Montag, 7. April 2014

Trägerbudgets und andere Vergütungsmodelle

In meinem ersten Beitrag hatte ich über die Anfänge einer Diskussion über Trägerbudgets (in Hamburg) geschrieben. Dann befand ich, dass die nun bekannten und scheinbar praktizierten zwei Vergütungsmodelle, nämlich die Einzelkalkulation auf Grundlage von Leistungstypen wie auch solche Trägerbudgets, nebeneinander her vom Sozialhilfeträger jedem Träger angeboten werden sollten. Nun möchte ich das Thema von einer anderen Perspektive betrachten.

Das Ideal einer Vergütung wäre personenorientiert und leistungsgerecht. Eine solche Vergütung könnte ohne weiteres verglichen werden mit den unterschiedlichen Leistungsbereichen stationär, teilstationär und ambulant einerseits und der Qualität der jeweiligen Leistung (z.B. hohe Fachkraftquote, strukturelle Besonderheiten) andererseits. Die heutigen Vergütungen in der Einzelkalkulation sind aber Resultate von langwierigen Verhandlungen, die mittlerweile keine Aussagekraft über Inhalt der Leistung entfalten; leider glauben Sozialhilfeträger anscheinend noch immer, dass sie mit einer Absenkung in der Kostenposition „Sachaufwand, Büromaterial“ eine Steuerung vorgenommen haben. In Wirklichkeit ist ein Einrichtungsträger nicht in der Lage, gezielt eine Absenkung einzelner Kosten um x % vorzunehmen.

Die Kalkulation nach Leistungstypen ist also nach wie vor das Ziel, bedeutet aber für den Sozialhilfeträger auch, dass eine Steuerung des Aufwands überhaupt nicht möglich ist. Da die Fallzahlen seit 2000 bundesweit von 414.000 auf 630.000 Menschen im Jahr 2010 gestiegen sind (plus 54 %), ergibt sich hier ein enormes Risiko. Immerhin konnten die Aufwendungen pro Leistungsberechtigten gesenkt werden, was aber meiner Ansicht nach eher den neu hinzugekommenen Menschen geschuldet ist. Zwar stiegen die Gesamtaufwendungen im Zeitraum 2000 bis 2010 von 8.321,6 Mio. EUR auf 12.481,3 Mio. (vgl. Seite 3 der Entschließung des Bundesrates zur Schaffung eines Bundesleistungsgesetzes vom 22. März 2013), was einer Steigerung um 50 % entspricht, darin enthalten ist auch ein Anteil für allgemeine Preis- und Tarifsteigerungen (ca. 17 % und 26 % – eigene Berechnungen). Das Bundesleistungsgesetz wird nicht vor 2018 in Kraft treten, von daher ist ein Kostenmanagement dringend nötig.

Die Haushaltskonsolidierung zwingt die öffentlichen Sozialhilfeträger dazu, Teil-Etats einzufrieren und Vergütungen zu deckeln. Dass man in so einem Umfeld noch von leistungsgerechten und auskömmlichen Vergütungen spricht, wenn früher schon die Vergütungen auf „Kante“ vereinbart wurden, wirkt zynisch. In 2013 versuchte zwar die Stadt Hamburg mit einer Begrenzung der Ausgabenerhöhung um 0,88 % wenigstens einen Ausgleich für die Einrichtungsträger zu schaffen, doch bei Tarifabschlüssen im Bereich des TVöD von 3,5 % in 2012 und zweimal 1,4 % in 2013 sind solche Begrenzungen kein wirklicher Trost – man bedenke: mindestens 70 % der Vergütung entfallen i.d.R. auf die Personalkosten, Tendenz steigend.

Aus Sicht der Stadt ließe sich somit ein „Einfrieren“ des Etats für die Eingliederungshilfe am allerbesten im Wege eines „Gesamtbudgets für die Trägergemeinschaft“ bewerkstelligen. Die Weiterverteilung eines solchen Gesamtbudgets auf die einzelnen Einrichtungsträger müsste mithilfe des Instruments der Gegenseitigen Deckungsfähigkeit bemüht werden, was aber in einer von Konkurrenz und wirtschaftlichen Überlebenskampf geprägten Trägerlandschaft keine Option darstellt.

Dagegen hätte man mit der Vereinbarung eines „Trägerbudgets“ auf Basis von Umsatzerlösen ein Mittel, mit der die Bedürfnisse der konkurrierenden Träger nicht unmittelbar berührt werden. Im Effekt bedeutet aber jeder Abschluss eines Trägerbudgets, dass für den Rest der Einrichtungsträger ein kleineres Stück vom „Kuchen“ übrig bleibt. Für den Einrichtungsträger selber ergibt sich ggf. nur das Problem der Internen Deckungsfähigkeit, welche aber durch eigene, interne Maßnahmen zur Kosteneinsparung möglicherweise aufgefangen werden können.

Kleinteiligere Budgets auf Grundlage von einzelnen, abgegrenzten Leistungsbereichen oder sogar „Sozialraumbudgets“ stellen ebenfalls Alternativen dar, würden aber vermutlich kein Einsparungspotential generieren. Bestenfalls könnte man mit solchen Budgets neue Modelle der Eingliederungshilfe ausprobieren und testen.

Allen Budget-Formen gemein ist, dass mit ihnen eine große Pauschalierung im Angesicht steigender Fallzahlen vorgenommen wird. Da die Einrichtungsträger keine Aussicht auf Steigerung der Umsatzerlöse haben, müssen neue Maßnahmen ersonnen werden, mit denen der interne Mehr-Bedarf abgedeckt werden kann. Mit „internen Mehr-Bedarf“ ist gemeint, dass der bereits bestehende Kundenstamm zum Zeitpunkt der Budget-Vereinbarung einen noch niedrigen Bedarf hatte, aber im Zeitverlauf dieser Bedarf steigen wird. Kein Einrichtungsträger wird die durch Sparmaßnahmen erzielten Effizienzsteigerungen über zusätzliche Neukunden aufzehren lassen, sondern in erster Linie ein ausgeglichenes Jahresergebnis im Sinne eines Target-Costing erreichen wollen.

Um diese Entwicklungsmöglichkeiten wissen natürlich die Sozialhilfeträger, so dass beständig Gespräche mit den Einrichtungsträgern geführt werden müssen. Dies ist nicht nur ein hoher Aufwand auf (städtischer) Leitungsebene, sondern hierin liegt das Risiko der Sozialhilfeträger. Trägerbudgets können also nur dann abgeschlossen werden, wenn die jeweiligen Einrichtungsträger (oder Trägergemeinschaft) etwas von Interesse anbieten können und von sich aus im Gespräch bleiben wollen (d.h. Transparenz).

Das größte Interesse zeigt die Stadt nach wie vor bei der Umwandlung stationärer Angebote. Es wird unterstellt, dass Leistungen im stationären Bereich grundsätzlich teurer sind, als ambulante Angebote. Dies mag isoliert betrachtet für die Eingliederungshilfe richtig sein, gesamtfiskalisch werden Kosten von einem Etat in den anderen verschoben oder die Lasten auf weitere Sozialhilfeträger verteilt (z.B. Krankenkassen). Trotzdem ist dies nach wie vor das erklärte Ziel, so dass man hierüber ins Gespräch über ein Trägerbudget kommen kann.

Ein Mehr an Transparenz verhilft den Sozialhilfeträgern dazu, ein besseres Verständnis zu entwickeln und beteiligt zu sein bei der Schaffung neuer Angebote. Auch wird die strukturelle Auslastung in ansonsten unterschiedlich stark frequentierten Gebieten (Bezirken) verbessert. Ganz besonders profitiert die Verwaltung von der Kenntnis über erfolgreich umgesetzte personelle Einsparungen, sodass der tatsächlich erforderliche personelle Bedarf quasi abgelesen werden kann.

Die bisherige Betrachtung der unterschiedlichen Budget-Formen hat sich lediglich auf den Einsatz in einem städtischen Szenario bezogen. In Flächenländern, wie z.B. Schleswig-Holstein, könnten ganz andere Notwendigkeiten und Zwänge das Für und Wider bestimmen. Was im Endeffekt richtig oder falsch ist, müssen die einzelnen Träger entscheiden. Wenn aber Trägerbudgets nicht mehr sein sollen, dann sehe ich die Gefahr einer Kostenexplosion kommen.


CGS