Wie muss man sich eine Leistungsvereinbarung vorstellen, die
„nicht“ einer Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 2 SGB XII entspricht? – Also
eine BGB-Gesamtvereinbarung, in der Leistung und Vergütung geregelt sind, und
eventuell sogar irgendeine Form der Prüfung.
Im Grund genommen gibt es gar nicht so viele Unterschiede,
wenn man den Charakter von BGB-Verträgen und SGBXII-Gesamtvereinbarungen grob
betrachtet. In beiden Fällen handelt es sich um Verträge, in denen eine
gemeinsame Willenserklärung sowie Leistung und Gegenleistung bestimmt sind. Der
SGBXII-Gesamtvereinbarung ist allerdings ein Landesrahmenvertrag vorgeschaltet,
und häufig genug existieren Rahmen- oder Muster-Leistungsvereinbarungen, welche
eine formelle Grundlage bilden für die Definition der Leistungen. Da sich
letztere aber ständig weiterentwickeln, sind alle existieren und
bestandskräftigen Leistungsvereinbarungen zwar ähnlich, aber nicht gleich. Und
wenn man jetzt noch auf die einrichtungsspezifischen Unterschiede eingeht, die
sich aber nicht nur in den verschiedenen betrieblichen Anlagen erschöpfen
dürfen, dann wäre ein externer Vergleich erheblich erschwert – aber das nur am
Rande.
BGB-Verträgen wird ein Leistungsverzeichnis zugrunde liegen,
in dem der Auftrag in irgendeiner Form umschrieben ist. Es werden ggf.
gesetzliche Rahmenbedingungen wie z.B. ein Tariftreue-Gesetz o.ä. genannt, aber
im Grunde sehe ich keine großen Unterschiede. Auch die Benennung einer
Schiedsstelle ist nicht unüblich, um teure und langwierige zivilrechtliche
Streitigkeiten zu vermeiden. Die Freiheit der Vertragsgestaltung ermöglicht
Mischformen aus Werks- und Dienstleistungsverträgen, so dass auch eine
SGBXII-Gesamtvereinbarung in einem BGB-Vertrag ihre Ausgestaltung findet.
Wenn der BGB-Vertrag die ursprünglichste und am weitesten
verbreitete Form aller Verträge darstellt, dann ist die SGBXII-Gesamtvereinbarung
eine sehr spezielle, an den Bedürfnissen eines öffentlich-rechtlichen
Sozialhilfeträgers ausgerichtete Vertragsform. Warum sollte man überhaupt
versuchen, wegzukommen vom SGB XII?
Zuerst einmal ergibt sich aus der Vertragskonstellation ein
Leistungsdreieck, in dem sich die verschiedenen Vertragsparteien wiederfinden.
Problematisch daran ist allenfalls, dass dieses Leistungsdreieck zwischen zwei
der drei Parteien konkret vereinbart wird. Die dritte Partei ist lediglich
Leistungsempfänger, aber hat ansonsten keine Rechte, die sich aus dem Vertrag
unmittelbar ergeben. Denkbar wäre jetzt, dass man versucht, diese dritte Partei
ganz und gar auszuschließen aus dem Leistungsdreieck. Doch da diese Partei,
nämlich der Leistungsempfänger bzw. Leistungsberechtigte sowieso keine
Möglichkeit der aktiven Mitwirkung oder Beteiligung an der Ausgestaltung der
Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII hat, ganz zu schweigen von der
SGBXII-Gesamtvereinbarung, obliegt die vertragliche Festlegung von Leistung und
Gegenleistung dem Sozialhilfeträger und dem Einrichtungsträger. Gewonnen wäre
mit dem Aufbrechen des Leistungsdreiecks erst einmal gar nichts.
Dann stellt sich die Frage, ob nicht doch der
Sozialhilfeträger gesetzlich verpflichtet ist, eine Gesamtvereinbarung auf
Basis des SGB XII abzuschließen. Und hier heißt es in § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB
XII:
„… (2) Zur Erfüllung
der Aufgaben der Sozialhilfe sollen die Träger der Sozialhilfe eigene
Einrichtungen nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger
vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können. …“
Sofern also „geeignete“ Einrichtungen vorhanden sind, darf
der Sozialhilfeträger keine eigenen Einrichtungen schaffen, sondern muss
bestrebt sein, eine Vereinbarung über
die Erbringung von Sozialhilfe-Leistungen abzuschließen. Dabei ist der Begriff „Einrichtung“
gem. Absatz 1 wie folgt zu verstehen:
„… (1) Einrichtungen
sind stationäre und teilstationäre Einrichtungen im Sinne von § 13. Die §§ 75
bis 80 finden auch für Dienste Anwendung, soweit nichts Abweichendes bestimmt
ist. …“
Wenn Wohneinrichtungen und Tagesförderstätte somit nicht zur
Verfügung stehen, könnte auch ein ambulanter Dienst die erforderlichen
Leistungen übernehmen. Zu prüfen wäre dann allerdings, was mit Satz 2
tatsächlich gemeint ist und wo man die „nähere Bestimmung“ suche müsste. Ganz
sicherlich nicht gemeint ist, dass zwingend eine SGBXII-Gesamtvereinbarung abgeschlossen
werden muss. Der Gesetzgeber ist nämlich im weiteren Wortlaut des § 75 SGB XII
auf die Frage eingegangen, was zu tun wäre, wenn eine Vereinbarung nach Absatz
3 nicht zustande kommen würde.
„… (4)1 Ist
eine der in Absatz 3 genannten Vereinbarungen [d.h. Leistungsvereinbarung,
Vergütungsvereinbarung und Prüfungsvereinbarung] nicht abgeschlossen, darf der
Träger der Sozialhilfe Leistungen durch diese Einrichtung nur erbringen, wenn
dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. …3Vergütungen
dürfen nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Träger der
Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare
Leistungen nach den nach Absatz 3 abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen
Einrichtungen trägt.“
Hier werden ganz enge Grenzen für den Sozialhilfeträger
gesetzt, aus denen er sich nicht befreien kann. Er kann eine Vereinbarung
abschließen, die sich auf eine andere Rechtsgrundlage bezieht, zum Beispiel dem
BGB in der Annahme, dass der Bedarfsfall ein Einzelfall ist. Würde es sich
nicht um einen Einzelfall handeln, käme womöglich sogar das Vergaberecht zum
Einsatz. Eine solche Entwicklung wäre denkbar, wenn der Gesamtbereich der
Eingliederungshilfe neu organisiert und finanziert werden soll, da durch
öffentliche Ausschreibungsverfahren dem Träger der Sozialhilfe meiner Ansicht
nach höhere Bürden aufgelastet werden. Doch ein solcher Schritt wäre eben nur
dann möglich, wenn weder Strukturen ausreichend vorhanden sind, noch SGBXII-willige
Leistungsanbieter am Markt bestehen. Träger „teurer“ Einrichtungen würden mit
einem nicht zu unterschätzenden Risiko konfrontiert werden, da das öffentliche
Vergaberecht verkürzt gesagt das Ziel verfolgt, den günstigsten
Leistungsanbieter ohne Bevorzugung Einzelner zu filtern. Diejenigen Träger, die
weiterhin SGBXII-konforme Angebote unterbreiten, müssen bevorzugt werden, alle
anderen Vertragslösungen folgen. Ansonsten
bliebe als einzige Alternative, eigene Strukturen zu schaffen.
Nochmal: Der Rechtsanspruch des Leistungsempfängers bzw.
Leistungsberechtigten steht nicht in Frage. Kann aber eine der beiden anderen
Parteien verlangen, dass das BGB als alleinige Rechtsgrundlage für die
Leistungserbringung herangezogen wird? – Faktisch „Nein!“ Der Sozialhilfeträger
müsste in der Konsequenz eigene Strukturen schaffen bzw. mit denjenigen
Einrichtungsträgern Vereinbarungen zu schließen, welche nach Absatz 4 ein
Leistungsangebot unterbreiten. Der Einrichtungsträger hat, wenn er Geld
verdienen will, nur die Möglichkeit, sich auf die Bedingungen, die sich aus dem
SGB XII ergeben, einzulassen. Eine BGB-Lösung käme nur in Betracht, wenn
Strukturen zur Bedarfsdeckung nicht ausreichend vorhanden sind.
Über das Thema „BGB-Eingliederungshilfe“ wird sich womöglich
eine Debatte entwickeln, wie ich zuletzt wieder beobachten konnte. Ich denke,
dass die BGB-Eingliederungshilfe keine Lösung ist, und schon gar nicht gewollt.
Warum sonst hat der Gesetzgeber überhaupt ein Lex Specialis geschaffen? In meinem letzten Beitrag hatte ich noch resümiert,
dass die Leistungsvereinbarung eine zentrale Bedeutung einnimmt. Diese
Bedeutung hat sie, wie wir nun wieder sehen, weil sie ihr vom Gesetzgeber
gewollt zuerkannt worden ist.
CGS