Freitag, 23. September 2022

Die Energiekrise als Krise für die Leistungserbringer – Nachverhandlungen

Zuerst waren es einige Geschäftsführer – so fing es wohl an. In der Tagesschau vom 17.9.2022 hörte man auf einmal den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds ebenfalls über die schwierige Lage in den Kommunen sprechen. Und es wurde festgestellt: „Ein Ende der Strom- und Gaspreisexplosion sei nicht abzusehen. Das werde zur schweren Belastung für Menschen, Kommunen und Wirtschaft. Bei allen Einsparbemühungen gebe es viele Bereiche, wo das Potenzial dafür gering sei. Landsberg nannte Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen und Kindergärten.“

Wohnstätten von Menschen mit Behinderungen wurden zwar nicht mit benannt, aber im Prinzip würden sie dazuzählen, kann man sagen. Von daher ist in den Kommunen jedenfalls die Einsicht vorhanden, dass man bei den Verbrauchseinsparungen nicht viel machen kann: man muss aufgrund der Preisexplosionen einen Ausgleich hinbekommen. Für einen sozialen Leistungserbringer sollte das nun bedeuten, dass man zu Nachverhandlungen aufruft.


Nachverhandlungen

Schon an anderen Orten hat es bereits nach Information auf Verbandsebene bereits recht gute Nachverhandlungen gegeben; vieles davon diente zum Ausgleich der Effekte aus dem allgemeinen Preisanstieg (Inflation). In Sachsen-Anhalt gab es jedenfalls eine nachträgliche Anhebung um 6,6 %,  in Thüringen wurde eine „Basisbereinigung“ von 5 % vereinbart (Quelle: Parität-HH).

Die Träger der Eingliederungshilfe, also auf Landesebene, könnten natürlich von sich aus alle anderen Parteien zu Verhandlungen auffordern (§ 126 Abs. 1 S. 3 SGB IX). Dann würden die Verbände der Leistungserbringer tätig werden und auf Abschlüsse für ihre Mitglieder hinwirken. Das könnte im Einzelfall vielleicht nicht ausreichend sein, aber es wäre damit viel Druck abgelassen und eventuell könnten die (scheinbar) Benachteiligten trotzdem zufriedengestellt sein. Und die Verhandler auf Seiten des Leistungsträgers müssten keine Überstunden machen.

Natürlich könnten auch die einzelnen Leistungserbringer schriftlich (§ 126 Abs. 1 S. 1) zu Nachverhandlungen auffordern (§ 127 Abs. 3 S. 1). Zu begründen wäre diese Aufforderung damit, dass es seit den letzten Verhandlungen „unvorhergesehene“ und „wesentliche“ Änderungen gegeben hat. Die Annahmen von damals wären nicht mehr stimmig, man hat sich im Irrtum befunden, es müsste die veränderte Situation angemessen berücksichtigt werden. Unvorhergesehen ist etwas, wenn die Annahmen, die bei Abschluss der Vereinbarungen noch vorgeherrscht haben, sich erheblich geändert haben. Die Annahmen zum Abschluss-Zeitpunkt müssen dabei alle relevanten Umstände berücksichtigt haben, so dass man objektiv eine überraschende Fehl-Entwicklung unterstellen kann. Wesentlich ist etwas, was man mit einer Unzumutbarkeit umschreiben kann: das Festhalten an der einmal getroffenen Vereinbarung ist nicht mehr zumutbar (vgl. dazu von Boetticher in LPK-SGBXII zu § 77 a Rn. 8; Bieritz-Harder in LPK-SGB IX zu § 127 Rn. 4 und BSG 7.10.2015, B 8 SO 1/14 R, Rn. 20).

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass es schon eine Vereinbarung gegeben hat. Da es in vielen Fällen, und ganz besonders in Schleswig-Holstein, keine Einzelverhandlungen gab, wird eine Folgevereinbarung, mit Bezug auf die vorherige Einzelverhandlung, so nicht möglich sein. Die Benennung eines einzelnen Verhandlungsgegenstands (§ 126 Abs. 1 S. 2), wie eben die Strom- und Gaspreisentwicklung, wird an dieser Stelle vermutlich scheitern. In Hamburg wiederum hatte es mit der Umstellung des Kalkulationsmodells im Prinzip ein Ende von Einzelverhandlungen gegeben, dennoch könnte man als Verhandlungsgegenstand die gestiegenen Sachkosten geltend machen; das Problem dabei ist dann allerdings die Anführung des Kriteriums „Wesentlichkeit“. In der Hansestadt wird man deswegen wohl auf die Verbände warten müssen.

Kalkulationsmöglichkeiten

Möchte man in die Verhandlungen gehen, braucht es eine Projektion der Kostenentwicklung, um das Kriterium der Wesentlichkeit besser zu stützen. Man könnte anhand der historischen Daten die Entwicklung der Preise, Verbräuche und der Jahreskosten aufzeigen und mittels einer Plan-Rechnung bzw. einer angenommenen Projektion der weiteren Entwicklung etwas hochrechnen. Die Projektion müsste wiederum auf einen Vertrag beruhen, der sich am Markt als sehr günstig, planbar oder zugänglich für die Bedarfe des Leistungserbringers erweisen wird.

Im Beispiel wurden die bekannten und die angenommenen (projizierten, vermuteten) Preise für die nächsten Jahre dargestellt, und man erklärte sich darin bereit, Einsparungen beim Verbrauch (im Beispiel pro 1 Person) zu versuchen. Gleichzeitig wurde aus der Kalkulation zur Vergütung der Wert herausgesucht (hier: je Wohnplatz), den man für den Anteil des Aufwands für die Stromversorgung bislang vereinbart hatte. Durch eine einfache Abweichung zeigt sich, dass es eine erhebliche Kluft gibt zwischen diesen Werten.

Die Seite der Leistungsträger könnte blockieren, aber sie darf es nicht. Sie könnte mit Behauptungen und Schuldzuweisungen kommen, was das Problem nur verschlimmert.

Sicherlich sind die Projektionen nicht belastbar. Man könnte ebenso mit ganz anderen Annahmen arbeiten. Am besten wäre es vermutlich, wenn man in den Verhandlungen mit dem Leistungsträger die eigenen Anstrengungen bei der Suche nach dem geeignetsten Versorger präsentiert; auf diese Weise könnten die Zukunftswerte als glaubhaft dargestellt werden – ganz im Sinne einer sorgfältigen Planung und Berücksichtigung aller Umstände. Die Entwicklung lässt sich allerdings nicht leugnen. Und wenn es in den vergangenen Zeiten keine sachgemäße Vereinbarung gab, wird ein Fehlbetrag entstehen, der die Leistungsfähigkeit einschränkt. Nur darum geht es in so einer Hochrechnung mit Gegenüberstellung: den (drohenden) Fehlbetrag.

Von daher müssen beide Seiten mit Ernst und Gewissenhaftigkeit an einer Lösung arbeiten.

CGS

 

 

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