Montag, 2. März 2015

Schulnoten

In einem länger zurückliegenden Beitrag hatte ich mich mit dem neuen Schulgesetz in Schleswig-Holstein und der dazu gehörigen Verordnung ein wenig auseinandergesetzt. Mit dem neuen Gesetz soll es fortan keine Schulnoten mehr geben bis zum Erreichen der 6. Klasse (vgl. Beitrag Nr. 34 vom 25.9.2014, sowie RegVO-SH i.V.m. § 16 SchulG-SH).

Am 14.6.2006 berichtete Zeit-Online (www.zeit.de) unter dem Titel „Schlechte Zensur für Noten“ über die Unzuverlässigkeit von Schulnoten. Angeführt wurden zwei Experimente, bei denen identische Aufsätze zuerst von 42 und später sogar von 110.000 Lehrern benotet wurden. Als Fazit wurde festgehalten:

„…Mehr als zehn Prozent der benoteten Aufsätze wurden mit Noten zwischen »sehr gut« und »ungenügend« bewertet. Auch ein Schwung identischer Aufsätze, der einer kleineren Gruppe von Gymnasiallehrern vorgelegt wurde, bekam Noten wie aus dem Zufallsgenerator.“

Das sind noch immer etwas weniger als 90 %, bei denen die Benotung in einen engeren Kreis fällt. Doch wenn bestenfalls 90 % der Noten eine nahezu objektive Leistungsbeurteilung wiederspiegeln, heißt es nicht, dass Ziffernnoten Selbständigkeit und Leistungswillen bei den benoteten Schülern fördern. Es darf nicht vergessen werden, dass genau solche pädagogischen Ziele es ermöglichen, das Fürsorge-System mit seinen Abhängigkeiten und einer anerzogenen Hörigkeit abzubauen. Schüler sollen in die Lage versetzt werden, ihre Selbsteinschätzung zu verbessern (Divergenz zwischen Fremdbild und Selbstbild), und lernen, mit Kritik konstruktiv umzugehen.

Der Grundschulverband e.V. brachte unter dem Titel „Sind Noten nützlich und nötig?“ eine wissenschaftliche Expertise unter der Leitung von Hans Brügelmann heraus. Es wird darin u.a. gefordert, dass Ziffernnoten durch differenziertere Formen der Dokumentation und Leistungsbewertung ersetzt werden. Das bisherige System fördert dagegen eine Art Selektionsdruck.

In dieser Expertise wird herausgestellt, dass Zensuren zwar Urteile von „Lehrpersonen“ sind, was auf eine gewisse Erfahrung, Übung und Fachlichkeit schließen lässt, doch die Daten weisen in eine andere Richtung. Sei es, dass Benotungen in einer viel zu kleinen Population erfolgen oder Herkunft, Geschlecht, Verhaltensauffälligkeiten und persönliche Sympathie zu systematischen Verzerrungen der Beurteilung führen, erst wenn Noten nicht einem „Selektionszweck“ dienen, verlieren diese Faktoren an Bedeutung.

Menschen mit Behinderung leben größtenteils noch in einem Fürsorge-System, dessen weitere Existenz gerade jetzt in die Diskussion gekommen ist. Es wird zu verfolgen sein, wie das Thema „Inklusive Schule“ nun an Dynamik gewinnt und weitere Veränderungen auf den Ebenen Schule, Klasse und Gesellschaft (Elternhaus) auslöst.  

CGS


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