Sonntag, 19. April 2020

Eine Planung für die Bewältigung von Krisen entwerfen

Das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) war ein sehr weitreichendes Gesetz zur Bewältigung der Krise, die durch das neue Corona-Virus SARS-COV-2 verursacht wurde. In diesem Gesetz wurden Strukturhilfen definiert, um den drohenden Zusammenbruch von Einrichtungen der Daseins-Vorsorge abzuwenden. Mit dem Gesetz ist somit viel Gelassenheit in die verfahrene Situation eingebracht worden, damit sich die Leistungserbringer auf ihre Notfallmaßnahmen konzentrieren konnten. Die nächste Pandemie wird kommen, und dann wird man ein professionelleres Handeln von Leistungsträgern und Leistungserbringern erwarten.

Eine Pandemieplanung bzw. eine jegliche Planung zur Bewältigung von Krisen muss her. Von daher geht es in diesem Beitrag um eine Matrix, mit der die einzelnen Phasen einer Krisenbewältigung aufgezeigt werden – dies ist aber als ein Entwurf zu verstehen, noch keine fertige Pandemieplanung.

+++ Nachtrag vom 4.5.2020 +++

In den Arbeitshilfen ist jetzt eine weitere Matrix für eine betriebliche Pandemieplanung (BPP) vorhanden: einmal für Wohnstätten und einmal für Tagesstätten.

+++ Nachtrag vom 20.4.2020 +++

In den Arbeitshilfen findet sich jetzt eine Matrix über die betriebliche Pandemieplanung. Wenn Sie die Unterlage nutzen möchten, schicken Sie mir bitte kurz eine Anmeldung dazu.

Weiteres Material und/oder Verbesserungen wird es sicherlich in den nächsten Tagen geben.

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War die Krisenbewältigung zu COVID-19 vielleicht nicht übertrieben?

Waren diese vielen Schutzmaßnahmen übertrieben, weil ja immerhin die ganz normale Grippe viel mehr Menschen versterben lässt? Das ist vielleicht ein wenig „Äpfel mit Birnen“ vergleichen. Die Sterblichkeit der einen saisonalen Grippe-Welle kann nicht unbedingt mit der Sterblichkeit der Corona-Virus-Influenza gleichgesetzt werden. Um einen solchen Vergleich vorzunehmen, ist es noch viel zu früh. Das Corona-Virus entstammt jedenfalls dem Virus-Typ A und wurde vom Tier auf den Menschen übertragen. Die Infektion breitete sich sehr schnell aus und hatte schon nach fünf Monaten den Globus umspannt. Am stärksten betroffen waren Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder ganz einfach im höheren Alter (vgl. dazu eine Studie der CDC-USA).

Ein Vergleich wäre so wie Verkehrstote durch Autos oder Flugzeuge: Stellen Sie sich mal vor, es würden in den Monaten Februar, März und April 2020 sechs Flugzeuge eines Großraum-Flugzeug-Typs abstürzen. Knapp 3.000 Menschen würden umkommen, obwohl im gleichen Zeitraum vielleicht nur 600 Menschen auf den Straßen gestorben wären. Würde man von Seiten der Politik dann immer noch nichts unternehmen?

Im Vergleich zur saisonalen Grippe ist das epidemische Risiko einfach zu hoch. Der Vergleich zur Spanischen Grippe mag aus anderen Gründen abwegig sein, aber auch diese Pandemie entstammte aus dem Virus-Typ A (Subtyp H1N1) und hatte, im Gegensatz zu der saisonalen Grippe, „zwischen 27 Millionen und 50 Millionen Menschenleben“ gefordert, wenn nicht sogar ein Vielfaches davon (vgl. Wikipedia zum Thema: Spanische Grippe). Dass es jetzt nur so geringe Zahlen sind, ist dem schnellen und rigiden Handeln der Regierungen mithilfe der WHO zu verdanken.

Und noch eine Vergleichszahl. In den Tagen nach Ostern meldete das Corona-Virus-Research-Center der Johns-Hopkins-University auf ihrer Webseite über 140.000 Tote; und das, obwohl es drastische Maßnahmen der Behörden gegeben hatte. In einem Zeitraum von nur 5 Monaten gab es eine Sterblichkeit im direkten Zusammenhang mit diesem Virus, die mit 336.000 Menschen hochgerechnet auf ein Jahr höher lag als die der saisonalen Grippe (lt. RKI jährlich ca. 200.000 Menschen direkt und 650.000 an den Folgen).

Natürlich kann man behaupten, dass die Schutzmaßnahmen an manchen Stellen übertrieben waren; einige zweifeln zum Beispiel eine Ursache-Wirkung der Kontaktsperren auf die Fallzahlen an. Wenn man zudem die Bundesländer vergleicht, zeigt sich eine auffällig niedrige Risiko-Quote für die 5-Neuen-Bundesländer, wogegen Bayern und Baden-Württemberg die Fallzahlen-Statistik anführen. Eine Abstufung der Schutzmaßnahmen erscheint da angemessener. Weil man dadurch den Aspekt der Solidarität und Gemeinsamkeit allerdings schwächt, hatte man darauf absichtlich verzichtet. Was nun kommen könnte, ist eine gemeinsame Neuausrichtung, da die Fallzahlen-Steigerungen abgeschwächt sind. Und demzufolge wird es eine Überlastung des Gesundheitswesens nicht geben.


Welchen Ablauf gibt es bei einer Krise?

Man braucht einen Namen für eine solche Planung. Als Grund dafür die „Corona-Krise“ zu nehmen, ist nicht schlecht. Jetzt noch eine „Pandemie-Planung“ zu erstellen, wäre meines Erachtens der falsche Ansatz.

Die nächste Pandemie kommt bestimmt, kann man sagen. Aber eine Pandemie heißt, dass sich Erkrankungen weltweit und offenbar grenzüberschreitend, unkontrolliert entwickeln. Die jetzige Krise war natürlich einzigartig und wird sich so sehr wahrscheinlich nicht mehr wiederholen. Will man für so einen besonderen Fall exklusiv eine Planung vornehmen? Oder wäre es nicht besser, für jede Art einer Krise (engl. Hazard, Crisis, Emergency Response) vorbereitet zu sein?

Wie würde eine solche Krise überhaupt ablaufen?

Phase 0
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Risiko-Analyse
Ausbruchsphase
Eindämmungsphase
Schutzphase
Folgenminderung
Normalisierung
Vorbeugung und Prävention
Vorbereitung
„Preparedness“
Reaktion
„Response“
Abblocken
„Lock Down“
Bewahren
Entlasten
„Recovery“

Während die Phase 0 zeitlich keine Einschränkungen kennt, muss man schon in der Phase 1 zielgerichtet und umsichtig agieren. Die Vorbereitung bezieht sich nunmehr auf einen konkreten Punkt, weil an irgendeiner Stelle ein Ausbruch stattgefunden hat. Wie man aus der „Corona-Krise“ her kennt, kommt es in dieser Phase nicht mehr darauf an, ob die Krise überhaupt eintreten wird, sondern man bereitet sich darauf vor, dass sie eintreten könnte (vgl. dazu auch das WHO-USA-Debakel im April 2020).

Die Phasen 2 und 3 können fließend ineinander übergehen. In diesen Zeiten zeigt sich ein hoher Bedarf an Berichterstattung und Informierung von verschiedenen Interessen-Gruppen. Gleichzeitig müssen Hilfen angesprochen und integriert werden in das eigene System. Weiterhin ist es unumgänglich, dass die Hilfs-Kräfte erfolgreich koordiniert werden.


Welchen Fehler sind zu vermeiden?

In jeder Krise braucht es eine Führung. Auch hier kann man auf die jüngsten Erfahrungen zurückgreifen und feststellen, dass es immer Sache der Person an der Spitze ist, sich höchstpersönlich um die Krisenbewältigung zu kümmern. Es kann dann zu einer weiteren Delegation von Aufgaben kommen, schließlich muss die Führungsebene entlastet werden. Doch alle Erwartungen richten sich immer auf diese eine Person und nicht auf einen Stellvertreter.

Wenn von verschiedenen Seiten, auch in unerwarteter Weise, Erleichterungen, Hilfen und sonstige Kräfte angeboten werden, muss darauf reagiert werden. Die Koordinierung ist von wesentlicher Bedeutung, aber selbst die Integration der Hilfen in die bestehende Struktur und Abläufe. Diese Hilfen sollen zu einer eigenen Entlastung führen, doch im ersten Moment muss eine Betreuung stattfinden, die genau so etwas nicht macht. Von daher ist schon lange vorher eine Bewusstseinsmachung erforderlich, auf welche Hilfen man zurückgreifen kann und welche niedrigschwelligen, einfachen Verrichtungen vergeben werden können zur Entlastung des eigenen Personals.

Mangelnde Planung von Ressourcen, die in der Krise dringend gebraucht werden, kann zu einer existenziellen Bedrohung führen (Beispiel: fehlende Atemschutzmasken und Schutzkleidung in Krankenhäusern). Wenn es sogar regional zu einem dringenden Bedarf an diesen Materialien kommt, müssen teilweise erhebliche Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der eigenen Bestände ergriffen werden. Eine gute Vorratshaltung mag zwar im Verantwortungsbereich von Einzelnen liegen, letztendlich ist jedoch die Gesamtleitung für Fehler haftbar.

Auch Menschen, die im eigenen Wohnraum betreut werden (ambulante Klienten), brauchen Hilfsmittel und den Zugang bzw. die Gewähr zur uneingeschränkten Nutzung von medizintechnischer Versorgung. Dazu gehören aber nicht nur die persönlichen Schutzausrüstungen und Pflegehilfsmittel der betreuenden Dienstleister. Es muss ein möglicherweise pflegeintensiviertes Umfeld geschaffen werden für diesen (vulnerablen) Personenkreis, weil unter Umständen eine Aufnahme in ein Krankenhaus aus Schutzgründen vermieden werden muss.

Was ebenfalls immer wieder vergessen wird, ist eine ausreichende Kommunikation mit Betroffenen, Mitarbeitenden, Angehörigen und Behörden. Zudem muss darauf geachtet werden, dass der passende Kommunikationskanal (Brief, Internet, Medien) und die richtige An-Sprache für diese Zuhörer (kein Jargon, Leichte Sprache, Experten-Sprache vermeiden) gefunden werden.


Welche Funktionen und Verantwortungsbereiche gibt es?

Man kann beispielsweise 6 Funktionen und Verantwortungsbereiche bei der Bewältigung der Krise nach Ansicht der WHO festlegen (Incident Management Team). Dazu gehört die Führungsposition, die eigentlich nur aus einer Person bestehen kann; nämlich die, die die Gesamtverantwortung trägt und für alles haftbar ist (1. Ebene). Würde es sich um eine weniger bedrohliche Krise handeln, könnte eine andere Führungsperson das Krisenmanagement anführen. Die Koordination mit Partnern, die Handhabung des Operativen, Planung und Information, Logistik sowie der Bereich der Finanzen und Administration können an andere Personen delegiert werden, die ein Spezialwissen oder anerkannte Fachleute aus dem Verantwortungsbereich sind (2. Ebene).

Phase 0
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
2. Ebene
3. Ebene
1. Ebene
1. Ebene
2. Ebene
1. Ebene
2. Ebene
1. Ebene
2. Ebene
2. Ebene
Risiken erkennen
Risiken verifizieren
Risiken analysieren
Bildung eines Krisenstabs
Verantwortliche benennen
Führung übernehmen
Standards und „Best Practices“ kennen
Planung von Hilfen und Strategien
Beobachtung
Berichterstattung
Ereignis-Ketten verfolgen
Kommunikation mit Betroffenen, Mitarbeitenden, Angehörigen und Behörden
Kooperationen aufbauen
Beobachtung
Berichterstattung
Integration von Hilfen
Koordinierung der Kräfte
Kooperationen nutzen
Erlaubnislose, kurzfristige Überlassung von Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG)
Alternativen suchen
Hilfen einholen
Hilfen und Ressourcen sichern
Anträge stellen und Kulanzangebote fordern
Debriefing
Dokumentation
Neues Maßnahmen-Papier mit ggf. angepassten Standards und „Best Practices“

In der Phase 0 kann die Sichtung der Risiken zuerst einmal durch eine beauftragte Person aus einem anderen Verantwortungsbereich erfolgen (3. Ebene, z.B. Betriebsbeauftragte). In der Regel wird eine solche Aufgabe immer im Kompetenzbereich der 2. Ebene liegen, die dann unmittelbar an die 1. Ebene zu berichten hat. Die Daten, die es zu berichten gibt, kann man von der Arbeitsgemeinschaft Influenza des RKI gewinnen, und auch direkt von der WHO.

Von Phase 1 bis Phase 4 wird immer die Person der 1. Ebene tätig sein müssen und den Krisenstab führen. In Phase 5, wenn wieder eine Normalisierung eintritt, ist der Krisenstab nach dem Debriefing aller Beteiligten und der Dokumentation des Geschehenen aufzulösen. Formal muss dies zwar von der Person der 1. Ebene erfolgen, praktisch umgesetzt wird es in den meisten Fällen von der 2. Ebene (einvernehmliche Selbstauflösung). An dem Punkt sollte vielleicht überlegt werden, ob durch eine Stellvertretung nicht doch eine dreistufige Hierarchie entsteht, die zu Ineffizienzen führen kann. Und überhaupt sollte die personelle Ausstattung eines Krisenstabs auf wenige beschränkt werden.


Welche Ressourcen sind erforderlich und notwendig?

Mit dem Ausbruch der „Corona-Krise“ zeigte sich schnell ein hoher Bedarf an Schutzmasken des Typs MNS, FFP2 und FFP3-Masken (vgl. dazu die Empfehlungen des RKI, insbesondere zum ressourcenschonenden Umgang damit vom 14.4.2020). Aus diesem Grund muss beständig ein ausreichender Vorrat vorhanden sein, damit es nicht, wie man es nun erlebt hatte, zu Engpässen in der Belieferung kommt. Die übrige Schutzausrüstung, wie Kittel und Handschuhe, muss natürliche ebenso vorhanden sein.

Phase 0
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Ressourcen prüfen
Medikamente
Persönliche Schutzausrüstungen und medizinischer Sachbedarf
Lebensmittel, persönliche Hygieneartikel
Fahrzeuge, Gebäude
Sachmittel
Personal
Ressourcen aufstocken
Behördliche Bescheinigung über die dringende Notwendigkeit von größeren Mengen an Lebensmitteln und persönlichen Hygieneartikel
Ressourcen bereitstellen
Ressourcen koordinieren
Ehrenamtliche und Ehemalige (Rentner) rekrutieren
Ressourcen sichern
Auf einen (behördlichen) Personalpool zugreifen
Schutzausrüstung einschließen
Schutzausrüstung nachbestellen (wg. evtl. 2. Welle)


Ressourcen prüfen
Zeitguthaben und Urlaube abbauen (keine Vergütung)
Fremdpersonal vertretend einsetzen

An eigentlich wichtigster Stelle gehören die Medikamente. Wie es sich während der „Corona-Krise“ zeigte, gab es für einige Mittel ebenfalls Engpässe. Weil nämlich die Herstellung eben in dem Land geschah, was zuerst von der Krise betroffen war, gab es einige gravierende Probleme bei der Versorgung. Man möchte zwar jetzt die Produktion wieder ins Land holen, derzeit sind solche Aussagen bestenfalls als Wunschvorstellungen anzusehen.

Lebensmittel und persönliche Hygieneartikel gehören ebenfalls zu den wichtigen Ressourcen. Und auch bei diesen wurde in den ersten Wochen ein erheblicher Mangel gesehen.

Im Falle der Fahrzeugen, der Gebäude und der dazugehörigen Betriebsmittel sowie bestimmtem Inventar geht es vorwiegend um die schnelle Wiederherstellung der Anlagen. Die Erreichbarkeit verschiedener Anbieter und Dienstleister war in der letzten Krise nicht immer gegeben. Ein Grund dafür war Kurzarbeit, bei der man Kapazitäten verringerte, um Kosten zu sparen. Von daher wurden plötzlich bislang hinausgezögerte Reparaturen zu einem Problemfall.

Sachmittel gehören eher zu den letzten Ressourcen, die in ausreichender Weise vorhanden sein sollten. Personal gehört dagegen mit zu den wichtigsten. Gerade um die Daseins-Vorsorge zu sichern, braucht es genügend Kräfte, die im Notfall für viele Arbeitsstunden im Einsatz verbleiben können. Es empfiehlt sich, den Personalkörper einzuteilen in eine Gruppe von Menschen, die selbst eine Notfallbetreuung im privaten Umfeld benötigen und solche, die zu ungeeigneten Zeiten tätig werden können. Das bedeutet dann allerdings auch in der Konsequenz, dass nach Ende der Krise diese Zeitguthaben und eventuell sogar verschobene Urlaubszeiten schnellstmöglich gewährt werden; und für diese Zeiten müsste dann weiterhin Fremdpersonal stellvertretend zum Einsatz kommen.

CGS




Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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