Dienstag, 27. September 2022

Die Energiekrise als Krise für die Leistungserbringer – Druck von allen Seiten

Die Nachrichtenlage entwickelt sich gerade, am 27.9.2022 um 21 Uhr 53, doch sehr rasant. Vor kurzem gab es eine Pressemeldung, wonach aus Sicht Schwedens ein Sabotage-Akt für die drei Leckagen verantwortlich ist. Auch wenn eine vollständige Klärung zurzeit nicht möglich ist, man arbeite daran und konnte bisher ganz eindeutig zwei Explosionen bestimmen (Ministerpräsidentin Magdalena Andersson in Stockholm).

Damit zeigt sich die Verwundbarkeit von derartigen Fern-Versorgungen. Auch wenn Deutschland kein Gas aus Russland bezieht, selbst wenn der Krieg in der Ukraine überraschend ein Ende finden würde, russisches Erdgas wird es nicht mehr in Deutschland geben. Die Versorgung mit dieser Energie muss nun anders sichergestellt werden. Die Saboteure haben damit die Streitfrage geklärt – und vielleicht sogar Tür und Tor geöffnet für stärkere Anstrengungen zur Beendigung des kriegerischen Konflikts.

Die Kosten der Beschaffung werden nach wie vor abhängig sein von dem bereits jetzt bestehenden Angebot. Billiger wird es damit jedenfalls nicht. Doch dank dieses Akts sprechen die Ersten schon davon, dass Deutschland nicht mehr in eine „sehr schwere Rezession“ fällt, sondern eine „Depression“ erleben wird. Vorübergehend wird es diese Stimmung geben. Wahrscheinlich wird man sich wieder besinnen und die Entwicklung belastbarer Fakten abwarten.

Nichtsdestotrotz bedeutet dieses Ganze, dass die deutsche Wirtschaft einen erheblichen Stresstest absolvieren muss; ein Cocktail bestehend aus Pandemie, Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel, Inflation und Zinswende (Notenbanken).

Volkswirtschaftliche Erwartungen

Die bisherigen Prognosen müssen in jedem Fall komplett überarbeitet werden; doch es täte überraschen, wenn die neuen Ergebnisse stark von den bisherigen Erwartungen abweichen würden. Die deutsche Commerzbank hatte noch am 14.9.2022 für den Euroraum und Deutschland ein Wachstum beim realen BIP jeweils zum Vorjahr von 2,8 % (2022) und 0,0 % (2023) respektive 1,3 % (2022) und minus 0,5 % (2023) vorhergesehen. Die Inflation wurde dagegen eingeschätzt mit 8,3 % (2022) und 5,2 % (2023) bzw. für Deutschland mit 8,0 % (2022) und 7,2 % (2023). Das zeigt schon mal, dass das Muster-Land im Euroraum sehr viel schlechter abschneiden wird als alle anderen Mitglieder. Die Situation ist hierzulande sehr schwierig, muss man konstatieren.

Die deutschen Staatsanleihen werden über alle Laufzeiten hinweg weiter an Kurswerten einbüßen; hätte man neues Geld, könnte man zu einer günstigeren Rendite einkaufen. Ein Teil dieser Verluste wird zurückzuführen sein auf die oben angedeuteten Missverhältnisse beim BIP und der Inflation. Ein großer Teil wird allerdings auf die Leitzinserhöhungen der EZB gehen. Gerechnet wird damit, dass die aktuellen Sätze von 1,25 % (Refi) und 0,75 % (Depo) schon bald ansteigen auf 2,00 % und 1,50 % (bis Ende des Jahres). Interessanterweise glaubt man, dass die US-Amerikaner zwar ebenfalls um das 1,6-fache ihren Leitzins anheben werden von 2,50 % auf 4,00 %, doch schon im kommenden Jahr diesen wieder zurücknehmen auf 3,00 %; Europa würde zu der Zeit noch weiter an der Zinsschraube drehen.

Für die Rohstoffe wird es dann schwierig, weil bekanntermaßen eine Rezession die Nachfrage einbrechen lassen wird. Sollte es aber weltweit eine „weiche Landung“ geben, was man allgemein nicht glaubt, wird sich der Ölpreis eher stabil halten. Die anderen Versorgungskosten könnten dagegen kurzfristig weiter steigen – das, was momentan der Stand der Dinge ist („Verzehnfachung“), wäre somit noch nicht das „Ende vom Lied“.

Forderungen der Verbände

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege BAGFW erarbeitete nun einen Vorschlag, wie mit der aktuellen (desolaten) Situation die Bundesregierung und die Länder umgehen sollten; aber vorrangig richtete sich diese Arbeit an den Bund.

Zuerst einmal sollte es einen „nachträglichen Ausgleich“ geben anstelle der üblichen „Prospektivität“ im Kalkulationsverfahren. Das Problem liegt darin begründet, dass bei einer derartigen Krise eine vernünftige Vorausschau überhaupt nicht möglich ist. Die Seite der Leistungserbringer würde mit ihrem Angebot zu niedrig liegen oder „unverschämt“ zu hoch, die Seite der Leistungsträger würde alles abstreiten und den Abschluss blockieren (Seite 3 von „Umgang mit aktuellen krisenbedingten (Energie-) Kostensteigerungen für die Träger sozialer Dienstleistungen – Vorschläge“; BAGFW vom 19.9.2022). Viel zielführender wäre es, wenn dieses Ratespielchen herausgenommen wird und man sich darauf verständigt, derartige Krisen als „wesentliche Veränderungen der Annahmen“ wie beispielsweise bei einem Wegfall bzw. Störung der Geschäftsgrundlage.

Sobald die Bundesregierung von einer Krise spricht bzw. eine Krisensituation feststellt, kann von der bestehenden gesetzlichen Regelung abgewichen werden und ein Zuschlag in Höhe der Teuerungsrate vereinbart werden. Die Teuerungsrate würde vom Statistischen Bundesamt errechnet und veröffentlicht werden. Der Zuschlag könnte dann sogar auf einzelne Entgelte und Kostenarten / Kostengruppen beschränkt werden.

Zweiter wichtiger Punkt wäre der, dass die Verhandlungen darüber innerhalb von drei Wochen abzuschließen sind; andernfalls soll die Schiedsstelle in einem vereinfachten Verfahren die Vergütung festlegen können.

Und dritter Punkt wäre, dass nach dem festgestellten Ende der Krisensituation eine Bereinigung dieser Effekte auf die bisherige Vergütung stattzufinden hat.

Schutzschirm und Energiepreisdeckel

Den Verbänden ist klar, dass die Vorschläge ihre Zeit brauchen, um in Form von Regularien festgesetzt zu werden. Bis dahin sollte es einen Schutzschirm geben – so ähnlich, wie man es mit dem Corona-Schutzschirm geschafft hatte.

Es wird einen Schutzschirm für alle kleinen und mittelgroßen Unternehmen geben, weil es das Wirtschaftsministerium angekündigt hat. Für die Stadtwerke ist so etwas jedenfalls in der konkreten Ausgestaltung. Interessanterweise hat es allerdings bereits eine Forderung nach so einem Schutzschirm gerade für Menschen mit Behinderung und soziale Einrichtungen seitens einer im Bundestag vertretenen Oppositions-Partei am 20.9.2022 gegeben (BT-Drucksache 20/3534; Details aber nicht weiter recherchiert). Die BAGFW möchte dagegen diesen Schutzschirm nicht zu spezialisiert haben, sondern u.a. auch Gesundheitseinrichtungen sowie Schuldnerberatungen und ebenfalls die großen sozialen Dienstleister mitbedacht haben.

Damit blieben nur noch die Menschen mit Behinderung selber, die in den Wohnstätten leben. Bislang werden sie nicht weiter begünstigt, obwohl auch sie einen Grundbedarf zu decken haben und die Kosten des Wohnens entweder aus einer festgesetzten Rente oder anderen privaten Mitteln bestreiten müssen. Der Vorschlag der BAGFW spricht davon, dass man jetzt nicht für jede Person in der Wohnstätte die Bedürftigkeit prüft (wäre zudem wieder sehr zeitaufwändig), sondern dass einfach pauschal ein (ungedeckter) Grundbedarf berechnet wird und sich dieser auf die Anzahl der Menschen, die in der Einrichtung wohnen, bezieht. Das könnte zwar bedeuten, dass die Einrichtung wieder tätig werden muss, indem sie die aktuelle Versorgungssituation präsentiert und belegt. Auf diese Weise hätte man gezielter die Deckungslücke angesprochen, so das Kalkül.

CGS

 

 

Quellenangaben im Text

 

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