In einem länger zurückliegenden Beitrag hatte ich mich
mit dem neuen Schulgesetz in Schleswig-Holstein und der dazu gehörigen
Verordnung ein wenig auseinandergesetzt. Mit dem neuen Gesetz soll es fortan
keine Schulnoten mehr geben bis zum Erreichen der 6. Klasse (vgl. Beitrag Nr. 34
vom 25.9.2014, sowie RegVO-SH i.V.m. § 16 SchulG-SH).
Am 14.6.2006 berichtete Zeit-Online (www.zeit.de) unter dem Titel „Schlechte Zensur
für Noten“ über die Unzuverlässigkeit von Schulnoten. Angeführt wurden zwei
Experimente, bei denen identische Aufsätze zuerst von 42 und später sogar von
110.000 Lehrern benotet wurden. Als Fazit wurde festgehalten:
„…Mehr als zehn
Prozent der benoteten Aufsätze wurden mit Noten zwischen »sehr gut« und
»ungenügend« bewertet. Auch ein Schwung identischer Aufsätze, der einer
kleineren Gruppe von Gymnasiallehrern vorgelegt wurde, bekam Noten wie aus dem
Zufallsgenerator.“
Das sind noch immer etwas weniger als 90 %, bei denen die
Benotung in einen engeren Kreis fällt. Doch wenn bestenfalls 90 % der Noten
eine nahezu objektive Leistungsbeurteilung wiederspiegeln, heißt es nicht, dass
Ziffernnoten Selbständigkeit und Leistungswillen bei den benoteten Schülern fördern.
Es darf nicht vergessen werden, dass genau solche pädagogischen Ziele es
ermöglichen, das Fürsorge-System mit seinen Abhängigkeiten und einer
anerzogenen Hörigkeit abzubauen. Schüler sollen in die Lage versetzt werden,
ihre Selbsteinschätzung zu verbessern (Divergenz zwischen Fremdbild und
Selbstbild), und lernen, mit Kritik konstruktiv umzugehen.
Der Grundschulverband e.V. brachte unter dem Titel „Sind
Noten nützlich und nötig?“ eine wissenschaftliche Expertise unter der Leitung
von Hans Brügelmann heraus. Es wird darin u.a. gefordert, dass Ziffernnoten
durch differenziertere Formen der Dokumentation und Leistungsbewertung ersetzt
werden. Das bisherige System fördert dagegen eine Art Selektionsdruck.
In dieser Expertise wird herausgestellt, dass Zensuren
zwar Urteile von „Lehrpersonen“ sind, was auf eine gewisse Erfahrung, Übung und
Fachlichkeit schließen lässt, doch die Daten weisen in eine andere Richtung.
Sei es, dass Benotungen in einer viel zu kleinen Population erfolgen oder
Herkunft, Geschlecht, Verhaltensauffälligkeiten und persönliche Sympathie zu
systematischen Verzerrungen der Beurteilung führen, erst wenn Noten nicht einem
„Selektionszweck“ dienen, verlieren diese Faktoren an Bedeutung.
Menschen mit Behinderung leben größtenteils noch in einem
Fürsorge-System, dessen weitere Existenz gerade jetzt in die Diskussion gekommen
ist. Es wird zu verfolgen sein, wie das Thema „Inklusive Schule“ nun an Dynamik
gewinnt und weitere Veränderungen auf den Ebenen Schule, Klasse und Gesellschaft
(Elternhaus) auslöst.
CGS
Quelle:
http://d-nb.info/1049756649
sowie über http://www.grundschulverband.de/veroeffentlichungen/wissenschaftliche-expertisen/
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