Donnerstag, 11. Juni 2020

Mittelverwendungsrechnung

Sich mit der Mittelverwendungsrechnung zu beschäftigen, ist schon eine Besonderheit, weil es sich als eine Buchhaltung in einer abgelegenen Sphäre entpuppt. Es geht nämlich nicht nur um die reine Zahlen-Gestaltung, es geht um die Gestaltung eines sozialen Unternehmens und seiner Zweckverwirklichung. Anzuwenden sind neue Begriffe und Einordnungen, die alle dem Ziel dienen, den Status der Gemeinnützigkeit zu verwirklichen.

Hier der Versuch einer Annäherung an das Thema.


Einordnung der Ober-Begriffe

Um einen Eingang zu dem Thema zu gewinnen, könnte man von der Erkenntnis ausgehen, dass jede natürliche Person steuerpflichtig ist und Abgaben leisten muss. Daneben gibt es allerdings noch Körperschaften, die zwar von Personen geführt werden, aber eben nicht die Eigenschaft der Natürlichkeit besitzen. Eine Körperschaft dient einem bestimmten Zweck und bekommt anhand einer gerichtlichen Registrierung eine Rechtsfähigkeit verliehen. Um eine solche Registrierung zu erreichen, braucht es wiederum natürliche Personen, die sich zum „überindividuellen Zweck“ zusammenschließen und eine Satzung bestimmen für die Körperschaft. Durch die Satzung wird etwas zur Grundlage „gesetzt“. Weil die Körperschaft dann Bestandskraft erwirbt und Rechtsgeschäfte tätigen kann, muss sie demzufolge besteuert werden können – wie eine natürliche Person eben auch (§§ 1 und 2 KStG).

Manche Körperschaften sind aber von der Körperschaftsteuer befreit (§ 5 KStG), und dazu gehören gemäß Abs. 1 Nr. 9 insbesondere solche Formen, die a) nach Satzung und b) nach tatsächlicher Geschäftsführung  sowie c) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (mit Verweis auf §§ 51 bis 68 AO). Diese drei Eigenschaften braucht es also, um eine Privilegierung zu erwirken.

Wenn es bei einer solchen Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gibt, ist die Steuerbefreiung „insoweit“ ausgeschlossen. Und das bedeutet, dass nur dieser eine Teil das Privileg der Befreiung verliert, während die übergeordnete Körperschaft die Steuerbefreiung behalten darf. Was ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist, findet sich in § 14 AO. Dort wird unterschieden in zwei Betriebsformen: dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und einer Vermögensverwaltung.

Bei Letzterem wird ein Vermögen ganz einfach verwaltet. Das kann beispielsweise die Anlage von Kapitalvermögen bedeuten, es kann aber auch die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen sein. Das Gesetz ist an der Stelle nicht abschließend, sondern wäre offen für weiteres. Worauf es jedoch ankommt, ist die „selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden“ (S. 1), was man durchaus als eine Aktivität verstehen könnte, wogegen die Vermögensverwaltung eine eher passive Rolle einnimmt. Die Erzielung eines Gewinns ist dagegen kein Abgrenzungskriterium (S. 2; und siehe gleich noch weiter unten).

Also nochmal: Eine Körperschaft ist jedenfalls keine natürliche Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse. Sie ist grundsätzlich steuerpflichtig, kann aber befreit oder steuerbegünstigt werden, wenn drei Kriterien zutreffen. Unterhält die Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der also aktiv wirtschaftlich tätig ist und Einnahmen oder andere Vorteile erzielt, ist nur dieser Teil von der Privilegierung ausgeschlossen.

Eine Vermögensverwaltung übrigens ist deswegen privilegiert, weil sie eben nicht aktiv wirtschaftlich orientiert ist. Sie geschieht eher passiv, selbst wenn viele „Vermögensverwalter“ sich ordentlich ins Zeug legen. Wenn die Vermögensverwaltung einen gewerblichen Charakter bekommt, dann ist die selbständige nachhaltige Tätigkeit gegeben – und es muss eine steuerliche Unterwerfung passieren. Beispiele dafür wären eine gewerbsmäßige Vermietung und Verpachtung, ein Wertpapierhandel (an Dritte allerdings) oder Grundstückshandel (dazu soll auch in R 15.7 Abs. 1 EStR etwas stehen oder aus dem BFH-Urteil vom 21.8.1990, BStBl II 1991, 126, abzulesen sein).


Kein grundsätzliches Gewinnerzielungsverbot

Gemeinnützige Unternehmen unterliegen keinem „Gewinnerzielungsverbot“, sondern es besteht nur ein „Gewinnverwendungsgebot“. Dies hatte einst der BFH im Zusammenhang mit einer Entscheidung in Bezug auf eine steuerbegünstigte, kommunale Eigengesellschaft (Wohlfahrtspflege) als Rettungsdienst herausgearbeitet (BFH-Urteil vom 17.11.2013, Az. I R 17/12).

Der BFH stellte seinerzeit fest, dass die „bloße objektive Eignung eines Wohlfahrtsbetriebs zur Gewinnerzielung“ noch nicht eine Eigenschaft des Betriebs „des Erwerbs wegen“ anzeigt (im Gegensatz zur Gemeinwohl-Orientierung). Daraus kann man nun folgern, dass die Erzielung eines Jahresüberschusses in Ordnung ist. Ein gemeinnützig anerkanntes Unternehmen muss also nicht die berühmte „Schwarze Null“ erzielen, es darf Gewinne machen.

Und weiter heißt es, dass die Erzielung von Gewinnen „in gewissem Umfang … z.B. zum Inflationsausgleich…“ möglich sei. Klingt wiederum etwas einschränkend, aber der Status der Gemeinnützigkeit wird mit erzielten Gewinnen also nicht gefährdet. Wenn dagegen Gewinne angestrebt werden, „die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen“ und „die Wohlfahrtspflege mithin nur als Vorwand dient, um das eigene Vermögen zu mehren“, ist eine „ausschließende Erwerbsorientierung“ gegeben (Rz. 45).

Das heißt also, dass eine Differenzierung stattfinden muss bei der wirtschaftlichen Betätigung zwischen der Gemeinwohl-Orientierung und der Absicht zum Erzielen von Gewinnen. Die Satzung wäre ein Indiz, die tatsächliche Geschäftsführung ein anderes.

Denkbar wäre es, wenn trotz nachgewiesener und tatsächlicher Gemeinwohl-Orientierung dauerhaft ein derart hoher Jahresüberschuss kontinuierlich erzielt wird, dass man nicht mehr von einem einfachen Inflationsausgleich sprechen könnte. Eine simple Kalkulation der eingesetzten Mittel mal einer Teuerungsrate im Vergleich zum Jahresüberschuss wäre da ganz interessant. Doch damit kann noch kein Versagen der steuerlichen Privilegierungen begründet werden (siehe § 5 KStG und die drei Kriterien). Entscheidend ist die Selbstlosigkeit der Körperschaft. Und dies wirkt sich dann auch aus auf die mit der Körperschaft verbundenen Mittel.


Die Mittel zeitnah verwenden

Die Finanzverwaltung hatte diesen Grundsatz, den der BFH seinerzeit aufgestellt hatte (Rz. 45, a.a.O.), übernommen in ihrem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO vom 31.1.2014) und dabei folgendes unter anderem noch mal klargestellt:
  • Eine mildtätige Zuwendung (an hilfsbedürftige Personen) muss nicht völlig unentgeltlich sein, sie darf „nur nicht des Entgelts wegen erfolgen“ (Nr. 2 zu § 53 AO)
  • Ist die Tätigkeit der Körperschaft „in erster Linie auf Mehrung ihres eigenen Vermögens gerichtet, so handelt sie nicht selbstlos“ (Nr. 1 zu § 55)
  • Das Vermögen ist an die Satzung gebunden. „Wird die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben, gilt sie von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend“ und muss rückwirkend für alle Zeiten nachversteuert werden (Nr. 2 zu § 61)
  • Bei Verstößen gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit in § 55, und dazu gehören u.a. die satzungsmäßige Verwendung (Abs. 1 Nr. 1), zweckfremde unverhältnismäßige Begünstigung (Nr. 3) sowie die nicht zeitnahe Mittelverwendung (Nr. 5), besteht die Möglichkeit der Nachversteuerung im Rahmen der Festsetzungsfrist nach § 169 AO (Nr. 4 zu § 61).

Das alles zeigt die Schwere auf, die in der Tätigkeit einer gemeinnützigen Unternehmung liegt. Genau deswegen muss innerhalb einer solchen Organisation darauf geachtet werden, was mit den Geldern passiert. Eine steuerbegünstigte Körperschaft muss nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 „ihre Mittel vorbehaltlich des § 62 grundsätzlich zeitnah für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden“.

Das bedeutet zuerst einmal, dass die Mittel „ganz oder teilweise“ zu bestimmten Zwecken einer Rücklage zugeführt werden können (§ 62 Abs. 1) – die Körperschaft „kann“ das tun, muss es aber nicht (S. 1). Die Verteilung wiederum müsste zumindest bestimmte Obergrenzen beachten:

1.
Rücklage, soweit erforderlich, zur Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke.
Keine Obergrenze

Die Rücklagen sind unverzüglich aufzulösen, wenn der Grund für die Rücklagenbildung entfallen ist. Daraus folgt dann, dass die freigewordenen Mittel der zeitnahen Rücklagenbildung zufließen.

2.
Rücklage zur Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern (zur Verwirklichung der Satzung)
Die Höhe der Zuführung bemisst sich nach der Höhe der regulären Absetzung für Abnutzung eins zu ersetzenden Wirtschaftsguts. Die Voraussetzungen für eine höhere Zuführung sind nachzuweisen (S. 2 und S. 3)

Die Rücklagen sind unverzüglich aufzulösen, wenn der Grund für die Rücklagenbildung entfallen ist. Daraus folgt dann, dass die freigewordenen Mittel der zeitnahen Rücklagenbildung zufließen.

3.
Freie Rücklage
Höchstens 1/3 des Überschusses aus der Vermögensverwaltung und darüber hinaus höchstens 10 % der sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel (S. 1).

Eine Nachholung ist rückwirkend für zwei Jahre möglich (S. 2).

Keine zeitnahe Mittelverwendung für:

Erbschaften ohne Zweckbindung an den laufenden Aufwand der Körperschaft

Zuwendungen / Spenden mit Zweckbindung für die Vermögensbildung

Zuwendungen / Spenden nach Spendenaufruf zur Vermögensbildung

Sachzuwendungen, die zum Vermögen gehören

4.
Rücklage zum Erwerb von Gesellschaftsrechten
Mindert die Freie Rücklage aus Nr. 3

Die Rücklagen sind unverzüglich aufzulösen, wenn der Grund für die Rücklagenbildung entfallen ist. Daraus folgt dann, dass die freigewordenen Mittel der zeitnahen Rücklagenbildung zufließen.


Zeitnahe Mittelverwendung bedeutet wiederum, dass innerhalb von zwei Kalenderjahren nach Zugang der Gelder ein Mitteleinsatz erfolgen muss.

Der Mitteleinsatz wird über die Mittelverwendungsrechnung veranschaulicht, wobei es sich um eine eigenständige Nebenrechnung zu den anderen Berichten der begünstigten Unternehmung handelt: d.h. eine Übersicht zu den Einnahmen und Ausgaben (z.B. EÜR, § 259 BGB) und den Vermögensgegenständen (z.B. Vermögensübersicht, § 260 BGB) bzw. bei einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft wären es die Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 f. HGB) sowie die Bilanz (§ 266 f. HGB).

CGS



P.S:
Das Thema ist schon sehr komplex. Da wird es noch viel mehr geben, dass zu verstehen ist. Von daher sind das jetzt alles ein paar Gehschritte mit dem Ziel, ein zweckgerichtetes Arbeiten in der Eingliederungshilfe / gemeinnützig anerkannten Wohlfahrt zu erreichen.




Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die Dinge dar. Brauchen Sie rechtliche Unterstützung, wenden Sie sich an die zuständigen Behörden, Sozial- und Betroffenenverbände oder rechtskundige Dritte. Lesen Sie bitte ebenfalls die Hinweise zum Rechtsstatus der Webseite, Urheberrechtsbestimmungen und Haftungsausschluss sowie die Datenschutzerklärung.

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