Mittwoch, 17. Januar 2024

Das mit dem Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderung ist ganz schön durchdacht (Teil 2)

Ausgangspunkt ist eine Verfahrensangelegenheit, die ich im Eingang zum ersten Teil erzählt habe. Bitte klicken Sie hier, um dorthin zu gelangen.

Alle Quellen und weitere Notizen befinden sich im vierten Beitrag.

Und dann noch ein wichtiger Hinweis: Das ist alles meine Recherche und mein Verständnis von den Dingen. Vielleicht klingt es gut und logisch, muss es aber nicht sein.

Und ein weiterer Hinweis: Seit dem 1.1.2024 gibt es eine etwas geänderte Fassung des Schwerbehindertenrechts, da das soziale Entschädigungsrecht in das SGB XIV überführt wurde. Mit der sozialen Entschädigung sollen Menschen unterstützt werden, die durch ein schädigendes Ereignis, für das die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt, eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, bei der Bewältigung der dadurch entstandenen Folgen (vgl. § 1 Abs. 1 SGB XIV). Die im Beitrag enthaltenen Paragraphen beziehen sich auf die neuen Regelungen.

  

+++ Teil 2 +++

Von Grundrechten

Das Sozialrecht soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit führen (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB I). Basierend auf den persönlichen Grundrechten wie auch dem Sozialstaatsprinzip folgt daraus der Anspruch auf ein staatliches Tun (originärer Leistungsanspruch) wie auch den Erhalt von Leistungen aus bestehenden Leistungssystemen (derivativer Leistungsanspruch).

Ein originärer Leistungsanspruch ergibt sich beispielsweise aus dem Grundrecht zur Würde des Menschen und der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, diese zu schützen (Art. 1 Satz 1 und 2 GG sowie dann noch Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG). Ist der Anspruch, der sich aus einem Grundrecht ergibt, nicht gedeckt, beispielsweise fehlt es an einer qualifizierten Hilfe oder Ambulanten Dienst für einen behinderten Menschen, kann ein Leistungsträger auf Antrag des Leistungsberechtigten die Leistungen zur Teilhabe in Form eines Persönlichen Budgets in Geld erbringen (§8 und § 29 SGB IX) – d.h. der Leistungsberechtigte kauft sich seine Leistungen selber ein.

Gleichzeitig ist immer das Wunsch- und Wahlrecht beschränkt auf das, was man „vernünftigerweise von der Gesellschaft“ beanspruchen kann. Oder anders gesagt, Geldleistungen können höchstens gewährt werden bis zu einer „voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest gleichwertig [ausgeführten]“ anderen Leistung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IX).

Die Feststellung der Schwerbehinderung könnte in diese erste Kategorie fallen, weil es sich um ein höchstpersönliches Grundrecht auf Gleichbehandlung handelt und die Voraussetzungen zum Nachteilsausgleich geschaffen werden sollen (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG). Aber die Verbundenheit mit der Eigenschaft einer lebenden Person ist im zugrundeliegenden Fall nicht gegeben.

 

Zum abgeleiteten Teilhaberecht

Ein derivativer Leistungsanspruch ist ein Recht auf gleiche Beteiligung an bestehenden staatlichen Einrichtungen und Leistungssystemen auf Grundlage des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG; es geht also vorrangig darum, dass ein Mensch einen Anspruch darauf hat, an dem Vorhandenem in gleicher Weise teilzuhaben. Es muss im Gegensatz zum originären Leistungsanspruch nicht etwas Neues oder Zusätzliches geschaffen werden, sondern es wird damit der Zugang zu der „zur Verfügung stehenden Dispositionsmasse“ sichergestellt.

Beispiele Teilhaberechtsleistungen sind Zuschüsse zu ambulanten Vorsorgeleistungen, die Gewährung einer Haushaltshilfe, Arzneimittel und Therapien, Unterkunft und Verpflegung in einem Krankenhaus. (Ein anderes, angeblich klassisches Beispiel für den derivativen Leistungsanspruch, soll ein BVfG-Urteil darstellen zur Ausschöpfung der vorhandenen Kapazitäten von Studienplätzen an Hochschulen oder eine Bestimmung über staatliche Finanzhilfen an Privatschulen zur Vermeidung einer Absonderung von Schülern).

In diese zweite Kategorie könnte man die Erlangung eines Nachteilsausgleichs setzen. Fraglich ist allerdings, ob es sich dabei um einen handeln müsste, der direkt aus dem Sozialrecht entstammt oder aus einem anderen Gesetz (z.B. Steuerfreibetrag, § 33b EStG). Als Sozialleistungen vorgesehen sind nämlich nach § 11 SGB I nur Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Würde es eine Feststellung geben, würde sich auch ein Rechtsanspruch unter Umständen auf einen Nachteilsausgleich ergeben. Immerhin können Geldleistungen in manchen Fällen übertragen (vgl. § 56 ff. SGB I) oder sogar vererbt werden, es sei denn, sie sind im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt noch war ein Verwaltungsverfahren darüber anhängig (§ 59 SGB I).

Sach- und Dienstleistungen wiederum können nicht von einem Erben übernommen werden (§ 53 SGB I) – das wäre ohnehin nicht nachvollziehbar, selbst wenn ein gleicher Bedarf vorhanden wäre bei diesen Leuten. Bei Geldleistungen sieht es wie gesagt etwas anders aus, weil sie als ein Ersatz für Sachleistungen betrachtet werden könnten. Gerade dann nämlich wenn ein Aufwand aus einer bezogenen Leistung zur Abmilderung der Unterstützungsbedarfe noch bezahlt werden muss, ist es richtig, dass Geldleistungen übertragen oder sogar vererbt werden können (vgl. § 56 ff. SGB I). Wichtig daran wäre, dass diese Geldleistungen im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten festgestellt oder ein Verwaltungsverfahren darüber anhängig war (§ 59 SGB I).

Im Sozialrecht gilt das Sachleistungsprinzip, was bedeutet, dass ein Leistungsträger grundsätzlich die benötigten Sachleistungen und Dienstleistungen verschafft, und somit ein Betroffener mit diesen Dingen nicht in finanzielle Vorleistung treten muss. Und eben das spricht dafür, dass dieser Leistungsanspruch im vorliegenden Fall nicht zustande kommt.

 

[Fortsetzung folgt]

CGS 

 


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