In den letzten Jahren zeigte sich ein Bearbeitungsstau bei der Umsetzung der neuen Bestimmungen aus dem BTHG. Weder die Leistungserbringer noch die Leistungsträger konnten sich in vielerlei Fragen einigen. Und ganz besonders die Frage nach dem Antragswesen für die neuen Vergütungen bekam reichlich Gegenwind. Letztendlich übernahm die Dachorganisation für die öffentlichen Leistungsträger in Schleswig-Holstein diese Aufgabe und erarbeitete eine sehr gut aussehende Excel-Datei.
Natürlich
darf man bei so einer Mammut-Aufgabe keine Fehlerfreiheit erwarten – schon immer
gab es diese „Bugs“, die etwas nicht berechneten. Aber nun mussten einige
Forderungen aus dem BTHG umgesetzt werden, die einen ganz neuen Aufbau
erforderlich machten. Und so ein neuer Aufbau verlangt, dass die Verhandler der
Leistungserbringer einerseits den Umgang besser verstehen und andererseits die
eigene Datengewinnung voranbringen.
Viele
Leistungserbringer in Schleswig-Holstein wenden den Tarifvertrag des
öffentlichen Dienstes an – aber nicht den TV-L, sondern den TVöD. Und bei dem
hat es vor kurzer Zeit eine Tarifeinigung gegeben, obwohl die letzte noch eine
Laufzeit bis zum 31.12.2022 hatte. Diese neue Tarifeinigung führt zu Teuerungen
bei den Arbeitgebern, so dass laufende Vergütungsverhandlungen diese Aspekte
mitbedenken müssen. Wer es nicht tut, wird auf Dauer verlieren!
Erste Überlegungen zur Herangehensweise beim neuen Formularsatz
Es gibt eine neue Version des Formularsatzes für die
Kalkulation von Vergütungen zu der Leistungsart Besondere Wohnformen (BWF /
bWF) in Schleswig-Holstein (Arbeitsstand April 2022). Im Vergleich zu den
bekannten Versionen aus früheren Jahren, hat sich das Layout deutlich
verändert. Alles macht zwar jetzt einen sehr durchdachten Eindruck,
nichtsdestotrotz findet sich, wie man es von komplexen Tabellen her kennt,
immer wieder ein gewisser Optimierungsbedarf.
Nach wie vor sind Angaben zu machen zur Struktur der Leistungserbringung
(Eckdaten zu den Eigenschaften des Leistungsträgers), den zu besetzenden
Stellen (unterteilt in Basis- und Fachleistungen) und Stelleneinsatz, den
Investitionsdaten (d.h. Gebäude, Anlagen, Inventar und Fahrzeuge) sowie den
Sachkosten. Neu hinzugekommen sind nun Flächenaufteilungen, eine sehr kleinteilige
Differenzierung beim Stelleneinsatz, eine Nettojahresarbeitszeit und Zeitkorridoren
(vergleichbar mit den Leistungsstufen in Hamburg). Und weil es am Ende noch einige
Fehler zu bereinigen gab, muss eine laufende Verhandlungsrunde mit genau dem neuesten
Versionsstand geführt werden.
Die erste Beschäftigung mit dem Formularsatz hinterlässt
den Eindruck, dass man seitens der KOSOZ sehr kleinlich herangehen will, was
schon wieder an die altbekannte Salamitaktik erinnert. Könnte man in Bezug auf
die BTHG-bedingten Änderungen noch von einer Zeitenwende sprechen, muss man im
Hinblick auf die neuen Formulare von einer Rückkehr in alte Arbeitsmuster
sprechen. Und dennoch bieten solche Neuerungen eine großartige Chance, Fehler
der Vergangenheit endlich zu überkommen. Umgekehrt bedeutet sowas allerdings
auch, dass eventuelle Vorteile der Vergangenheit verloren gehen, wenn man sich
zu schnell einlässt auf das Spiel der anderen Seite. Zwar soll das neue System
“budgetneutral” umgesetzt werden, doch das gehört zum Wunschdenken. Die
Wirklichkeit wird anders aussehen.
Weitere Überlegungen angesichts der aktuellen Tarifeinigung im TVöD uns Aussagen des BMFs
Es gibt neuerdings auch eine Tarifeinigung im kommunalen
Sozial- und Erziehungsdienst des TVöD. Am 18.5.2022 verkündete die Vereinigung
der kommunalen Arbeitgeberverbände einige Neuerungen, die schon in diesem Jahr
gelten sollen; man erinnere sich bitte: Die letzte Tarifeinigung wirkt für den
Zeitraum vom 1. September 2020 bis mindestens 31. Dezember 2022, so eine
Pressemitteilung der VKA 29.10.2020. Und nun hat man etwas weit vor dieser
Frist vereinbart, was die Leistungserbringer nun in die Verhandlungen mit der
KOSOZ einbringen müssen.
Die Details sind noch nicht groß kommentiert worden. Von
daher müssen die Punkte, die jetzt bekannt gemacht wurden, irgendwie bewertet
und in die Kalkulation der Vergütungssätze eingearbeitet werden. Zum Beispiel
heißt es in der VKA-Pressemitteilung, dass man allen Beschäftigten (vermutlich
nur die BT-B-Arbeitnehmer) schon “ab diesem Jahr 2 Regenerationstage” geben
wird. Pro Jahr sollen es insgesamt vier Regenerationstage werden. Im
Formularsatz würden dazu entweder die Urlaubstage im Basisblatt um den Wert “2”
erhöht werden müssen, oder es werden Zusatzurlaubstage für die Berechnung der
Nettojahresarbeitszeit eingetragen.
Darüber hinaus erhalten bereits zum 1. Juli 2022 die
Beschäftigten der Entgeltgruppen S2 bis S11a “eine monatliche Zulage von 130
Euro”, Beschäftigte in den Entgeltgruppen S11b bis S12 sowie S14 und S15
erhalten sogar “180 Euro”.
Und zu guter Letzt will man die Stufenlaufzeiten an die
allgemeinen Regelungen der übrigen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst
anpassen. Die Pressemitteilung spricht davon, dass auf diese Weise das
Erreichen der nächsten Erfahrungsstufe “keine verlängerten Stufenlaufzeit und
keine vorgezogenen Endstufe” mehr darstellt.
Das sind drei Besserungen, die die Arbeitgeber was kosten
werden. Und weil Tarifverträge als wirtschaftlich betrachtet werden müssen,
sollten Leistungserbringer nicht zögern und diese Neuerungen in die laufenden
Verhandlungen schnellstens einbringen.
Was ein solches Vorgehen sehr schwierig macht, sind
eigentlich zwei Faktoren. Erstens erinnern die Verhandler von der anderen Seite
die in der Vergangenheit eher üblichen, niedrigen Steigerungssätze. Argumente,
die sich auf den Inflations-Preisdruck stützen, will man nicht zur Kenntnis
nehmen. Dass es schon bald einen Preis-Ruck geben wird bei den Lebensmitteln,
im Gespräch sind Steigerungen um weitere zehn Prozentpunkte (im Einzelhandel
verteuerten sich die Preise um 6,6 Prozent, so ein Volkswirt am 30.5.2022 im
Interview mit der Tagesschau, die Lebensmittelhersteller erhöhten dagegen ihre
Preise um 16,6 Prozent), wird dagegen angezweifelt; angeblich sind es nur die
Energiepreise, die so teuer geworden sind, und sobald der Tankrabatt kommt, ist
alles wieder “normal”.
Zweitens wird die Vorgabe des Bundesfinanzministers
durchgreifen, wonach die Schuldenbremse in 2023 “wieder greifen soll”. Man will
zurück in eine “finanzpolitische Normalität und zu einer Politik, die mit
Knappheit umgehen müsse”. Das wiederum heißt übersetzt, Leistungserbringer
müssen um die knappen Ressourcen ringen und sich um jeden Euro streiten mit den
Leistungsträgern. Und wie man so hört, gibt es einen weiteren Bearbeitungsstau
im Verhältnis der Verhandler untereinander und zur Schiedsstelle.
Also vielleicht doch kompromissbereit bleiben?
CGS
Das hier ist keine Rechtsberatung oder Aufforderung zur
Vornahme eines Rechtsgeschäftes. Der Beitrag stellt nur meine Sicht auf die
Dinge dar. Und eine solche Sicht kann sich immer noch ändern. Brauchen Sie
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Der neue Formularsatz bWF für Schleswig-Holstein - erste Überlegungen