Montag, 30. Mai 2022

Der neue Formularsatz bWF für Schleswig-Holstein - erste Überlegungen

In den letzten Jahren zeigte sich ein Bearbeitungsstau bei der Umsetzung der neuen Bestimmungen aus dem BTHG. Weder die Leistungserbringer noch die Leistungsträger konnten sich in vielerlei Fragen einigen. Und ganz besonders die Frage nach dem Antragswesen für die neuen Vergütungen bekam reichlich Gegenwind. Letztendlich übernahm die Dachorganisation für die öffentlichen Leistungsträger in Schleswig-Holstein diese Aufgabe und erarbeitete eine sehr gut aussehende Excel-Datei.

Natürlich darf man bei so einer Mammut-Aufgabe keine Fehlerfreiheit erwarten – schon immer gab es diese „Bugs“, die etwas nicht berechneten. Aber nun mussten einige Forderungen aus dem BTHG umgesetzt werden, die einen ganz neuen Aufbau erforderlich machten. Und so ein neuer Aufbau verlangt, dass die Verhandler der Leistungserbringer einerseits den Umgang besser verstehen und andererseits die eigene Datengewinnung voranbringen.

Viele Leistungserbringer in Schleswig-Holstein wenden den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes an – aber nicht den TV-L, sondern den TVöD. Und bei dem hat es vor kurzer Zeit eine Tarifeinigung gegeben, obwohl die letzte noch eine Laufzeit bis zum 31.12.2022 hatte. Diese neue Tarifeinigung führt zu Teuerungen bei den Arbeitgebern, so dass laufende Vergütungsverhandlungen diese Aspekte mitbedenken müssen. Wer es nicht tut, wird auf Dauer verlieren!


Erste Überlegungen zur Herangehensweise beim neuen Formularsatz

Es gibt eine neue Version des Formularsatzes für die Kalkulation von Vergütungen zu der Leistungsart Besondere Wohnformen (BWF / bWF) in Schleswig-Holstein (Arbeitsstand April 2022). Im Vergleich zu den bekannten Versionen aus früheren Jahren, hat sich das Layout deutlich verändert. Alles macht zwar jetzt einen sehr durchdachten Eindruck, nichtsdestotrotz findet sich, wie man es von komplexen Tabellen her kennt, immer wieder ein gewisser Optimierungsbedarf.

Nach wie vor sind Angaben zu machen zur Struktur der Leistungserbringung (Eckdaten zu den Eigenschaften des Leistungsträgers), den zu besetzenden Stellen (unterteilt in Basis- und Fachleistungen) und Stelleneinsatz, den Investitionsdaten (d.h. Gebäude, Anlagen, Inventar und Fahrzeuge) sowie den Sachkosten. Neu hinzugekommen sind nun Flächenaufteilungen, eine sehr kleinteilige Differenzierung beim Stelleneinsatz, eine Nettojahresarbeitszeit und Zeitkorridoren (vergleichbar mit den Leistungsstufen in Hamburg). Und weil es am Ende noch einige Fehler zu bereinigen gab, muss eine laufende Verhandlungsrunde mit genau dem neuesten Versionsstand geführt werden.

Die erste Beschäftigung mit dem Formularsatz hinterlässt den Eindruck, dass man seitens der KOSOZ sehr kleinlich herangehen will, was schon wieder an die altbekannte Salamitaktik erinnert. Könnte man in Bezug auf die BTHG-bedingten Änderungen noch von einer Zeitenwende sprechen, muss man im Hinblick auf die neuen Formulare von einer Rückkehr in alte Arbeitsmuster sprechen. Und dennoch bieten solche Neuerungen eine großartige Chance, Fehler der Vergangenheit endlich zu überkommen. Umgekehrt bedeutet sowas allerdings auch, dass eventuelle Vorteile der Vergangenheit verloren gehen, wenn man sich zu schnell einlässt auf das Spiel der anderen Seite. Zwar soll das neue System “budgetneutral” umgesetzt werden, doch das gehört zum Wunschdenken. Die Wirklichkeit wird anders aussehen.

 

Weitere Überlegungen angesichts der aktuellen Tarifeinigung im TVöD uns Aussagen des BMFs

Es gibt neuerdings auch eine Tarifeinigung im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst des TVöD. Am 18.5.2022 verkündete die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände einige Neuerungen, die schon in diesem Jahr gelten sollen; man erinnere sich bitte: Die letzte Tarifeinigung wirkt für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis mindestens 31. Dezember 2022, so eine Pressemitteilung der VKA 29.10.2020. Und nun hat man etwas weit vor dieser Frist vereinbart, was die Leistungserbringer nun in die Verhandlungen mit der KOSOZ einbringen müssen.

Die Details sind noch nicht groß kommentiert worden. Von daher müssen die Punkte, die jetzt bekannt gemacht wurden, irgendwie bewertet und in die Kalkulation der Vergütungssätze eingearbeitet werden. Zum Beispiel heißt es in der VKA-Pressemitteilung, dass man allen Beschäftigten (vermutlich nur die BT-B-Arbeitnehmer) schon “ab diesem Jahr 2 Regenerationstage” geben wird. Pro Jahr sollen es insgesamt vier Regenerationstage werden. Im Formularsatz würden dazu entweder die Urlaubstage im Basisblatt um den Wert “2” erhöht werden müssen, oder es werden Zusatzurlaubstage für die Berechnung der Nettojahresarbeitszeit eingetragen.

Darüber hinaus erhalten bereits zum 1. Juli 2022 die Beschäftigten der Entgeltgruppen S2 bis S11a “eine monatliche Zulage von 130 Euro”, Beschäftigte in den Entgeltgruppen S11b bis S12 sowie S14 und S15 erhalten sogar “180 Euro”.

Und zu guter Letzt will man die Stufenlaufzeiten an die allgemeinen Regelungen der übrigen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst anpassen. Die Pressemitteilung spricht davon, dass auf diese Weise das Erreichen der nächsten Erfahrungsstufe “keine verlängerten Stufenlaufzeit und keine vorgezogenen Endstufe” mehr darstellt.

Das sind drei Besserungen, die die Arbeitgeber was kosten werden. Und weil Tarifverträge als wirtschaftlich betrachtet werden müssen, sollten Leistungserbringer nicht zögern und diese Neuerungen in die laufenden Verhandlungen schnellstens einbringen.

Was ein solches Vorgehen sehr schwierig macht, sind eigentlich zwei Faktoren. Erstens erinnern die Verhandler von der anderen Seite die in der Vergangenheit eher üblichen, niedrigen Steigerungssätze. Argumente, die sich auf den Inflations-Preisdruck stützen, will man nicht zur Kenntnis nehmen. Dass es schon bald einen Preis-Ruck geben wird bei den Lebensmitteln, im Gespräch sind Steigerungen um weitere zehn Prozentpunkte (im Einzelhandel verteuerten sich die Preise um 6,6 Prozent, so ein Volkswirt am 30.5.2022 im Interview mit der Tagesschau, die Lebensmittelhersteller erhöhten dagegen ihre Preise um 16,6 Prozent), wird dagegen angezweifelt; angeblich sind es nur die Energiepreise, die so teuer geworden sind, und sobald der Tankrabatt kommt, ist alles wieder “normal”.

Zweitens wird die Vorgabe des Bundesfinanzministers durchgreifen, wonach die Schuldenbremse in 2023 “wieder greifen soll”. Man will zurück in eine “finanzpolitische Normalität und zu einer Politik, die mit Knappheit umgehen müsse”. Das wiederum heißt übersetzt, Leistungserbringer müssen um die knappen Ressourcen ringen und sich um jeden Euro streiten mit den Leistungsträgern. Und wie man so hört, gibt es einen weiteren Bearbeitungsstau im Verhältnis der Verhandler untereinander und zur Schiedsstelle.

Also vielleicht doch kompromissbereit bleiben?

CGS

 

 

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