den Menschen
übertragen. Die Infektion breitete sich sehr schnell aus und hatte schon nach
fünf Monaten den Globus umspannt. Am stärksten betroffen waren Menschen mit
geschwächtem Immunsystem oder ganz einfach im höheren Alter (vgl. dazu eine
Studie der CDC-USA).
Ein Vergleich wäre so wie
Verkehrstote durch Autos oder Flugzeuge: Stellen Sie sich mal vor, es würden in
den Monaten Februar, März und April 2020 sechs Flugzeuge eines
Großraum-Flugzeug-Typs abstürzen. Knapp 3.000 Menschen würden umkommen, obwohl
im gleichen Zeitraum vielleicht nur 600 Menschen auf den Straßen gestorben
wären. Würde man von Seiten der Politik dann immer noch nichts unternehmen?
Im Vergleich zur saisonalen
Grippe ist das epidemische Risiko einfach zu hoch. Der Vergleich zur Spanischen
Grippe mag aus anderen Gründen abwegig sein, aber auch diese Pandemie
entstammte aus dem Virus-Typ A (Subtyp H1N1) und hatte, im Gegensatz zu der
saisonalen Grippe, „zwischen 27 Millionen und 50 Millionen Menschenleben“
gefordert, wenn nicht sogar ein Vielfaches davon (vgl. Wikipedia zum Thema: Spanische Grippe).
Dass es jetzt nur so geringe Zahlen sind, ist dem schnellen und rigiden Handeln
der Regierungen mithilfe der WHO zu verdanken.
Und noch eine Vergleichszahl. In den Tagen nach Ostern
meldete das Corona-Virus-Research-Center der Johns-Hopkins-University auf ihrer
Webseite über 140.000 Tote; und das, obwohl es drastische Maßnahmen der
Behörden gegeben hatte. In einem Zeitraum von nur 5 Monaten gab es eine
Sterblichkeit im direkten Zusammenhang mit diesem Virus, die mit 336.000
Menschen hochgerechnet auf ein Jahr höher lag als die der saisonalen Grippe
(lt. RKI jährlich ca. 200.000 Menschen direkt und 650.000 an den Folgen).
Natürlich kann man behaupten,
dass die Schutzmaßnahmen an manchen Stellen übertrieben waren; einige zweifeln
zum Beispiel eine Ursache-Wirkung der Kontaktsperren auf die Fallzahlen an. Wenn
man zudem die Bundesländer vergleicht, zeigt sich eine auffällig niedrige
Risiko-Quote für die 5-Neuen-Bundesländer, wogegen Bayern und Baden-Württemberg
die Fallzahlen-Statistik anführen. Eine Abstufung der Schutzmaßnahmen erscheint
da angemessener. Weil man dadurch den Aspekt der Solidarität und Gemeinsamkeit allerdings
schwächt, hatte man darauf absichtlich verzichtet. Was nun kommen könnte, ist
eine gemeinsame Neuausrichtung, da die Fallzahlen-Steigerungen abgeschwächt
sind. Und demzufolge wird es eine Überlastung des Gesundheitswesens nicht
geben.
Welchen Ablauf gibt es bei einer Krise?
Man braucht einen Namen für
eine solche Planung. Als Grund dafür die „Corona-Krise“ zu nehmen, ist nicht
schlecht. Jetzt noch eine „Pandemie-Planung“ zu erstellen, wäre meines
Erachtens der falsche Ansatz.
Die nächste Pandemie kommt
bestimmt, kann man sagen. Aber eine Pandemie heißt, dass sich Erkrankungen
weltweit und offenbar grenzüberschreitend, unkontrolliert entwickeln. Die
jetzige Krise war natürlich einzigartig und wird sich so sehr wahrscheinlich
nicht mehr wiederholen. Will man für so einen besonderen Fall exklusiv eine
Planung vornehmen? Oder wäre es nicht besser, für jede Art einer Krise (engl. Hazard, Crisis, Emergency Response)
vorbereitet zu sein?
Wie würde eine solche Krise
überhaupt ablaufen?
Phase
0
|
Phase
1
|
Phase
2
|
Phase
3
|
Phase
4
|
Phase
5
|
Risiko-Analyse
|
Ausbruchsphase
|
Eindämmungsphase
|
Schutzphase
|
Folgenminderung
|
Normalisierung
|
Vorbeugung und Prävention
|
Vorbereitung
„Preparedness“
|
Reaktion
„Response“
|
Abblocken
„Lock Down“
|
Bewahren
|
Entlasten
„Recovery“
|
Während die Phase 0 zeitlich
keine Einschränkungen kennt, muss man schon in der Phase 1 zielgerichtet und umsichtig
agieren. Die Vorbereitung bezieht sich nunmehr auf einen konkreten Punkt, weil
an irgendeiner Stelle ein Ausbruch stattgefunden hat. Wie man aus der
„Corona-Krise“ her kennt, kommt es in dieser Phase nicht mehr darauf an, ob die
Krise überhaupt eintreten wird, sondern man bereitet sich darauf vor, dass sie
eintreten könnte (vgl. dazu auch das WHO-USA-Debakel im April 2020).
Die Phasen 2 und 3 können
fließend ineinander übergehen. In diesen Zeiten zeigt sich ein hoher Bedarf an
Berichterstattung und Informierung von verschiedenen Interessen-Gruppen.
Gleichzeitig müssen Hilfen angesprochen und integriert werden in das eigene
System. Weiterhin ist es unumgänglich, dass die Hilfs-Kräfte erfolgreich
koordiniert werden.
Welchen Fehler sind zu vermeiden?
In jeder Krise braucht es eine
Führung. Auch hier kann man auf die jüngsten Erfahrungen zurückgreifen und
feststellen, dass es immer Sache der Person an der Spitze ist, sich
höchstpersönlich um die Krisenbewältigung zu kümmern. Es kann dann zu einer
weiteren Delegation von Aufgaben kommen, schließlich muss die Führungsebene
entlastet werden. Doch alle Erwartungen richten sich immer auf diese eine
Person und nicht auf einen Stellvertreter.
Wenn von verschiedenen Seiten,
auch in unerwarteter Weise, Erleichterungen, Hilfen und sonstige Kräfte
angeboten werden, muss darauf reagiert werden. Die Koordinierung ist von
wesentlicher Bedeutung, aber selbst die Integration der Hilfen in die
bestehende Struktur und Abläufe. Diese Hilfen sollen zu einer eigenen
Entlastung führen, doch im ersten Moment muss eine Betreuung stattfinden, die
genau so etwas nicht macht. Von daher ist schon lange vorher eine
Bewusstseinsmachung erforderlich, auf welche Hilfen man zurückgreifen kann und
welche niedrigschwelligen, einfachen Verrichtungen vergeben werden können zur
Entlastung des eigenen Personals.
Mangelnde Planung von
Ressourcen, die in der Krise dringend gebraucht werden, kann zu einer
existenziellen Bedrohung führen (Beispiel: fehlende Atemschutzmasken und Schutzkleidung
in Krankenhäusern). Wenn es sogar regional zu einem dringenden Bedarf an diesen
Materialien kommt, müssen teilweise erhebliche Sicherungsmaßnahmen zum Schutz
der eigenen Bestände ergriffen werden. Eine gute Vorratshaltung mag zwar im
Verantwortungsbereich von Einzelnen liegen, letztendlich ist jedoch die
Gesamtleitung für Fehler haftbar.
Auch Menschen, die im eigenen
Wohnraum betreut werden (ambulante Klienten), brauchen Hilfsmittel und den
Zugang bzw. die Gewähr zur uneingeschränkten Nutzung von medizintechnischer
Versorgung. Dazu gehören aber nicht nur die persönlichen Schutzausrüstungen und
Pflegehilfsmittel der betreuenden Dienstleister. Es muss ein möglicherweise
pflegeintensiviertes Umfeld geschaffen werden für diesen (vulnerablen) Personenkreis,
weil unter Umständen eine Aufnahme in ein Krankenhaus aus Schutzgründen
vermieden werden muss.
Was ebenfalls immer wieder
vergessen wird, ist eine ausreichende Kommunikation mit Betroffenen,
Mitarbeitenden, Angehörigen und Behörden. Zudem muss darauf geachtet werden,
dass der passende Kommunikationskanal (Brief, Internet, Medien) und die
richtige An-Sprache für diese Zuhörer (kein Jargon, Leichte Sprache,
Experten-Sprache vermeiden) gefunden werden.
Welche Funktionen und Verantwortungsbereiche gibt es?
Man kann beispielsweise 6
Funktionen und Verantwortungsbereiche bei der Bewältigung der Krise nach
Ansicht der WHO festlegen (Incident
Management Team). Dazu gehört die Führungsposition, die eigentlich nur aus
einer Person bestehen kann; nämlich die, die die Gesamtverantwortung trägt und
für alles haftbar ist (1. Ebene). Würde es sich um eine weniger bedrohliche
Krise handeln, könnte eine andere Führungsperson das Krisenmanagement anführen.
Die Koordination mit Partnern, die Handhabung des Operativen, Planung und
Information, Logistik sowie der Bereich der Finanzen und Administration können
an andere Personen delegiert werden, die ein Spezialwissen oder anerkannte
Fachleute aus dem Verantwortungsbereich sind (2. Ebene).
Phase
0
|
Phase
1
|
Phase
2
|
Phase
3
|
Phase
4
|
Phase
5
|
2. Ebene
3. Ebene
|
1. Ebene
|
1. Ebene
2. Ebene
|
1. Ebene
2. Ebene
|
1. Ebene
2. Ebene
|
2. Ebene
|
Risiken erkennen
Risiken verifizieren
Risiken analysieren
|
Bildung eines Krisenstabs
Verantwortliche benennen
Führung übernehmen
Standards und „Best Practices“ kennen
Planung von Hilfen und Strategien
|
Beobachtung
Berichterstattung
Ereignis-Ketten verfolgen
Kommunikation mit Betroffenen,
Mitarbeitenden, Angehörigen und Behörden
Kooperationen aufbauen
|
Beobachtung
Berichterstattung
Integration von Hilfen
Koordinierung der Kräfte
Kooperationen nutzen
Erlaubnislose, kurzfristige Überlassung
von Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG)
|
Alternativen suchen
Hilfen einholen
Hilfen und Ressourcen sichern
Anträge stellen und Kulanzangebote
fordern
|
Debriefing
Dokumentation
Neues Maßnahmen-Papier mit ggf.
angepassten Standards und „Best Practices“
|
In der Phase 0 kann die
Sichtung der Risiken zuerst einmal durch eine beauftragte Person aus einem
anderen Verantwortungsbereich erfolgen (3. Ebene, z.B. Betriebsbeauftragte). In
der Regel wird eine solche Aufgabe immer im Kompetenzbereich der 2. Ebene
liegen, die dann unmittelbar an die 1. Ebene zu berichten hat. Die Daten, die
es zu berichten gibt, kann man von der Arbeitsgemeinschaft Influenza des RKI
gewinnen, und auch direkt von der WHO.
Von Phase 1 bis Phase 4 wird
immer die Person der 1. Ebene tätig sein müssen und den Krisenstab führen. In
Phase 5, wenn wieder eine Normalisierung eintritt, ist der Krisenstab nach dem Debriefing aller Beteiligten und der
Dokumentation des Geschehenen aufzulösen. Formal muss dies zwar von der Person
der 1. Ebene erfolgen, praktisch umgesetzt wird es in den meisten Fällen von
der 2. Ebene (einvernehmliche Selbstauflösung). An dem Punkt sollte vielleicht überlegt
werden, ob durch eine Stellvertretung nicht doch eine dreistufige Hierarchie
entsteht, die zu Ineffizienzen führen kann. Und überhaupt sollte die personelle
Ausstattung eines Krisenstabs auf wenige beschränkt werden.
Welche Ressourcen sind erforderlich und notwendig?
Mit dem Ausbruch der
„Corona-Krise“ zeigte sich schnell ein hoher Bedarf an Schutzmasken des Typs
MNS, FFP2 und FFP3-Masken (vgl. dazu die Empfehlungen des RKI, insbesondere zum
ressourcenschonenden Umgang damit vom 14.4.2020). Aus diesem Grund muss
beständig ein ausreichender Vorrat vorhanden sein, damit es nicht, wie man es
nun erlebt hatte, zu Engpässen in der Belieferung kommt. Die übrige
Schutzausrüstung, wie Kittel und Handschuhe, muss natürliche ebenso vorhanden
sein.
Phase
0
|
Phase
1
|
Phase
2
|
Phase
3
|
Phase
4
|
Phase
5
|
Ressourcen prüfen
Medikamente
Persönliche Schutzausrüstungen und
medizinischer Sachbedarf
Lebensmittel, persönliche Hygieneartikel
Fahrzeuge, Gebäude
Sachmittel
Personal
|
Ressourcen aufstocken
Behördliche Bescheinigung über die
dringende Notwendigkeit von größeren Mengen an Lebensmitteln und persönlichen
Hygieneartikel
|
Ressourcen bereitstellen
|
Ressourcen koordinieren
Ehrenamtliche und Ehemalige (Rentner)
rekrutieren
|
Ressourcen sichern
Auf einen (behördlichen) Personalpool zugreifen
Schutzausrüstung einschließen
Schutzausrüstung nachbestellen (wg. evtl.
2. Welle)
|
Ressourcen prüfen
Zeitguthaben und Urlaube abbauen (keine
Vergütung)
Fremdpersonal vertretend einsetzen
|
An eigentlich wichtigster
Stelle gehören die Medikamente. Wie es sich während der „Corona-Krise“ zeigte,
gab es für einige Mittel ebenfalls Engpässe. Weil nämlich die Herstellung eben
in dem Land geschah, was zuerst von der Krise betroffen war, gab es einige gravierende
Probleme bei der Versorgung. Man möchte zwar jetzt die Produktion wieder ins
Land holen, derzeit sind solche Aussagen bestenfalls als Wunschvorstellungen
anzusehen.
Lebensmittel und persönliche
Hygieneartikel gehören ebenfalls zu den wichtigen Ressourcen. Und auch bei
diesen wurde in den ersten Wochen ein erheblicher Mangel gesehen.
Im Falle der Fahrzeugen, der Gebäude
und der dazugehörigen Betriebsmittel sowie bestimmtem Inventar geht es
vorwiegend um die schnelle Wiederherstellung der Anlagen. Die Erreichbarkeit
verschiedener Anbieter und Dienstleister war in der letzten Krise nicht immer
gegeben. Ein Grund dafür war Kurzarbeit, bei der man Kapazitäten verringerte,
um Kosten zu sparen. Von daher wurden plötzlich bislang hinausgezögerte
Reparaturen zu einem Problemfall.
Sachmittel gehören eher zu den
letzten Ressourcen, die in ausreichender Weise vorhanden sein sollten. Personal
gehört dagegen mit zu den wichtigsten. Gerade um die Daseins-Vorsorge zu
sichern, braucht es genügend Kräfte, die im Notfall für viele Arbeitsstunden im
Einsatz verbleiben können. Es empfiehlt sich, den Personalkörper einzuteilen in
eine Gruppe von Menschen, die selbst eine Notfallbetreuung im privaten Umfeld
benötigen und solche, die zu ungeeigneten Zeiten tätig werden können. Das
bedeutet dann allerdings auch in der Konsequenz, dass nach Ende der Krise diese
Zeitguthaben und eventuell sogar verschobene Urlaubszeiten schnellstmöglich
gewährt werden; und für diese Zeiten müsste dann weiterhin Fremdpersonal
stellvertretend zum Einsatz kommen.
CGS
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die
zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige
Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise
zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss
sowie die Datenschutzerklärung.
Hat Ihnen aber der Beitrag gefallen?
Empfehlen Sie ein//gegliedert weiter oder klicken Sie gleich
reihum auf die übrigen Seiten dieses Blogs – ersetzt das Applaudieren
und ist ein guter Motivator für mich.
Möchten Sie was sagen?
Schreiben Sie mir eine E-Mail – Ihre Meinung hilft mir,
meine Sichtweise neu zu überdenken. Meine E-Mail-Adresse finden Sie auf der
Seite Über mich.
Eine Planung für die Bewältigung von Krisen entwerfen