Das Thema
Mindestlohn wird nun zum Verhandlungsgegenstand in den Vertragskommissionen
gemacht. Das Problem ist hier, dass in vielen Einrichtungen
Bereitschaftsdienste vorgehalten werden, die nun aufgrund der neuen Regelungen
mit dem „Mindestlohn“ pro Zeitstunde entgolten werden müssen. Weil diese Kosten
bisher nicht Bestandteil der Personalkostenkalkulationen waren, muss eine
kalkulatorische Berücksichtigung stattfinden.
In der Vertragskommission Jugendhilfe in
Schleswig-Holstein (SGB VIII) gab es erste Gespräche über die Anerkennung der
zusätzlichen Kosten, die aus der Anwendung des Mindestlohngesetzes (MiLoG)
entstehen. Während die Leistungserbringer argumentiert hatten, dass eine
Verpflichtung der Leistungsträger zur Übernahme dieser unabweisbaren, notwendigen
und gesetzlich bedingten Kosten in den Vergütungssätzen besteht, nahmen die Leistungsträger
eine ganz andere Sichtweise ein. Die Leistungsträger setzten dagegen, dass im
Rahmenvertrag als „Berechnungsgrundlage“ zur Ermittlung der Personalkosten der
TVÖD festgelegt sei. Und weil im TVÖD sogenannte „Anwesenheitsbereitschaften“
mit einem Zeitanteil von 25% für die erbrachten Zeitstunden lt. Arbeitszeitgesetz
gezahlt werden, ist eine zusätzliche Kostenübernahme in die Vergütungssätze
nicht nötig. Würde aber diese tarifvertragliche Regelung als rechtswidrig
beurteilt werden, so dass dann doch der Mindestlohn von brutto 8,50 Euro zu
zahlen wäre (statt der 25 %), könnte man über eine Kostenübernahme neu
verhandeln.
Der Jugendhilfe-Rahmenvertrag für Schleswig-Holstein nach
§ 78 f SGB VIII (JugH-RV), welcher zwischen den kommunalen Spitzenverbände auf
Landesebene mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe und den
Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene im Jahr 2009
vereinbart wurde, enthält tatsächlich eine derartige Bedingung.
In § 8 Abs. 4 JugH-RV ist vorgegeben, dass die Entgelte „einrichtungs-
und hilfespezifisch als Pauschalbetrag zu vereinbaren“ sind. Darunter fallen
die Aufwendungen für das gemäß Leistungsvereinbarung erforderliche
Betreuungspersonal. Weiteren Einzelheiten finden sich in den Verfahrensvereinbarungen
Jugendhilfe (VV JugH) in der Anlage A zum Rahmenvertrag.
In Ziffer 4.2 steht, dass die Kalkulation der
Personalkosten entweder „unter Anwendung der in der Einrichtung angewandten
Vergütungssystematik“ oder „unter Anwendung eines Referenzvergütungssystems im
Wege einer pauschalierten Kalkulation“ erfolgt. Der zweite Punkt könnte als
Verweis auf einen überörtlich geltenden Tarifvertrag wie den TVÖD verstanden
werden, doch klar ist es nicht – zumindest nicht an dieser Stelle. Im Absatz
über die Ermittlung von Stundenentgelten, d.h. in Ziffer 4.2.2, ist dagegen ein
Verweis auf den TVÖD-VKA enthalten, allerdings bezieht man sich hier auf die Wochenarbeitszeit
im öffentlichen Dienst, die im Januar 2009 offenbar 39 Wochenstunden betrug.
In Ziffer 6.2.1 ist dann endlich ein entsprechender Bezug
enthalten. Für die Berechnung und Anpassung der Entgelte, werden die „Personalkosten
um die prozentuale Rate angepasst, die sich aufgrund der Tarifentwicklung im
TVÖD-VKA, gesetzlichen Veränderungen, der Entwicklung der
Sozialversicherungsbeiträge ergibt.“
Damit kann jetzt schon mal festgehalten werden, dass die
Personalkosten sich zum einen auf der Grundlage der Tarifentwicklung verändern,
zum anderen aber auch aufgrund von gesetzlichen Veränderungen (wie es im Falle
des MiLoG der Fall sein dürfte) und der Entwicklung der
Sozialversicherungsbeiträge. Das MiLoG gibt es erst seit dem 11.8.2014 – und damit
kann es nicht als zugehörig zum gesetzlichen und tariflichen Status Quo angesehen
werden, der in 2009 noch vorherrschte. Es handelt sich also um eine wirkliche,
gesetzliche Veränderung, die es zu berücksichtigen gilt. Darüber hinaus kann
man nicht deduzieren, dass der TVÖD-VKA die Obergrenze für Personalkosten
darstellt. Nach dem Wortlaut dieser Passage in den Verfahrensvereinbarungen
gilt die Ober- und Untergrenze nur für die Ergebnisse der Tarifrunden.
Es gibt aber noch etwas zu beachten. Nach § 24 Abs. 1
MiLoG besteht eine Ausnahme für tarifgebundene Arbeitgeber bis zum 31.12.2017.
Wenn abweichende Regelungen in einem Tarifvertrag „repräsentativer
Tarifvertragsparteien“ (was heißt das schon wieder?) enthalten sind, greift das
MiLoG nicht – mit anderen Worten: ein Arbeitgeber im TVÖD kann einen
Stundenlohn von unter 8,50 Euro bezahlen.
Damit hätte man jetzt zwei Interessenlagen im Verband der
Leistungserbringer: Tarif- und nicht tarifgebundene Unternehmen, die den
Mindestlohn nicht oder gesetzlich zu Zahlung verpflichtet sind. Auf diesen
Punkt ist die Seite der Leistungsträger nicht weiter eingegangen, vielleicht
war dieser auch nicht bekannt.
Am weiteren Verlauf ändert sich dennoch nichts.
Leistungsträger, die mit nicht refinanzierten Kosten rechnen müssen, sollten
jetzt in die Einzelverhandlungen gehen und mit dem Hinweis auf die „gesetzlichen
Veränderungen“ in Ziffer 6.2.1 der VV-JugH eine Entscheidung herbeiführen.
Möglicherweise wird es in den nächsten Monaten zu einer Überarbeitung des MiLoG
kommen, doch darauf vertrauen sollte man nicht.
Stellt sich dann noch die Frage, ob im Bereich der
Eingliederungshilfe ähnliche Problemlagen vorhanden sind. Dann wäre aber
zuvorderst der jeweilige Landesrahmenvertrag zu prüfen, um in der
Vertragskommission entsprechend argumentieren zu können. Es gibt Träger, die
alles daran setzen, um das Thema Mindestlohn auf die Tagesordnung zu setzen.
Inwieweit tarifgebundene Träger mit dem Begriff „repräsentative
Tarifvertragsparteien“ konfrontiert sind und deswegen die Ausnahmefrist in § 24
Abs. 1 MiLoG nicht in Anspruch nehmen können, entzieht sich schlicht meiner
Kenntnis (fallen die kirchlichen und paritätischen Arbeitgeber darunter?).
CGS
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